Religiöse Differenz und wirtschaftliche Kooperation: Christlich-jüdische Geschäftsbeziehungen in der Spätphase des Alten Reiches (1648–1806)


Bearbeiterin: Prof. Dr. Michaela Schmölz-Häberlein

Finanzierung: DFG-Projekt (Sachbeihilfe - eigene Stelle)

Laufzeit: 1. Mai 2019 bis 30. April 2023

Im Zentrum des Projekts stand die systematische Erforschung und Darstellung der Formen, Strategien und Praktiken der Kooperation jüdischer und christlicher Wirtschaftsakteure zwischen der Mitte des 17. Jahrhunderts und dem Ende des Alten Reiches. Es leistet einen substantiellen und weiterführten Beitrag zur Integration der Wirtschaftsgeschichte in die jüdische Geschichte, zur frühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte sowie zur Erhellung der Zusammenhänge zwischen Staatsbildung, ökonomischer Entwicklung und der Geschichte religiöser Minderheiten. Schwerpunktmäßig ging es um wirtschaftliche Interaktionen, die über den Abschluss einzelner Kauf- und Kreditgeschäfte hinausgingen und eine längerfristige Zusammenarbeit initiierten bzw. zumindest intendierten. Dies betraf insbesondere serielle Beauftragungen und Kommissionsgeschäfte, Einlagen von Depositenkapital durch Christen in jüdische Handelsgesellschaften (und umgekehrt), stille Beteiligungen an kommerziellen Unternehmungen, die Bildung gemeinsamer christlich-jüdischer Handelskompanien sowie Kooperationen bei Gewerbebetrieben und Manufakturen. Der Untersuchungszeitraum deckt sich mit der Blütezeit des sogenannten Hofjudentums, in der zahlreiche mitteleuropäische Territorialstaaten im Kontext einer merkantilistisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik auf jüdische Hof- und Armeelieferanten rekurrierten und somit die Formierung einer jüdischen Wirtschaftselite ermöglichten bzw. begünstigten. Den Untersuchungsraum bilden süd- und mitteldeutsche Regionen wie Franken, Bayerisch-Schwaben und Hessen, die aufgrund der Zahl, Kapitalkraft und kulturellen Ausstrahlung der dortigen Judengemeinden als Verdichtungsräume jüdischen Lebens und jüdischer Kultur angesehen werden können.

The project focused on the systematic research and presentation of the forms, strategies and practices of cooperation between Jewish and Christian economic actors from the mid-seventeenth century to the end of the Holy Roman Empire. It makes a substantial and innovative contribution to the integration of economic history and Jewish history, to early modern economic history, and to our knowledge regarding the connections between state formation, economic development, and the history of religious minorities. In the present context, economic cooperation refers to forms of business interaction that went beyond single sales and credit transactions and initiated (or at least intended) the collaboration of Jewish and Christian actors over a longer time period. In particular, these include serial commissions; capital investments by Christians in Jewish commercial firms (and vice versa); silent participation in trading companies; the formation of joint Jewish-Christian commercial partnerships; as well as cooperative workshops and manufactures. The period under study coincides with the “age of the court Jews”, when numerous central European territorial states employed the services of Jewish court and army contractors in the context of mercantilist economic policies, thus enabling or at least supporting the formation of a Jewish economic elite. In spatial terms, the project covers territories in southern and central Germany like eastern Swabia, Franconia and Hesse, which can be considered as regional centers of Jewish life and culture due to the number, financial prowess and cultural significance of their Jewish communities.

 

Publikationen

Schmölz-Häberlein, Michaela

  • Jewish Business Partnerships (JeBuPa) [Data set]. Zenodo (2024).  https://doi.org/10.5281/zenodo.10970021
  • Der Financier und der Projektemacher – Die herrschaftliche Gold- und Silberdrahtmanufaktur in Schwabach als christlich-jüdischesKooperationsprojekt,in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 85/3 (2022), S. 623–656. 
  • Wetterextreme, Wirtschaftskrisen und unternehmerisches Handeln: Die Kooperation der Augsburger Kattundruckerei Schöppler & Hartmann mit jüdischen und christlichen Großhändlern (1783–1786), in: Annales Mercaturae. Jahrbuch für internationale Handelsgeschichte 7 (2021), S. 111–157.
  • Jüdische Handelshäuser als Kriegsfinanciers und Armeelieferanten zwischen Pfälzischem Erbfolgekrieg (1688–1697) und Österreichischem Erbfolgekrieg (1740–1748): Das Beispiel der Fürther Fränkel-Gesellschaften, in: Juden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Akteure, Erfahrungen, Strukturwandel, hrsg. von Martha Keil / Peter Rauscher / Sabine Ullmann (Forschungen zur Geschichte der Juden 33), Wiesbaden 2022, S. 191–228.
  • Jüdische Spenden und Stiftungen im fraktalen Raum des Heiligen Römischen Reichs, in: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 33/1 (2023), S. 101-131. [https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/asch-2023-2005/html?lang=de]

Schmölz-Häberlein, Michaela / Ullmann, Sabine

  • Zur Einleitung: Fraktalität und die Dynamik jüdischer Lebensformen im Süden des Alten Reichs im 17. und 18. Jahrhundert, in: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 33/1 (2023), S. 1–17.

Schmölz-Häberlein, Michaela / Strobel, Franziska

- Jewish Prosopographic Database (Jewish PID) und Jewish Business Partnerships (JeBuPa). 14 Apr. 2024, https://doi.org/10.57882/20240414-000.
- Jewish Prosopographic Database (Jewish PID) und Jewish Business Partnerships (JeBuPa). Zenodo (2024). https://doi.org/10.5281/zenodo.10969964.

Kruk, Oliver

„der völlig und gänzl[iche] Ruin und Untergang der so weit und breit in gantz Europa bekannten Zunnerischen Handlung“? Ein buchhandelsgeschichtlicher Akteur um 1700, in: Pietismus und Neuzeit 46/47 (2020/21), S. 108-132.