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Lesung mit Annette Pehnt
Die Lesung mit Annette Pehnt fand am 09. Dezember 2024 statt.
Annette Pehnt, geboren 1967 in Köln, studierte Anglistik, Germanistik und Keltologie in Köln und Freiburg. Nach mehreren Studien- und Arbeitsaufenthalten in Irland, Schottland und den USA sowie ihrer 1997 abgeschlossenen Promotion lebt sie heute in Freiburg und Hildesheim, wo sie an der Universität das Institut für Literarisches Schreiben & Literaturwissenschaft leitet.
2001 debütierte sie mit dem Roman Ich muß los, der sogleich mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde. Es folgten zahlreiche weitere Romane, u.a. Insel 34 (2003), Haus der Schildkröten (2006), Mobbing (2007), Chronik der Nähe (2011), Briefe an Charley (2015) und Alles was Sie sehen ist neu (2020), darüber hinaus Erzählungen, Prosabände wie das Lexikon der Angst (2013) und das Lexikon der Liebe (2017) sowie Kinderbücher: Der Bärbeiß (2013), Alle für Anuka (2016) u. a. Zu ihren wichtigsten Auszeichnungen gehören der Italo-Svevo-Preis (2009), der Solothurner Literaturpreis (2012) und der Große Preis des Deutschen Literaturfonds (2023). Im Jahr 2011 war Annette Pehnt Poetikprofessorin an unserer Universität, zur Zeit ist sie Stipendiatin im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia.
In Bamberg wird Annette Pehnt aus ihrem jüngsten Roman Die schmutzige Frau (2023) lesen. Das Buch erzählt von einer Frau, die ein von ihrem Ehemann gekauftes Appartement, einen eigenen Raum für ihr Schreiben bezieht: „Du wolltest doch immer schreiben, sagt er und lächelt mir zu, während er das Buch und den Papierstapel vorsichtig auf meinem Schreibtisch ablegt.“ Was anfangs großzügig und traumhaft erscheint, entpuppt sich sehr bald als Albtraum. Der Ehemann geht seiner Wege – und sie kann die Wohnung hoch über der Stadt nicht mehr verlassen. Oder etwa doch?
Pressestimmen zu Die schmutzige Frau:
„Annette Pehnts Roman, wie hinter Glas geschrieben, ist ein allegorisches Meisterstück, in dem beinahe jeder Satz das Zeug dazu hat, sich selbst zu widerlegen. […] Die Schmutzige Frau ist auch ein Buch über Vereinzelung und Entfremdung, und vielleicht ist diese Erzählung ohne die Erfahrungen der Pandemie, ohne die Leiden in den goldenen Käfigen der privilegierten oberen Mittelschicht nicht denkbar.“ (Hilmar Klute, Süddeutsche Zeitung, 28.1.2023)
„Ein starker Stoff: Die gehirngewaschene Frau, die ihre Lebenslüge aufdeckt und zaghaft aus ihrem männergemachten Korsett heraussteigt. Mit diesem Text zeigt Annette Pehnt, dass sie ihr Handwerk beherrscht. Die Struktur ist schlau durchkomponiert. Sie schreibt hochreflektiert und glasklar.“ (Juliane Bergmann, NDR Kultur, 2.2.2023)
„Die Sprache ist die eigentliche Hauptfigur in diesem feinen, ungewöhnlichen Roman über das Scheitern einer Ehe und die Selbstermächtigung durch das Schreiben.“ (Franziska Wolffheim, Tagesspiegel, 28.1.2023)
Lesung mit Verena Keßler
Am 18. Juni 2024 las Verena Keßler aus ihrem Roman Eva (2023) in der Universität Bamberg.
Die 1988 in Hamburg geborene Autorin Verena Keßler absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Werbetexterin an der Texterschmiede Hamburg, bevor sie deutsche Literatur und germanistische Linguistik an der Humboldt-Universität zu Berlin und schließlich literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studierte.
2020 erschien ihr Debütroman Die Gespenster von Demmin, der für den aspekte-Literaturpreis nominiert und mit dem Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium ausgezeichnet wurde. Er ist zwischenzeitlich ins Französische, Griechische und Polnische übersetzt. Die Produktionsfirma Oma Inge Film entwickelt aktuell eine Miniserie, die auf dem Roman basiert.
Verena Keßlers zweiter Roman Eva (2023) gleicht einem Kaleidoskop, das Mutterschaft in Zeiten der Klimakrise aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und in erzählerischer Vielfalt beleuchtet. Ist es noch vertretbar, Kinder zu bekommen, wenn die Ressourcen knapp werden und die Klimakatastrophe droht? Will jede Frau überhaupt Kinder? Darf man Mutterschaft bereuen? Was bedeutet es, ein Kind zu verlieren? Solche und weitere Fragen stellen sich den vier zentralen Frauenfiguren dieses Romans – der kinderlosen Journalistin Sina, ihrer Schwester und dreifachen Mutter Mona, der Lehrerin Eva, die für den Verzicht auf Kinder plädiert, und einer namenlos bleibenden Frau, deren Sohn gestorben ist.
Pressestimmen:
„Verena Keßler verwandelt die unerträgliche Gleichzeitigkeit aus Apokalypse und Nachwuchs in wunderbare Literatur.“ (Marlene Knobloch, Süddeutsche Zeitung, 21.3.2023)
„Ein kunstvoll konstruierter Episodenroman über eine der drängendsten Fragen unserer Zeit.“ (Simone Schlosser, WDR 5, 2.6.2023)
„Keßler zelebriert mit empathischer Distanz, literarisch und psychologisch raffiniert, das Widersprüchliche und Unverbesserliche im Menschen.“ (Marianna Lieder, Welt am Sonntag, 2.4.2023)
Lesung mit Tanja Raich und Matthias Jügler
Der Lesungs- und Gesprächsabend mit Tanja Raich und Matthias Jügler fand am 19.01.2024 in der Universtität Bamberg statt.
Tanja Raich und Matthias Jügler lesen aus eigenen Texten und kommen anschließend mit uns ins Gespräch: Wie findet man einen Stoff? Was macht einen guten Stoff eigentlich aus? Und wie kann aus einem überzeugenden Stoff schließlich ein Roman werden?
