DFG Projekt Märkte – Netzwerke – Räume. Wirtschaftsbeziehungen und Migrationsprozesse in der Frühen Neuzeit (1500–1800)
Fürsten und Kaufleute im konfessionellen Zeitalter: Augsburger und Nürnberger Firmen als Hoflieferanten mitteleuropäischer Herrscherhäuser, 1548–1630
Bearbeiter: Prof. Dr. Mark Häberlein
Im Prozess der Formierung der dynastischen Fürstenstaaten der Frühen Neuzeit wuchs auch die ökonomische Bedeutung des Fürstenhofes als Nachfrager verschiedenster Luxus- und Konsumgüter. Die Palette der Güter, die mitteleuropäische Höfe seit dem 16. Jahrhundert in steigenden Mengen bezogen, reichte von Nahrungs- und Genussmitteln (Wein, Ochsen, Gewürze) über kostbare Stoffe bis hin zu Kunstwerken und kunsthandwerklichen Objekten (Gold- und Silberschmiedearbeiten, Juwelen, Gobelins, Altäre etc.). Als Anbieter dieser Güter traten zunächst vorrangig reichsstädtische Kaufleute auf, die aufgrund ihrer Finanzkraft und ihrer weit reichenden Handelsbeziehungen in der Lage waren, die Aufträge fürstlicher Auftraggeber zu erfüllen. Obwohl seit dem späten 16. Jahrhundert auch niederländische Religionsflüchtlinge und die erste Generation der nach dem Dreißigjährigen Krieg so bedeutsamen jüdischen Hoffaktoren auf diesem Sektor in Erscheinung treten, ist davon auszugehen, dass reichsstädtische Handelshäuser dieses Marktsegment in Mitteleuropa bis in die 1620er Jahre hinein prägten.
Die Rolle Augsburger und Nürnberger Handelsfirmen als fürstliche Lieferanten ist bislang allerdings nur punktuell erforscht. Die Forschung konzentrierte sich einerseits auf die Fugger als Lieferanten der Habsburger, andererseits auf die Aktivitäten des Augsburger Kaufmanns und „Kunstagenten“ Philipp Hainhofer (1578–1647), dessen von reichsstädtischen Handwerkern arbeitsteilig hergestellte „Kunstschränke“ für fürstliche Auftraggeber Spitzenleistungen des süddeutschen Handwerks im frühen 17. Jahrhundert darstellen. Vor allem für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, in der eine größere Zahl Augsburger und Nürnberger Firmen regelmäßige Kontakte zu mitteleuropäischen Fürstenhöfen unterhielt, besteht noch eine erhebliche Forschungslücke, die in diesem Teilprojekt durch die Konzentration auf vier Fürstenhöfe, die sich sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch hinsichtlich ihrer konfessionellen Ausrichtung unterschieden – die Höfe der Tiroler Erzherzöge, der Herzöge von Bayern, der sächsischen Kurfürsten und der Grafen von Hohenlohe –, partiell geschlossen werden soll.
Methodisch verbindet das Teilprojekt Handels-, Kultur-, Diplomatie- und Konfessionsgeschichte. Aus handelsgeschichtlicher Perspektive geht es um die Frage, inwieweit die Nachfrage nach Luxus- und Konsumgütern an mitteleuropäischen Fürstenhöfen zur Entstehung neuer Märkte bzw. zur Verstärkung bestehender Marktbeziehungen beitrug. Dabei ist neben dem eigentlichen Warenbezug auch die Einbeziehung von Fürstenhöfen in Kreditnetze und Zahlungssysteme zu beachten. Aus kulturgeschichtlicher Sicht ist von Interesse, wie sich der Erwerb von Kunstgegenständen und Luxusobjekten auf den Repräsentationsstil der Käufer auswirkte. Aus politikgeschichtlicher Perspektive wird dem Problem nachgegangen, inwieweit Kaufleute auch diplomatische Funktionen in fürstlichem Auftrag übernahmen. Aus konfessionsgeschichtlicher Sicht schließlich wird untersucht, ob der Prozess der Konfessionalisierung auch die Beziehungen zwischen Fürsten und Kaufleuten beeinflusste. Auf der einen Seite gibt es im Falle der Fugger deutliche Anzeichen für eine „Konfessionalisierung der Handelstätigkeit“: Angestellte wurden seit dem späten 16. Jahrhundert zunehmend aus dem katholischen Milieu rekrutiert, die finanziellen und sozialen Beziehungen konzentrierten sich auf die Höfe der katholischen Habsburger und Wittelsbacher, und sowohl im Kölner Krieg als auch in der Anfangsphase des Dreißigjährigen Krieges wurde die katholische Seite finanziell unterstützt. Auf der anderen Seite waren viele der wichtigsten Lieferanten und Kreditgeber der Habsburger und Wittelsbacher in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Protestanten (Jenisch, Paler, Kraffter). Philipp Hainhofer lieferte Kunstwerke sowohl an katholische als auch an protestantische Auftraggeber.
Die bisherige Archivforschung im Rahmen dieses Teilprojekts hat ergeben, dass es bereits mindestens eine Generation vor Philipp Hainhofer reichsstädtische Kaufleute gab, die sich auf die Vermittlung von Luxusgütern an mitteleuropäische Fürstenhöfe spezialisierten und für ihre fürstlichen Kunden diplomatische Aufgaben wahrnahmen. Anhand von Quellen aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, dem Stadtarchiv Augsburg und dem Fuggerarchiv Dillingen wird exemplarisch die Karriere des Augsburger Kaufmanns Anton Meuting (1524–1591) rekonstruiert, der von den 1560er Jahren bis zu seinem Tod als Vermittler zwischen dem bayerischen Herzogshaus und dem Hof Philipps II. von Spanien fungierte und dessen zahlreiche Briefe Geschäftsfelder und –praktiken, Finanzierungsstrategien und –probleme sowie die Rolle von Kaufleuten als Nachrichtenübermittler und politische Agenten detailliert dokumentieren.