Bamberg als medizinisches Zentrum um 1800
An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhunderts wurde Bamberg überregional und sogar international als eines der führenden Zentren der deutschen Medizin wahrgenommen. Der Ruf Bambergs auf diesem Feld beruhte einerseits auf der Eröffnung des damals hochmodernen Allgemeinen Krankenhauses im Jahre 1789, andererseits auf dem Wirken der beiden Ärzte Adalbert Friedrich Marcus (1753–1816) und Andreas Röschlaub (1768–1835), die sich den damals neuartigen medizinischen Konzepten des Brownianismus und der Naturphilosophie zuwandten. Jubiläen dieser beiden führenden Mediziner bildeten den konkreten Anlass, sich mit ihrem Wirken eingehend auseinanderzusetzen.
Der als Sohn eines jüdischen Hoffaktors in Arolsen geborene Adalbert Friedrich Marcus hat seine Wahlheimat Bamberg als Hof- und Leibarzt der letzten Fürstbischöfe, Direktor des Allgemeinen Krankenhauses, Reformer des Gesundheits- und Sozialwesens sowie als Mitinitiator kultureller und geselliger Aktivitäten nachhaltig geprägt. Zugleich fand er durch seine Publikationen und den hervorragenden Ruf des Allgemeinen Krankenhauses weit über Bamberg hinaus Beachtung. Zu Marcus‘ 200. Todestag im April 2016 legten Mark Häberlein und Michaela Schmölz-Häberlein eine Biographie vor, die alle Aspekte seines Lebens und Wirkens berücksichtigt. Sie beruht auf Recherchen in 15 verschiedenen Archiven und Bibliotheken und setzt in mehrfacher Hinsicht neue Akzente. So beleuchtet sie Marcus‘ überregionalen Wirkungskreis durch die Darstellung seines Korrespondenznetzes, seiner Kontakte zu führenden Repräsentanten der Weimarer Klassik und der Jenaer Romantik, seiner Kontroversen mit medizinischen Autoritäten der Zeit und seiner Beziehungen zu seinen kaufmännisch tätigen Brüdern, deren Aktionsradius von Nordamerika bis nach Russland reichte. Durch die Untersuchung von Konflikten, in die Marcus verwickelt war, zeigt sie auch die problematischen Aspekte seiner Persönlichkeit und Tätigkeit auf – Klientelismus, fragwürdige Immobiliengeschäfte, Mobbing von Kollegen und ein selbstherrliches Gebaren, das die Behörden zunehmend irritierte. Schließlich wirft sie neues Licht auf Marcus‘ Rolle bei der Herausgabe der „Bamberger Zeitung“ sowie auf die Organisation von Militärlazaretten in Bamberg während der Koalitionskriege. Marcus‘ umfangreiche Bibliothek, die durch einen handgeschriebenen Katalog in der Staatsbibliothek Bamberg dokumentiert ist, war Gegenstand einer separaten Monographie.
Der als Medizinprofessor an den Universitäten Bamberg und Landshut wirkende Andreas Röschlaub gehört ebenfalls zu den einflussreichsten, aber auch umstrittensten deutschen Ärzten seiner Zeit. Als akademischer Lehrer, Publizist und stellvertretender Direktor des Bamberger Allgemeinen Krankenhauses war er neben seinem Mentor Adalbert Friedrich Marcus maßgeblich für den nationalen und internationalen Ruhm Bambergs als medizinisches Zentrum verantwortlich. Ein anlässlich seines 250. Geburtstags im Oktober 2018 publizierter, von Mark Häberlein und Margrit Prussat (Universitätsarchiv) herausgegebener Band beleuchtet zentrale Aspekte von Röschlaubs Karriere und Wirken sowie seine Beziehungen zu Weggefährten und Widersachern.
Publikationen
Mark Häberlein / Michaela Schmölz-Häberlein), Adalbert Friedrich Marcus. Ein Bamberger Arzt zwischen aufgeklärten Reformen und romantische Medizin, Würzburg 2016 (Stadt und Region in der Vormoderne, Bd. 5).
Michaela Schmölz-Häberlein / Mark Häberlein, Die medizinische Bibliothek des Adalbert Friedrich Marcus. Privater Buchbesitz und ärztliches Wissen um 1800, Bamberg 2016 (Bamberger Historische Studien, Bd. 15). Online verfügbar unter https://opus4.kobv.de/opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/47338
Mark Häberlein / Margrit Prussat (Hg.), Eine Wissenschaft im Umbruch. Andreas Röschlaub (1768–1835) und die deutsche Medizin um 1800, Bamberg 2018 (Bamberger Historische Studien, Bd. 18). Online verfügbar unter https://opus4.kobv.de/opus4-bamberg/frontdoor/index/index/docId/52113
Mark Häberlein, Johann Wolfgang von Goethe, Adalbert Friedrich Marcus und die Bamberger Medizin, in: Jahrbuch Literatur und Medizin 9 (2017), S. 13-44.
Mark Häberlein, Adalbert Friedrich Marcus (1753–1816), in: Fränkische Lebensbilder, Bd. 25, hg. von Erich Schneider, Neustadt an der Aisch 2018, S. 145-166.
Michaela Schmölz-Häberlein, Globale Vermittler und religiöse Grenzgänger – die Familie des Bamberger Arztes Adalbert Friedrich Marcus, erscheint in: Blätter für Fränkische Familienkunde 40 (2017), S. 185-208.
Michaela Schmölz-Häberlein, Ärzte, Kaufleute und Verleger – Die Netzwerke der Familie Marcus, in: Karrierestrategien jüdischer Ärzte im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Symposium mit Rundtisch-Gespräch zum 200. Todestag von Adalbert Friedrich Marcus (1753-1816), hg. von Gerhard Aumüller und Irmtraut Sahmland, Frankfurt u.a. 2018 (Beiträge zur Wissenschafts- und Medizingeschichte – Marburger Schriftenreihe, Bd. 4), S. 271-295.