Dieser öffentliche Lesungs- und Gesprächsabend findet im Rahmen des Schreibworkshops der Bayerischen Akademie des Schreibens statt, den in diesem Jahr Tanja Raich und Matthias Jügler leiten. Sie alle sind herzlich eingeladen!
Tanja Raich, 1986 in Meran geboren, ist Lektorin und Autorin. Bis 2020 war sie Programmleiterin beim Verlag Kremayr & Scheriau für deutschsprachige Debütliteratur. Momentan leitet sie das Literatur- und Kinderbuchprogramm des Leykam Verlags. Ihr Debütroman Jessolo war 2019 im selben Jahr für den Österreichischen Buchpreis und den Alpha Literaturpreis nominiert. 2022 erschienen sowohl ihr zweiter Roman Schwerer als das Licht als auch die Anthologie Das Paradies ist weiblich. 20 Einladungen in eine Welt, in der Frauen das Sagen haben.
Pressestimme zu Schwerer als das Licht (2022):
»Tanja Raich findet für diese Geschichte im Grenzbereich des menschlichen Lebens eine faszinierende, eine aufwühlende Sprache. Sie ist ganz frei von Pathos und packt einen eben darum besonders heftig an der Gurgel, sie ist minimalistisch-melodiös und sowieso betörend rhythmisch. Es ist der Rhythmus vom Werden und Vergehen.« (Alexander Solloch, NDR, 19.12.2022)
Matthias Jügler, 1984 in Halle/Saale geboren, ist freier Lektor und Autor. Auf seinen Debütroman Raubfischen (2015) folgten die von ihm herausgegebenen Anthologien Wie wir leben wollen (2016) und Wir. Gestern. Heute. Hier. (2020) sowie der Roman Die Verlassenen (2021). Für sein Werk erhielt er 2023 den Klopstock-Preis für neue Literatur. 2022 war er Writer in Residence in Reykjavík und im Jahr darauf Stadtschreiber von Halle/Saale. Sein dritter Roman Maifliegenzeit erscheint im März 2024.
Pressestimme zu Die Verlassenen (2021):
»Es beeindruckt nachhaltig, wie Matthias Jügler diese Geschichte ebenso konzise und unaufgeregt wie gleichermaßen eindrücklich und eindringlich zu erzählen versteht.« (Wiebke Porombka, FAZ, 26.06.2021)
Lesung mit Charlotte Gneuß: Gittersee (2023)
Am 05. Dezember 2023 las Charlotte Gneuß aus ihrem Roman Gittersee an der Universität Bamberg.
Charlotte Gneuß, 1992 geboren in Ludwigsburg, studierte nach einer Ausbildung zur Buchbinderin zunächst Soziale Arbeit in Dresden, dann Literarisches Schreiben am Literaturinstitut Leipzig und szenisches Schreiben an der Universität der Künste in Berlin. Seither hat sie u.a. in Literaturmagazinen und für ZEIT Online publiziert. Zusammen mit Laura Dschamilja Weber ist sie Herausgeberin der Anthologie Glückwunsch. 15 Erzählungen über Abtreibungen, die 2023 bei Hanser Berlin erschien. Gittersee ist ihr Debütroman. Er wurde sogleich für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 nominiert, mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet: die Sensation des Literaturherbstes 2023.
Schauplatz Gittersee, ländlicher Vorort von Dresden: Der Roman erzählt von der DDR der 1970er Jahre aus der Perspektive von Karin. Die 16-jährige ist mit familiären Jobs überhäuft – und zum ersten Mal verliebt. Als ihr Freund Paul plötzlich in den Westen flieht, gerät sie unter den Druck der Staatssicherheit. Ein Coming-of-Age Roman, der sich den ganz großen Fragen stellt. Es geht um ein Leben zwischen Loyalität, Eifersucht, Verrat, Schuld und Unschuld, Familiensorgen und Freiheitswillen – die DDR zum ersten Mal aus der Perspektive einer jungen, nachgeborenen Autorin.
Pressestimmen:
„Bis zum Schluss ist dieser Roman spannend, seine Figuren sind einprägsam, und sein Ende kommt völlig überraschend. Charlotte Gneuß hat mit ihrer Heldin Karin eine im entscheidenden Moment mutig entschlossene Figur geschaffen, der man noch einmal ins Leben der Anderen folgt, vor allem aber durch ihr eigenes sechzehnjähriges.“ (Katharina Teutsch. FAZ, 29. August 2023)
„Gittersee erzählt vom systemimmanenten Verlust der Unschuld, bis es am Ende zu einer überraschenden, aber glaubhaften Wendung kommt. Doch der Tonfall, in dem Karin sich selbst beim erzwungenen Erwachsenwerden zuschaut, bleibt unpathetisch. Sollte dieses Buch bald verfilmt werden, wäre das keine schlechte Idee.“ (Christoph Schröder. SZ, 30. August 2023)
„Charlotte Gneuß nähert sich all ihren Figuren mit so einer unglaublichen Liebe, dass man die ganze Zeit lang dabei bleibt.“ (Jan Drees. 3sat – Kulturzeit, 11. Oktober 2023)
Lesung mit Bov Bjerg: Der Vorweiner (2023)
Am Mittwoch, dem 22.11.2023 las Bov Bjerg aus seinem Roman Der Vorweiner (2023) an der Universität Bamberg im Rahmen der Lesungs- und Vortragsreihe Trauer schreiben.
Bov Bjerg begann seine literarische Karriere Ende der 1980er Jahre auf Berliner Lesebühnen wie Dr. Seltsams Frühschoppen, Mittwochsfazit und Heim & Welt, an deren Gründung er maßgeblich beteiligt war. 2008 publizierte er seinen ersten RomanDeadline. Zum Best- und Longseller avancierte dann sieben Jahre später sein Roman Auerhaus, der von etlichen Theater inszeniert und 2019 unter der Regie von Neele Vollmar verfilmt wurde. 2016 erschien ein Band mit Erzählungen (Die Modernisierung meiner Mutter), 2020 der Roman Serpentinen, der es auf Shortlist des Deutschen Buchpreises schaffte. Ende November wird der Hugo-Ball-Preisträger des Jahres 2020 seinen jüngsten Roman Der Vorweiner (2023) in Bamberg präsentieren. Worum geht es?
