FGG - Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart

Hg. von Helmut Glück und Konrad Schröder

Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart

Wissenschaftlicher Beirat: Csaba Földes (Veszprém), Mark Häberlein (Bamberg), Hilmar Hoffmann (Frankfurt am Main), Barbara Kaltz (Aix-en- Provence), Jochen Pleines (Bochum), Libuse Spácilová (Olmütz/Olomouc), Harald Weinrich (Münster, Paris), Vibeke Winge (Kopenhagen)

Die Sprachen von Regionen und Ländern werden zu Fremdsprachen, wenn sie den Einwohnern anderer Regionen und Länder erwerbenswert erscheinen. Dies kann aus ganz unterschiedlichen Gründen geschehen, freiwillig – etwa um des höheren Kulturstandes oder der ökonomischen Anreize wegen – oder unter Zwang, etwa im Gefolge von Kriegen. Viele Regionen der Welt sind gekennzeichnet durch ein Nebeneinander mehrerer Sprachen und Kulturen; unterschiedliche Formen von Mehrsprachigkeit der Bewohner sind die Folge. Weltweit betrachtet war und ist Einsprachigkeit eher ein (behebbares) Gebrechen als ein Normalzustand.

In der klassischen Antike waren Griechisch und Lateinisch in Europa die am weitesten verbreiteten Fremdsprachen, im Mittelalter dann das Lateinische und das Französische, im Zeitalter des Humanismus und der Frühen Neuzeit zusätzlich das Italienische. Seit dem späten 16. Jahrhundert stieg das Französische – massiv gestützt durch die auswärtige Kulturpolitik des französischen Nationalstaates – zur führenden Fremdsprache und zur lingua franca Europas auf. In den napoleonischen Zeit wurde es in ganz Europa zur „Feindsprache“, und im 19. und 20. Jahrhundert löste die gegenwärtigen Weltsprache Englisch das Französische in dieser Funktion ab. Das Deutsche war vom Mittelalter bis nach dem Ende des zweiten Weltkrieges im west- und südslavischen, nord- und westgermanischen sowie im ostsee. nnischen und baltischen Sprachraum, aber auch in Ungarn und Siebenbürgen die am weitesten verbreitete moderne“ Fremdsprache. Im 18. Jahrhundert wurde die Fremdsprache Deutsch auch im ostslavischen Sprachraum beliebt, und seit dem 19. Jahrhundert wird sie außerhalb Europas (Nord- und Südamerika, Japan, Naher und Mittlerer Osten, Afrika) in nennenswertem Umfang gelehrt und gelernt.

Die Reihe „Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart“ ist dem Erwerb und der Lehre von Fremdsprachen unter verschiedenen Aspekten gewidmet. Schwerpunkte sind zum einen der Erwerb des Deutschen als Fremdsprache, zum anderen die umgekehrte Perspektive, nämlich die Geschichte des Fremdsprachenlernens im europäischen Raum. Der institutionalisierte Sprachunterricht richtet sich bis in die frühe Neuzeit fast ausschließlich auf das Lateinische. Daneben spielen aber auch Französisch und slavische Sprachen sowie die Sprachen der Orientmission als Gegenstände von privater oder Kleingruppen-Unterweisung eine Rolle Im ausgehenden 16. Jahrhundert entwickelt sich das Französische zum Schulfach, und auch das Italienische und das Spanische werden gelehrt und gelernt. Im 18. Jahrhundert kommt in einigen Regionen das Englische dazu, während andere Sprachen (etwa Portugiesisch, Schwedisch, Russisch), von kleinen Konjunkturen abgesehen, im deutschen Sprachraum eher selten gelernt werden.

Die Reihe versammelt Monographien, Sammelbände, Bibliographien und Quelleneditionen, die – in historischer Perspektive – den Erwerb der Fremdsprache Deutsch und den Erwerb von Fremdsprachen im europäischen Raum betreffen. Die Fragestellung kann dabei systematisch oder anwendungsbezogen sein. Grammatische, lexikologische, sprachenpolitische, sprachdidaktische, sprachsoziologische, sprachpragmatische, sprachpsychologische und auch allgemeinere kulturgeschichtliche Aspekte werden Berücksichtigung . nden. Die Reihe umfasst damit einerseits Studien zur „Karriere” des Deutschen und anderer Sprachen als Fremdsprachen, ggf. auf bestimmte Epochen oder Sprachräume beschränkt, andererseits aber auch solche, die sich auf Aspekte von kollektiven Spracherwerbs- und Sprachwechselprozessen beziehen.

In der Sprachgeschichtsforschung und auch in den Sprachdidaktiken spielt die Frage, welche Gruppen von Personen mit welchen Hilfsmitteln und aus welchen Motiven eine Fremdsprache erworben oder formell gelernt haben, bisher keine große Rolle. In der Forschung zur Geschichte des Reisens, zur Handelsgeschichte, zur Sozialgeschichte, zur Militärgeschichte und zur Migrationsgeschichte werden sprachliche Aspekte mitunter am Rande erwähnt, ohne dass sie systematisch untersucht werden. Die Forschung zur Geschichte der Lexikographie des Deutschen und anderer Sprachen hat die volkssprachlichen Vokabulare des Mittelalters und der frühen Neuzeit vor allem im Hinblick auf ihre lateinischen Vorbilder und auf ihre sprachliche Gestalt untersucht, nicht aber im Hinblick auf Fragen des Spracherwerbs. Die Geschichte der europäischen Sprachkontakte ist relativ gut bekannt, namentlich im Bereich des Lexikons, aber Fragen des Erwerbs und des Gebrauchs von Fremdsprachen spielen in ihnen keine Rolle. Ältere Wörterbücher, die Volkssprachen miteinander in Beziehung setzen, sind unter Spracherwerbsgesichtspunkten kaum erforscht, und auch die didaktische Lexikographie, die der Lehre von Fremdsprachen diente, und die meist wissenschaftlich anspruchslosen Lerngrammatiken (grammaticae minores) sind in der Forschung weithin unberücksichtigt geblieben. Die Reihe soll die Geschichte des Deutschen und anderer Sprachen, aber auch die Fachgeschichte der Germanistik und anderer Philologien und nicht zuletzt die Schulgeschichte um einen vernachlässigten Gesichtspunkt erweitern. 

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