23. September 2024
Als wir nach unserer langen Fahrt am Abend in Córdoba ankamen, schien es, als wenn wir in einer völlig anderen Welt gelandet wären: Palmen, orientalisch anmutende Paläste und Gartenlagen, weiß getünchte Häusergassen und verträumte Innenhöfe führten uns eindrucksvoll die reichen arabischen Hinterlassenschaften Andalusiens vor Augen. Uns wurde noch viel deutlicher klar: es gab nicht das eine Spanien, sondern viele verschiedene Regionen, die alle ihr eigenes, entdeckenswertes Kulturleben besaßen. Das bereits von den Römern gegründete Córdoba war in seiner maurischen Glanzzeit Zentrum von Regierung und Gelehrsamkeit auf der iberischen Halbinsel und eine der größten Städte der Welt gewesen. Um 756 wurde sie zur Hauptstadt des umayyadischen Emirates von Córdoba und somit zum politischen und kulturellen Herz von al-Andalus. Im 10. Jahrhundert wurde dann das Kalifat von Córdoba ausgerufen, die Einwohnerzahl betrug damals wohl um die 110 000 Personen. Die Stadt war zur pulsierenden Schlagader islamischer Kultur und arabischer Sprache im Westen des Mittelmeerraumes geworden und konnte mit Städten wie Konstantinopel und Bagdad mithalten. Es gab eine funktionierende Wasserversorgung, die Straßen waren gepflastert, und Christen, Juden sowie Muslime lebten größtenteils – mit Ausnahmen, wie dem antisemitischen Massaker von 1066 – friedlich miteinander. Santiago de Compostela wurde 997 unter Almansor erobert, auch weitere christliche Herrschaftsgebiete wie Barcelona, Kastilien und Léon erlitten herbe militärische Verluste gegenüber ihrem mächtigen Nachbarn.
Politische Unruhen, Aufstände und Nachfolgestreite mündeten aber Anfang des 11. Jh. im sukzessiven Verfall des einst mächtigen Kalifates in kleinere Taifa-Königreiche, was es den christlichen Königreichen im Norden erlaubte, ihren Einflussbereich nach und nach auszubauen und somit auf längere Sicht die Reconquista voranzutreiben. Im Jahr 1236 wurde Córdoba dann von christlichen Truppen unter Ferdinand III. endgültig erobert und zum Grenzstützpunkt gegen das muslimische Emirat von Granada ausgebaut.
Am frühen Morgen des nächsten Tages besuchten wir die Mezquita-Catedral, einst die größte Moschee der Welt und auch heute noch eine in ihren schieren Ausmaßen überwältigende, dem Geltungsanspruch eines ehemaligen Kalifates sicherlich angemessene Anlage, ein labyrinthischer Säulenwald, den man unter Karl V. noch um eine Renaissance-Kathedrale ergänzt hatte – größer konnten die interkulturellen Kontraste kaum ausfallen. Die außerordentliche Breite der Gebetshalle und die Betonung der horizontalen Sichtachse erzeugten den Eindruck unendlicher Weite, war aber auch praktisch begründet: mussten doch die gen Mekka (in Córdoba nicht ganz, eher Richtung Südsüdosten) gerichteten Gläubigen den Gebetsausrufern im gesamten Gebäude zuhören können. Die 856 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit stammen größtenteils aus römischen Gebäuden, unter anderem einem Tempelvorgängerbau und tragen jeweils mehrere übereinander liegende Hufeisenbögen, die den Raum auch nach oben hin entgrenzen.
Nachdem wir die Moschee besichtigt hatten, überquerten wir den Guadalquivir über der alten, aus dem 10. Jahrhundert stammenden steinernen Brücke, entdeckten alte Klöster, römische Tempel und barocke Plätze in der Innenstadt und genossen unsere üppige Wohnung, die einem maurischen Wohnpalast – mit Pool, Innenhof und Glasfront – modern nachempfunden war. Abends nahmen wir dann die Stadt auch einmal abseits der Touristenpfade wahr und besuchten eine außerhalb gelegene taberna, in der auch der lokale Klassiker Ochsenschwanz mit Ofenkartoffeln angeboten wurde, wirklich Geschmackssache!