"Resteuropa, Ende des Jahrhunderts. Bürgerkriege und Naturkatastrophen haben die Welt verwüstet. Eine dicke Schicht Beton hebt den Rumpfkontinent über den steigenden Meeresspiegel. In den Auffanglagern Neuschwanstein und Neulübeck versammeln sich dänische, ghanaische oder niederländische Geflüchtete. Einer von ihnen ist Jan. Mit nichts am Leib tritt er in die Dienste von A. wie Anna. Für sie war es höchste Zeit, sich einen Trauergastarbeiter zuzulegen. Tränen bringen Prestige, und nur wer über einen fähigen Vorweiner verfügt, um den wird am Ende überzeugend geweint. Zu echter Trauer ist ohnehin niemand mehr in der Lage. Auch nicht B. wie Berta, Annas Tochter. Berta ist die Erzählerin und das lidlose Auge unserer Geschichte. Und wie sie erzählt: furios, komisch und ohne Mitleid." (Claassen-Verlag)
Stimmen zum Roman Der Vorweiner:
"Dystopie, Parodie einer Dystopie: In seinem neuen Roman erzählt der Berliner Schriftsteller von einer postapokalyptischen Welt, in der es weder Empathie noch Regen gibt und auch das Erzählen nicht mehr hilft." (Gerrit Bartels, Tagesspiegel, 3. September 2023)
"Bov Bjerg hat ein neobarockes Kunstwerk verfasst, das in der zeitgenössischen Literatur seinesgleichen sucht." (Carsten Otte, SWR, 31. August 2023)
"Ein raffiniertes Vexierspiel spiegelt unsere Gegenwart als unferne Zukunft einer barocken Vergangenheit und langt dabei ordentlich zu – von Sex mit einem Pizzakarton über diverse Morde an Menschen, Schnecken und einem Schwein." (Tina Hartmann, FAZ, 6. September 2023)
Lesung mit Olga Martynova: Gespräch über die Trauer
Am 25. Oktober 2023 las Olga Martynova aus ihrem Roman Gespräch über die Trauer im Rahmen der Lesungs- und Vortragsreihe Trauer schreiben an der Universität Bamberg.
Olga Martynova, geboren in Sibirien und aufgewachsen in Leningrad, ist Romancière, Lyrikerin, Essayistin und Übersetzerin. 1991 zog sie zusammen mit Oleg Jurjew (1959–2018) nach Deutschland. Von 1999 an schrieb sie literarische Texte auf Russisch und Deutsch, seit 2018 publiziert sie nur noch in deutscher Sprache. Sie ist Mitglied des PEN, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung (Darmstadt) sowie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz). Sie erhielt u. a. den Ingeborg-Bachmann-Preis (2012) und den Berliner Literaturpreis (2015). Zuletzt erschienen von Martynova u.a. der Essayband Über die Dummheit der Stunde (2018) sowie die Romane Der Engelherd (2016) und Mörikes Schlüsselbein (2013). Vorlesen wird sie aus ihrem jüngsten Buch, dem Gespräch über die Trauer (2023):
"Wer die Trauer nicht überwinden kann oder will, hat eine andere Option: mit ihr leben zu lernen. Olga Martynova hat nach dem Tod ihres Mannes, des russischen Dichters Oleg Jurjew, vier Jahre lang an diesem großen Essay geschrieben. Wie, will sie wissen, gehen andere Menschen mit etwas um, mit dem man eigentlich nicht umgehen kann und das zugleich so unumgänglich ist. Olga Martynova sucht nicht nach Ratschlag oder Trost, sondern gerät in ihrer Trauer in ein ebenso intimes wie reflektiertes, ein ebenso schamloses wie kluges 'Gespräch' – nicht zuletzt mit berühmten Texten über Trauer und Tod von Roland Barthes bis Joan Didion, von Elias Canetti bis Emmanuel Lévinas. – Begreife mich, sagt das Unbegreifliche. Darauf zu antworten, versucht dieses erschütternde Buch." (S. Fischer-Verlag)
Stimmen zum Gespräch über die Trauer:
"Olga Martynova hat der nicht gerade kleinen Bibliothek der Trauerliteratur ein gewichtiges Buch hinzugefügt." (Andreas Wirthensohn, WDR, 7. August 2023)
"Martynova geht es nicht darum, ihr eigenes Leid auszustellen, sie will vielmehr ganz unprätentiös und pathosfrei die Beobachtungen, die sie an sich und ihrer Umwelt nach dem Tod ihres Mannes macht, der Welt mitteilen." (Tobias Lemkuhl, FAZ, 26. September 2023)
"Es ist ein Gespräch über diesen Ausnahmezustand der menschlichen Psyche namens Trauer, bei dem sich nichts mehr als sicher erweist. Es ist ein Selbstgespräch, ein immer wieder sich dem aufpulsenden Schmerz zärtlich stockend stellendes Selbstversicherungsnachdenken über Leben und Tod und Leben." (Alexander Kluy, Der Standard, 5. August 2023)
Lesung mit Sharon Dodua Otoo: Adas Raum
Am 4. Juli 2023 las Sharon Dodua Otoo aus ihrem Roman Adas Raum an der Universität Bamberg.
Sharon Dodua Otoo ist Schriftstellerin, politische Aktivistin und Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe Witnessed. Ihre ersten Novellen die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle und Synchronicity erschienen 2013 und 2014. Mit dem Text Herr Gröttrup setzt sich hin (2016) gewann Otoo den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2020 hielt sie die Klagenfurter Rede zur Literatur Dürfen Schwarze Blumen malen? Politisch aktiv ist sie bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V., Phoenix e.V. und dem schwarzen queer-feministischen Verein ADEFRA. Ihr Debütroman Adas Raum (2021) erschien im S. Fischer Verlag, 2022 folgte Gesammeltes Schweigen, ein imaginäres Gespräch mit Heinrich Böll. Zuletzt veröffentlichte Otoo Herr Gröttrup setzt sich hin. Drei Texte (2022). Im März 2022 war sie Schroeder Writer-in-Residence an der Universität Cambridge.
