Forschungsschwerpunkt: Programm „Humanisierung des Arbeitslebens“
An der Juniorprofessur forschen wir zum Förderprogramm „Humanisierung des Arbeitslebens“, häufig kurz als „HdA“ genannt, das in der Bundesrepublik zwischen 1974 und 1989 durchgeführt wurde. Es beschäftigte sich auf vielfältige Weise mit Fragestellungen und Problemen im Spannungsfeld von Technik und Mensch in der Arbeitswelt.
Im Programmverlauf wurden über 1.600 Einzelprojekte gefördert. Sie zielten ab auf eine „menschengerechte“ Gestaltung des technischen Wandels, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, den Abbau von Arbeitsbelastungen, einen Ausbau des Arbeitsschutzes sowie die Stärkung von Mitbestimmungsrechten. Das langlaufende Förderprogramm begleitete einen durch wirtschaftliche Krisen gekennzeichneten Zeitraum, der mit Begriffen wie „nach dem Boom“ beschrieben wird. Diese Phase brachte eine tiefgreifende Transformation der Arbeitswelt mit sich, wie den Wegfall vieler industrieller Arbeitsplätze und die gleichzeitig zunehmende Mechanisierung, Automation und Computisierung.
Vor diesem Hintergrund fragt das seit November 2022 an der Professur laufende Forschungsprojekt nach der „Humanisierung als Faktor für den Wirtschaftswandel?“
Forschungsprojekt: Humanisierung als Faktor für den Wirtschaftswandel? „Humanisierung des Arbeitslebens“: Erwartungen, Ziele, Umgang (1974-89)
Das seit dem 1.11.2022 laufende Projekt möchte in erster Linie das HdA-Programm aus einer unternehmensgeschichtlichen Perspektive beleuchten, die in der bisherigen Forschung noch unterrepräsentiert ist. Es sollen insbesondere Wirkung und Nachhaltigkeit der einzelnen Projekte im unternehmerischen Kontext aufgearbeitet werden. Untersucht werden Erwartungshaltungen, Motivationen und konkrete Ziele der Unternehmen im gesamten Projektablauf. Dieser reicht vom Antragsprozess, über die Forschungsphase bis zur Publikation der Ergebnisse beziehungsweise die Umsetzung der gewonnen Erkenntnisse sowie dem Einsatz entwickelter Innovationen.
Ein unternehmensgeschichtlicher Zugang erfolgt über die Unternehmensüberlieferung, einschlägige Bestände in Unternehmens- und Wirtschaftsarchiven sowie Oral-History-Interviews mit ehemaligen Beteiligten.
Eine weitere Forschungsaufgabe liegt darin, bislang weniger berücksichtigte Branchen in den Blick zu nehmen und zu prüfen, welche Dynamiken HdA-Projekte hier entfalten konnten. Abseits der gut erforschten Bereiche Bergbau, Eisen- Und Stahlindustrie und Automobilbau, bot das HdA-Programm vielen kleinen und mittleren Unternehmen aus anderen Branchen die Möglichkeit zur Beteiligung. So gab es Verbundprojekte in Tischlereien, der Keramikindustrie, der Textilindustrie, der Verpackungsindustrie aber auch in Schreibdiensten in Behörden.
Zu der Frage nach Wirkung und Erträgen der HdA-Projekte im Kontext der Unternehmen und ihrer Verbände, werden auch die Beziehungen zu den anderen beteiligten Akteuren, den Gewerkschaften und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern untersucht. Ziel ist es, diese konträren und z.T. überlappenden Interessenfelder zu untersuchen, um den strategischen Umgang mit betrieblicher Forschungsförderung in den 1970er und 1980er Jahren besser zu verstehen.
Bearbeitung: Sebastian Knoll-Jung
Projektleitung: Nina Kleinöder
studentische Hilfskraft: Michaela Minder
Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung:
Tagung zu "Perspektiven menschengerechter Arbeit: gestern, heute und morgen"
In Kooperation mit der Friedrich-Ebert- und der Hans-Böckler-Stiftung fand vom 9. bis 10. Oktober 2024 eine Tagung des Projektes in Berlin statt. Ziel war es, einen Debattenbeitrag zu leisten, der historische Perspektiven mit aktuellen Fragen der Zukunft von Arbeit verbindet.
Zu einem kurzen Bericht von der Tagung geht es hier.
Bisherige Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens
Nina Kleinöder forscht seit mehreren Jahren in verschiedenen Verbünden (u.a. Friedrich-Ebert-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung) zum Themengebiet Wandel von Arbeit und den spezifischen Bezügen zu einer "Humanisierung" von Arbeitswelten seit den späten 1960er Jahren. 2019 erschien in Zusammenarbeit mit Stefan Müller und Karsten Uhl ein Sammelband unter dem Titel "Humanisierung der Arbeit". Aufbrüche und Konflikte in der rationalisierten Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts", der erste Ergebnisse dieser Arbeit bündelt. Sie ist Mitglied im interdisziplinären Arbeitskreis "Humanisierung der Arbeit revisited".
Aktuelle Beiträge von Nina Kleinöder:
Toninterview „Dr. Nina Kleinöder im Gespräch zum Thema Forschungslücken HdA“, 30/11/2020, in: Ökonomische Krisen als Chance?, https://hdainhd.hypotheses.org/764, 19/03/2021, (abgerufen am: 23.04.2021).
Blog-Beitrag "Von der Skizzierung des Forschungsfelds zum ersten Sammelband", in: Ökonomische Krisen als Chance?, https://hdainhd.hypotheses.org/1024, 19/04/2021, (abgerufen am: 23.04.2021).
Sebastian Knoll-Jung war bereits an einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt an der Universität Heidelberg beteiligt. In diesem Kontext forschte er u.a. zur Projektgeschichte und zu „Aushandlung und Teilhabe im Programm Humanisierung des Arbeitslebens“ in Bezug auf innerbetrieblicher Reformvorhaben bei der Peiner AG, 1975-1984. Zudem entstand ein Forschungsblog im Rahmen des Projekts mit zahlreichen selbstverfassten Beiträgen und als Herausgeber betreuten Beiträgen auch zum breiterem Forschungskontext.
Aktuelle Beiträge von Sebastian Knoll-Jung:
Blog-Beitrag „’A Rocky Road’ zur HdA-Projektliste“, in: hdainhd.hypotheses.org/778, 16/12/2020, (abgerufen am: 27.01.2023).
Blog-Beitrag „Auswirkungen der Stahlkrise der 1970er und 1980er Jahre auf marginalisierte Akteursgruppen und innerbetriebliche Diskriminierungspraktiken am Beispiel des HdA-Projekts in der Peiner AG“, in: https://hdainhd.hypotheses.org/99, 02/11/2020, (abgerufen am: 27.01.2023).
Interview „Aushandlung und Teilhabe im Programm „Humanisierung des Arbeitslebens“ – Abschlussdiskussion mit der Heidelberger Forschungsgruppe“, https://hdainhd.hypotheses.org/620, 19/11/2020, (abgerufen am: 27.01.2023).