Pierre Bourdieu, Historische Praxeologien und die Erforschung der Kulturlandschaft
Theorien sozialer Praxis werden und wurden zahlreich in geistes- und sozialwissenschaftlichen Studien angewandt und diskutiert. Eine Verbindung von Praxeologie und Historischer Geographie fand bisher kaum statt. Dies ist wohl auch damit zu erklären, dass eine geschichtswissenschaftlich inspirierte Historische Geographie, die ihre Erkenntnisse nicht nur, aber doch auch ganz stark aus Archivarbeit und Quellenkritik gewinnt, der Frage nach der Rekonstruierbarkeit vergangener Praktiken skeptisch gegenübersteht. Und doch, so die zentrale These des Vortrags, können sich Praxeologien als sozialtheoretische Grundperspektive ganz besonders eignen, den Dialog zwischen einer geschichtswissenschaftlich ausgerichteten Historischen Geographie auf der einen Seite und einer sozial- und kulturtheoretisch ausgerichteten Humangeographie auf der anderen Seite zu stärken.
Der Vortrag gibt einen Einblick in ein laufendes Promotionsprojekt, in dem versucht wird, raumpolitische Praktiken in Bayern und der Tschechoslowakei in der Zwischenkriegszeit (1918-1938) miteinander in Beziehung zu setzen. Es werden einige Hinweise zu den methodologischen Voraussetzungen einer Verbindung von Praxeologie und Historischer Geographie gegeben, die durch Beispiele aus der Forschungspraxis nach ihren Potentialen und Grenzen befragt werden. Schließlich wird davon ausgehend kritisch diskutiert, ob und wie sich eine praxeologische Perspektive im Sinne Pierre Bourdieus und eine historische Kulturlandschaftsforschung fruchtbar verbinden lassen.