Adas Raum verwebt die Lebensgeschichten von vier Frauen zu einer Reise durch die Jahrhunderte und über Kontinente: Ada erlebt die Ankunft der Portugiesen an der Goldküste des Landes, das einmal Ghana werden wird. Jahrhunderte später wird sie für sich und ihr Baby eine Wohnung in Berlin suchen. In einem Ausstellungskatalog fällt ihr Blick auf ein goldenes Armband, das sie durch die Zeiten und Wandlungen begleitet hat. Ada ist viele Frauen, sie lebt viele Leben. Sie erlebt das Elend, aber auch das Glück, Frau zu sein, sie ist Opfer, leistet Widerstand und kämpft für ihre Unabhängigkeit. Adas Raum erzählt von struktureller Gewalt und Ungerechtigkeit. Dass Otoo ihre politischen Überzeugungen in ihren Texten umsetzt, erklärte sie bereits in ihrer Klagenfurter Rede zur Literatur. Den Anspruch, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, löst der Roman ein, indem er kontroverse, verstörende Fragen zu Schuld und Gewalt aufwirft.
Pressestimmen
„Im Gegensatz zu Dickens begnügt sich Otoo nicht mit realistischen Erzählverfahren, sondern lädt die Wirklichkeit magisch auf. […] Eingedenk aller politischen und identitätspolitischen Inhalte erweist sich Otoo in ihrem ersten Roman als genuine Geschichtenerzählerin
und damit als eine, die weiß, wie man Spannung aufbaut, Cliffhanger einsetzt, mit retardierenden Momenten spielt, die Leser und Leserinnen einbezieht und herzlich einlädt, zuzuhören.“ (Shirin Sojitrawalla, deutschlandfunk, 21.02.2021)
„Mit Otoos Erzähltechnik lässt sich Identitätspolitik auch als ästhetisches und emotionales Verfahren begreifen.“ (Hanna Engelmeier, Süddeutsche Zeitung, 28.02.2021)
„In dem Roman ‚Adas Raum‘ zeigt sie sich endgültig als Erzählerin, die viele sprachliche Register ziehen kann und, anstatt ihre Figuren identitär festzuschreiben, ein kompliziertes Mosaik menschlicher Erfahrungen kunstvoll zusammenhält.“ (Dirk Knipphals, taz, 23.02.2021)
Lesung mit Paul Ninus Naujoks: Männer und Zerbrechlichkeiten
Am 29. Juni 2023 las Paul Ninus Naujoks aus seinem Prosaband Männer und Zerbrechlickeiten an der Universität Bamberg.
Paul Ninus Naujoks ist Autor, Referent für politische Bildung und Chancengleichheit, Künstler und trans. Bereits 2012 hatte er im Alter von 17 Jahren sein Coming-out als trans Mann – Öffentlichkeitsarbeit über Transgeschlechtlichkeit betreibt er seit 2017. Während seines Philosophie- und Geschichtsstudiums setzte er sich im Studierendenparlament für praktisch anwendbare Chancengleichheit und Inklusion ein. Naujoks referiert an Universitäten und Kunstakademien vor allem über queere Perspektiven in Gesellschaft und Kunst. 2022 publizierte er die Kurzgeschichtensammlung Männer und Zerbrechlichkeiten, mit der er unter die TOP 10 des Young Storyteller Awards kam.
Insbesondere beschäftigt sich Naujoks mit Männlichkeitskonstrukten. Der Autor sucht zu ergründen: Was ist Männlichkeit? Gibt es mehr als eine? Wer entscheidet darüber? Und wo findet ein trans Mann bei alledem seinen Platz? Sein Prosaband Männer und Zerbrechlichkeiten erzählt in Kurzgeschichten von einer Integration in Männerwelten sowie Ausbrüche aus festgefahrenen,
männlichen Stereotypen. Das kleine Buch hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit – es geht vielmehr darum, Einblicke des Weges eines trans Mannes zu seiner zarten Männlichkeit zu beschreiben.
Pressestimmen
„Dieses Buch bietet einen Einblick in die Reise eines trans Mannes, der seinen einzigartigen Platz in einer Welt der Männlichkeit findet. Es geht nicht darum, eine vollständige Antwort auf die Fragen nach dem, was Männlichkeit ist, wer sie definiert und welchen Platz ein trans Mann darin findet, zu geben. Vielmehr soll es eine Sammlung von Kurzgeschichten sein, die ein Gefühl dafür vermitteln, wie ein solcher Weg aussehen kann.“ (Gertrud Schneider, Literaturpower, 31.5.2023)
„Paul Ninus Naujoks [...] erzählt [...] von seinem Weg in eine zarte Männlichkeit und ordnet die gesellschaftliche und politische Entwicklung in Bezug auf Transgeschlechtlichkeit in Deutschland einmal anhand einiger seiner Alltagserfahrungen der letzten 11 Jahre als trans Mann als auch als Referent für politische Bildung und Chancengleichheit ein.“ (Die Rendsburger Regenbogengruppe, Nordkolleg Rendsburg, 17.05.2023)
Lesung mit Rolf-Bernhard Essig und Kâmil-David Benli: Herrengedeck. Geschichten frisch aufgetischt
Herrengedeck. Geschichten frisch aufgetischt von Kâmil-David Benli und Rolf-Bernhard Essig – eine Lesung unterstützt vom Deutschen Literaturfond. Am 13. Juni 2023, um 20 Uhr - An der Universität 2, Raum 00.25
Erzählen hilft beim Überleben. Erzählen kann produktiv verwirren. Erzählen kümmert sich wenig ums Alter oder ums Geschlecht. Nicht nur Bier und Korn bringen die Dinge ins Rollen, sondern auch Geschichten, die hochprozentig sind. Kâmil-David Benli und Rolf-Bernhard Essig erzählen sowohl von den Hochs als auch den Tiefs, die uns auf dem Weg von der Wiege bis zur Bahre begegnen. Seien Sie gespannt auf eine garantiert ungewöhnliche Paarung zweier, die mehr als die Uni von innen gesehen haben.
Die Lesung erfolgt mit freundlicher Unterstützung des Verbandes deutscher Schriftstellerinnenund Schriftsteller Bayern und NEUSTART KULTUR.
Rolf-Bernhard Essig ist Germanist, Historiker, Autor und Entertainer. Nach Studium, Diplomen und Promotion in Bamberg arbeitete er für viele der wichtigen Medien und Verlage Deutschlands. Es ist „ihm unmöglich, die Wörter nicht im Besitz ihrer Bedeutung zu stören.“ (G. C. Lichtenberg).
Kâmil-David Benli studiert Deutsch und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er nahm an der diesjährigen Bayerischen Akademie des Schreibens teil. Die Texte, die er bei der Lesung vortragen wird, sind in diesem Rahmen entstanden.
Lesung mit Katerina Poladjan: Zukunftsmusik
Am 23. Mai 2023 las Katerina Poladjan aus ihrem Roman Zukunftsmusik an der Universität Bamberg.
Die Schriftstellerin Katerina Poladjan, die 1971 in Moskau geboren wurde und seit Ende der 70er-Jahre in Berlin lebt, kommt am 23. Mai 2023 nach Bamberg. Nach ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg sowie der Darstellenden Kunst in München brachte sie 2011 ihr Prosadebüt In einer Nacht, woanders heraus. Sie erhielt mehrmals das Alfred-Döblin-Stipendium der Berliner Akademie der Künste und wurde 2019 für ihren Roman Hier sind Löwen für den Deutschen Buchpreis nominiert. Ihr vierter Roman Zukunftsmusik erhielt den Chamisso-Preis sowie den Rheingau Literaturpreis und war für den Preis der Leipziger Buchmesse
2022 nominiert.
Der 2022 erschienene Roman Zukunftsmusik erzählt von dem Beginn einer Zeitenwende an einem einzigen Tag, dem 11. März 1985, irgendwo in der Weite Sibiriens. In einem baufälligen Mietshaus leben Großmutter, Mutter, Tochter und Enkelin auf engstem Raum und gehen ihrem normalen Alltag nach, ohne etwas von dem Aufbruch zu ahnen, der sich mit der Wahl des späteren Reformers Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU an jenem Tag anbahnt. Zukunftsmusik stellt eine Innenschau von vier einfühlsam gezeichneten Figuren in einer Zeit der Umbrüche dar und lässt eine Episode aus der späten Sowjetunion miterleben, die ein surreal anmutendes Ende nimmt.
Pressestimmen
„Hochmusikalisch und virtuos erzählt Katerina Poladjan von den inneren Landschaften der späten Sowjetunion.“ (Maike Albath, Süddeutsche Zeitung, 23.03.2023)
„Hochdosiert, aber leichthändig ist Katerina Poladjans Roman ,Zukunftsmusik‘ ausgerechnet einer Zeit des Umbruchs in der Sowjetunion gewidmet, so dass er auch aktuell brennend interessiert. Jedoch ist das kein Lehrstück, höchstens begreift man, dass der Mensch im Einzelnen zu klein ist, um die Übersicht zu bewahren.“ (Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 16.03.2022)
„,Zukunftsmusik‘ ist ein elegantes, leichthändiges Capriccio, funkelnd zwischen Ernsthaftigkeit und skurrilen Kapriolen, das sich seine Erzählweisen und Tonlagen von überallher aus der russischen Literatur zusammenborgt.“ (Sigrid Löffler, deutschlandfunk, 23.02.2022)
Lesung mit Manuel Niedermeier: Das ist einer, der lebt!
Am 5. Mai 2023, um 20:00 Uhr las Manuel Niedermeier aus seinem neuen Roman Das ist einer, der lebt! in der Universität Bamberg.
Manuel Niedermeier, der in Berlin lebende Autor, Bühnentechniker und Dozent für Kreatives Schreiben, kommt im Rahmen des diesjährigen Seminars der Bayerischen Akademie des Schreibens am 5. Mai 2023 nach Bamberg. Nach seinem Studium der Germanistik, Sprachwissenschaften und Komparatistik in Regensburg und Wien brachte er 2014 seinen Debütroman Durch frühen Morgennebel heraus, für den erim selben Jahr den Bayerischen Kunstförderpreis für Literatur erhielt. Manuel Niedermeier war unter anderem Stipendiat des Berliner Senats am Literarischen Colloquium in Berlin (2016) und Artist in Residence im Hotel Laudinella in St. Moritz (2019).
In seinem neuen Roman Das ist einer, der lebt! verknüpft Manuel Niedermeier Vergangenheit und Gegenwart in Form seiner beiden männlichen Romanfiguren miteinander. Da ist auf der einen Seite Ralf, der im Berlin der Gegenwart als alleinerziehender Vater mit seinen beiden Söhnen in einer Plattenbausiedlung lebt. Nachdem ihn ein persönliches Unglück vollkommen aus der Bahn zu werfen droht, sucht er Halt in der Biographie von Arthur Cravan. Der hundert Jahre vor Ralf geborene Neffe des Schriftstellers Oscar Wilde war ein Mann, der es auf seine unorthodoxe Weise schaffte, sich durch das Leben zu schlängeln. Im Laufe der Erzählung werden die Parallelen zwischen beiden Lebensläufen immer deutlicher. Manuel Niedermeier erzählt in einem mitreißenden und lebensbejahenden Stil nicht nur die Geschichte Ralfs und Arthur Cravans, sondern legt auch gleichzeitig den Fokus auf existentielle Fragen: Wie schafft man es, nicht das Leben der Eltern zu leben? Wie fängt man wieder an, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird?
Pressestimmen
„Manuel Niedermeier erinnert an einen nach wie vor faszinierenden künstlerischen Aufbruch im frühen 20. Jahrhundert. Und bringt die, die seinem Roman "Das ist einer, der lebt!" folgen, ganz heimlich zum Nachdenken über die Frage, was uns in der Gegenwart noch verbinden könnte mit der künstlerischen Avantgarde und ihren vielen exzentrischen Köpfen.“ (Niels Beintker, Bayerischer Rundfunk, 10.03.2023)
„Da ist ein kluger Denker am Werk, ein Mensch, der Empfindungswärme, Schwächen, genauso wie Lebens(über)mut zulässt und erzählen kann.“ (Simone Dattenberger, Münchner Merkur, 01.03.2023)
"Geister der Vergangenheit": Lesung und Gespräch mit Prof. Tiffany Florvil (University of New Mexico) und der Autorin Patricia Eckermann.
Am Freitag, dem 03.02.2023 fand im Rahmen des Black History Months 2023 die Veranstaltung "Geister der Vergangenheit" an der Universität Bamberg statt.
Der Black History Month, welcher der Geschichte Schwarzer Menschen gewidmet ist und traditionell im Februar stattfindet, gewinnt auch in Deutschland regional und überregional immer mehr an Bedeutung. Schließlich werden in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit gesellschaftsprägende und höchst relevante Fragen rund um Rassismus, Diskriminierung, Intersektionalität und Gleichberechtigung intensiv diskutiert. In vielen Teilen Deutschlands, in Franken, und gerade auch in Bamberg gibt es eine lange afro-deutsche Geschichte, die aber noch wenig erforscht ist. Daher haben die Professur für Amerikanistik und der Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft es sich zum Ziel gesetzt, ein wiederkehrendes Format zum Black History Month ins Leben zu rufen. In diesem Kontext werden prominente Personen aus der literarischen und kulturellen Öffentlichkeit wie auch der Wissenschaft eingeladen, um in den Austausch zu kommen. Als erste Veranstaltung in dieser Reihe findet eine Lesung der Autorin Patricia Eckermann aus ihrem Urban Fantasy Roman Elektro Krause (2021) und ein anschließendes Gespräch mit Prof. Tiffany N. Florvil (University of New Mexico, USA) am Freitag, den 03.02.2023, um 18 Uhr in Raum U5/01.17 statt.
Zu den Autorinnen
Prof. Dr. Tiffany Florvil ist eine mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin und Professorin für europäische Frauen- und Geschlechtergeschichte des 20. Jahrhunderts an der University of New Mexico, USA. Sie forscht unter anderem zur Geschichte Europas nach 1945, afrikanischen/Schwarzen Diaspora, zu sozialen Bewegungen, Schwarzem Internationalismus sowie Geschlecht und Sexualität. Ihr preisgekröntes Buch Mobilizing Black Germany: Afro-German Women and the Making of a Transnational Movement (University of Illinois 2020) bietet die erste umfassende Studie zur Geschichte der modernen Schwarzen Bewegung im Deutschland der 1980er- bis 2000er-Jahre. Sie stellt den Aktivismus Schwarzer deutscher Frauen in den Mittelpunkt und zeigt, wie ihre Stimmen die Vorstellungen von Schwarzer Politik und Solidarität in Deutschland entscheidend geprägt haben. Das Buch wird in Deutschland im Frühjahr 2023 im Ch. Links Verlag erscheinen. Derzeit arbeite sie an einer Biografie über die prominente Schwarze deutsche Aktivistin und Schriftstellerin May Ayim. Im Frühjahr 2023 ist Prof. Florvil Berlin Prize Fellow of the American Academy in Berlin.
Patrica Eckermann schreibt Jugend- und Erwachsenenromane, arbeitet als freiberufliche Fernsehautorin, engagiert sich für Diversität in den Medien und veranstaltet Workshops zu diesem Thema. 2021 publizierte sie ihren Roman Elektro Krause, der breit rezipiert und bereits für verschiedene Preise nominiert wurde. Sie ist außerdem Mitherausgeberin des Kurzgeschichtensammelbandes Urban Fantasy: Going Intersectional (ebenfalls 2021). Eckermann lotet in ihren Texten auf innovative Weise die Verbindung von Urbanität, fantastischen Orten und verschiedenen Diskriminierungsformen aus. Sie ist eine aufstrebende Stimme, die sich der bisher nur am Rande betrachteten und literarisch produktiven Verflechtung von Diversität und Fantastik widmet. Damit schließt sie an Strömungen an, die im englischsprachigen Raum bereits unter dem Schlagwort Afrofuturism bekannt sind.
Lesung mit Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit
Am 18.12.2023 las Paul Maar aus seinem Roman Wie alles kam. Roman meiner Kindheit an der Universität Bamberg.
Paul Maar, der in Bamberg lebende Kinderbuchautor, Illustrator, Übersetzer, Drehbuch- und Theaterautor, feierte am 13.12.2022 seinen 85. Geburtstag. Seine bekannteste Kinderbuchreihe handelt vom Sams, einem wunscherfüllenden Fabelwesen. Noch vor dem ersten Sams-Buch Eine Woche voller Samstage (1973) kam sein Theaterstück Kikerikiste auf die Bühne. Es folgten viele weitere erfolgreiche Kinderbücher, darunter Lippels Traum (1984) und Herr Bello und das blaue Wunder (2005). 2001 schrieb Paul Maar als Co-Autor an der Sams-Verfilmung mit, die teilweise in Bamberg gedreht wurde. Er ist u.a. Preisträger des Deutschen Buchpreises für seinen Kinderroman Sams in Gefahr (2003), des Deutschen Vorlesepreises für das Gesamtwerk (2009) und erhielt 2018 den Ehrenring der Stadt Bamberg.
In dem 2020 erschienenen Roman Wie alles kam: Roman meiner Kindheit erinnert sich Paul Maar an seine Kindheit. Er denkt zurück an den frühen Tod der Mutter,
den nach vielen Jahren aus dem Krieg zurückkehrenden Vater, an die neue Mutter und an die behütete Welt bei den Großeltern im fränkischen Obertheres. Der Roman ist eine Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte, ein Vater-Sohn-Roman, nicht zuletzt eine Liebeserklärung an seine Frau Nele. Im Zentrum der Erinnerungen steht die innere Insel, auf die sich Kinder zurückziehen können, wenn ihnen die Außenwelt wieder einmal hart und kalt begegnet. Einige dieser autobiographischen Elemente finden sich auch in Paul Maars Kindergeschichten, etwa in den Erzählungen rund um das Sams.
Pressestimmen
„Maars Fähigkeit, seine Kindheit zu reflektieren und gelegentlich ein Schmunzeln auszulösen, macht die einzelnen Erinnerungen zu Lesestücken, deren Erkenntnisse einen aller Härte zum Trotz erfüllen.“ (Hans ten Doornkaat, NZZ, 25.10.2020)
„Paul Maar erzählt auf unvergleichlich sanfte, selbstironische und nun auch selbstrefelxive Weise von allen Schattierungen seines Lebens als Kind und Jugendlicher.“ (Siggi Reuß, deutschlandfunk, 19.10.2020)
„Bücher zu Rettungsinseln: Paul Maars Autobiografie ist auch eine Meditation über das Erinnern.“ (Roswitha Budeus-Budde, Süddeutsche Zeitung, 01.09.2020)
„Paul Maars Roman „Wie alles kam“ sucht in der Kindheit des „Sams“-Autors nach dem Grund für den Aufbruch ins verspielte Reich der Kunst.“ (Uwe Ebbinghaus, FAZ, 10.10.2020)
Lesung von Jan Wagners Übersetzung des Hörspiels Unterm Milchwald: Nora Gomringer und Jan Wagner
Under Milk Wood, das legendäre Hörstück des walisischen Dichters Dylan Thomas von 1954,
kam am 15.12.2022 um 19:30 Uhr in der neuen Übersetzung von Jan Wagner ins Bamberger ETA Hoffmann Theater(Studio).
Gemeinsam mit Nora-Eugenie Gomringer liest Jan Wagner Unterm Milchwald: für ihn „einer der dichtesten und schönsten Texte der Weltliteratur, mit großem Abstand das schönste Hörspiel, das jemals geschrieben worden ist“. Es schildert wortreich, verspielt und vielstimmig einen einzigen Frühlingstag in dem walisischen Fischerdorf Llareggub. Dort kreuzen sich die Wege des blinden Kapitäns Cat, des Postboten Willy Nilly, des örtlichen Bestatters, der Liebespaare und Trinker: ein Fest der Stimmen und Geräusche.
Nora-Eugenie Gomringer, 1980 in Neunkirchen/Saar geboren, leitet seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg. Seit 2000 hat sie zahlreiche Lyrikbände publiziert, darunter Monster Poems (2013), Moden (2017), zuletzt Gottesanbieterin (2020). Darüber hinaus sind von ihr Essaybände und Arbeiten in Kollaboration mit Musikern und Bildenden Künstlern erschienen. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Aufenthaltsstipendien und Auszeichnungen, u.a. den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache (2008), den Ingeborg-Bachmann-Preis (2015) und die Max-Kade-Gastprofessur am Oberlin College in Ohio, USA (2019).
Jan Wagner, 1971 in Hamburg geboren, lebt in Berlin. 2001 erschien sein erster Gedichtband Probebohrung im Himmel. Es folgten zahlreiche weitere Lyrikbände, zuletzt Selbstporträt mit Bienenschwarm (2016) und Die Live Butterfly Show (2018) sowie Essaybände, u.a. Der verschlossene Raum (2017) und Der glückliche Augenblick (2021). Jan Wagner hat renommierte englische Lyriker ins Deutsche übersetzt. Für seinen Gedichtband Regentonnenvariationen (2014) gewann er 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse. 2017 wurde er mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet, 2021 übernahm er die Bamberger Poetikprofessur.
"Es existiert keine Monogesellschaft."
Am 20. Juli fand in Kooperation mit dem CSD Bamberg e.V. die Lesung „Gender Trouble 2.0“ mit Hengameh Yaghoobifarah und Sasha Marianna Salzmann statt.
Ein Interview von Janina Müller
Janina Müller: Ist Literatur politisch?
Sasha Marianna Salzmann: Also, ich glaube, sobald Literatur eben nicht für die Schublade geschieht, sondern sie für eine Außenwelt produziert wird, ist sie ein Politikum, weil jedes Individuum Gesellschaft schafft. Selbst wenn ein Buch explizit kein politisches Thema hat, ist es trotzdem ein Politikum, weil es Gesellschaft mitgestaltet, mitprägt, mitbeobachtet – heißt: es geht für mich gar nicht so darum, welches Thema Literatur verhandelt. Allein schon, dass man das Wort ergreift, ist politisch.
Hengameh Yaghoobifarah: Literatur bildet Realitäten ab und die Realität ist auch einfach von verschiedenen Machtstrukturen geformt. Man kann sagen, entweder ist alles komplett politisch oder alles komplett apolitisch, aber schlussendlich ist es die Realität.
Janina Müller: Die Hauptfiguren in euren Büchern sind auf der Suche. Wonach suchen sie?
Sasha Marianna Salzmann: In „Außer Sich“ sucht mein*e Protagonist*in Ali nach dem Bruder Anton. Da es aber nicht geklärt ist, ob es Anton wirklich gibt, würde ich sagen, dass Ali eine Selbstsuche als Abenteuer begreift, die weiter geht als einfach nur in ein anderes Land zu reisen, das man nicht kennt. Es geht darum, Geschlecht, Nationalität, Religion und Sprache hinter sich zu lassen. Ich glaube, dass es wirklich die Frage ist, wie sehr wir Binaritäten aus unserm Leben verbannen können, die „Außer Sich“ trägt, als Gedanke.
Hengameh Yhagoobifarah: Im „Ministerium der Träume“ sucht Nas nach Antworten. Es ist eine Art Wahrheitsfindung. Sie will wissen, was mit ihrer Schwester passiert ist, und um das rauszufinden, muss sie in der Vergangenheit graben und auch Antworten suchen, die sie eigentlich verdrängt hat, die sie aber schon kennt.
Janina Müller: Findet sie die Antworten?
Hengameh Yhagoobifarah: Sie findet die Antworten.
Janina Müller: In den Büchern wird neben der Suche auch Mehrsprachigkeit thematisiert. Welche Rolle spielt sie in euren Büchern, in eurem Leben und für die Gesellschaft?
Sasha Marianna Salzmann: Naja, ich glaube, jede Gesellschaft ist mehrsprachig. Es existiert keine Monogesellschaft. Es bezieht sich nicht nur auf Sprache, sondern auch auf alles, was Sprache produziert. Ich glaube, jede Gesellschaft, die dort stagniert, produziert den Nährboden für Diktaturen. Das erleben wir ja gerade auch sehr schmerzhaft, aber selbst die diktatorischen Gesellschaften leben in mehreren Sprachen.
Hengameh Yhagoobifarah: Ich glaube nicht an die Reinheit von Sprache, sondern denke, dass Sprache auch dafür gemacht ist, dass sie so eine Verschiedenheit besitzt und deshalb keine sterile Form hat. Es kommen ja immer wieder verschiedene Sprachen – Englisch, Persisch und Deutsch – im Buch vor, aber das zeigt auch, wie Sascha ja schon gesagt hat, dass unsere Gesellschaft durch Mehrsprachigkeit geformt ist.
Lesung in der Reihe "Apokalypse now?": Roman Ehrlich
Die Lesung mit Roman Erhlich fand am 15.06.2022, um 20:00 Uhr in der Universität statt.
Roman Ehrlich, Jg. 1983, aufgewachsen in Neuburg an der Donau, studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und der Freien Universität Berlin. Bislang sind von ihm erschienen Das kalte Jahr (2013), Urwaldgäste (2014) und Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens (2017). Für seine Werke wurde er u.a. mit dem Robert-Walser-Preis (2014), Ernst Toller-Preis (2016) und Alfred Döblin-Medaille (2017) ausgezeichnet.
Alle Versuche, die Malediven vor dem steigenden Meeresspiegel zu retten, sind gescheitert, Pauschaltouristen haben sich neue Ziele gesucht, und der Großteil der Bevölkerung musste die Inseln verlassen. Gleichzeitig ist die heruntergekommene Hauptstadt Malé zum Ziel all jener geworden, die nach einer Alternative zum Leben in den gentrifizierten Städten des Westens suchen. Und so wird die Insel für die kurze Zeit bis zu ihrem Untergang zur Projektionsfläche für Aussteigerinnen, Abenteurer und Utopistinnen, zu einem Ort zwischen Euphorie und Albtraum, in dem neue Formen der Solidarität erprobt werden und Menschen unauffindbar verschwinden. Mit seinem dystopischen Roman Malé fängt Roman Ehrlich die komplexe Stimmungslage unserer Zeit ein und verwebt die Geschichten rund um die Sehnsüchte und das Scheitern seiner Figuren zu einem Abbild all der Widersprüche, die das Leben zu Beginn des 21. Jahrhunderts ausmachen.
Lesung mit Emma Braslavsky
Die Lesung mit Emma Braslavsky fand am 19. Mai 2022, um 20:00 Uhr im Rahmen der Reihe "Mein Hoffmann" in der Universität statt.
Emma Braslavsky, geboren 1971 in Erfurt, ist Romanautorin, Essayistin und Kuratorin. Ihr literarisches Debüt eierte sie 2007 mit dem Roman Aus dem Sinn, drei weitere Romane folgten seither: Das Blaue vom Himmel über dem Atlantik (2008), Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen (2016) und Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten (2019). Darüber hinaus veröffentlichte sie zahlreiche Essays und Erzählungen, kuratierte Ausstellungen und konzipierte die Hörcomicserie Agent Zukunft. Ihre Erzählung Ich bin dein Mensch (in: 2029 – Geschichten von morgen) diente als Grundlage für den gleichnamigen Spielfilm von Maria Schrader (2021). Für ihre Werke wurde Emma Braslavsky unter anderem mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis (2007), dem Franz-Tumler-Debütpreis (2007) und dem Alfred-Döblin-Stipendium (2021) ausgezeichnet.
Der Schauplatz ihres Romans Die Nacht war bleich, die Lichter blinktenist Berlin in einer nahen Zukunft. Inmitten der Metropole bewegen sich Tausende von künstlichen Wesen, entwickelt von Robotik-Unternehmen, die den realen Menschen als ideale Beziehungspartner:innen dienen sollen. Aber dieses Kalkül geht offenbar nicht auf. Als die Zahl der Suizide steigt, kommt die KI Roberta ins Spiel. Das Ziel: Sie soll die Angehörigen der Selbstmörder:innen ausfindig machen, um so der Kommune die Bestattungskosten zu ersparen. Der Roman stellt die Frage nach der Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit von künstlicher Intelligenz – auch indem deren Grenzen vorgeführt werden. Braslavsky Erzählung Ich bin dein Mensch, die als Spin-off von Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten gelesen werden kann, spielt ebenfalls mit der Dynamik zwischen realer Person und humanoidem Roboter. Damit knüpft sie zugleich an E.T.A. Hoffmanns verstörende Novelle Der Sandmann an, die von der Zuneigung des Dichter Nathanael zur Puppe Olimpia, einem Maschinenmenschen, erzählt. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Mein Hoffmann wird Emma Braslavsky aus ihren Werken lesen – und über ihr Verhältnis zu E.T.A. Hoffmann sprechen.
Lesung mit Norbert Gstrein: Der zweite Jakob
Die Lesung mit Norbert Gstrein fand am 11. Mai 2022, um 20:00 Uhr in der Universität statt.
Der österreichische Schriftsteller Norbert Gstrein wurde 1961 in Tirol geboren undstudierte Mathematik und Sprachphilosophie in Innsbruck, Erlangen und Stanford. Mit Fertigstellung seiner Dissertation erschien 1988 auch sein literarisches Debüt Einer, die
Geschichte eines Außenseiters. Schon dort hieß der Protagonist Jakob. Der neue Roman Der zweite Jakob nimmt diese Spur auf, die nicht nur die beiden Bücher verbindet, sondern Nobert Gstrein zufolge auch auf die eigene Biografie zurückweist: „Jakob hat bereits die Hauptfigur in meinem ersten Buch Einer geheißen, benannt nach einem meiner Onkel. In meiner Kindheit bin ich ,der zweite Jakob‘ genannt worden. Das war als Drohung gemeint, wohin es mit mir führen würde, wenn ich den Kopf nicht aus den Büchern herausbekäme.“ (Interview mit profil, 21.02.2021) Der zweite Jakob handelt von einem erfolgreichen Schauspieler mit dem
Künstlernamen Jakob Thurner, den Gstrein als „unheimlichen, unzuverlässigen“ Ich-Erzähler bezeichnet hat (Interview mit dem WDR, 9.10.2021). Kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag wird dieser Jakob auf zweierlei Art und Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert: einerseits durch lange Gespräche mit einem Journalisten, der an seiner Biografie arbeitet, andererseits durch die Frage seiner Tochter Luzie nach der schlimmsten Tat, die er je begangen hat. Vor diesem Hintergrund spannt sich die Erzählung auf, die durch Rückblenden das Leben des Protagonisten beleuchtet und dabei verstörende Fragen nach Identität, Moral, Realität und Fiktion aufwirft.
Für sein literarisches Werk hat Norbert Gstrein zahlreiche Auszeichnungen erhalten, zuletzt 2019 den Österreichischen Buchpreis für den Roman Als ich jung war und 2021 den Thomas-Mann-Preis. Der Roman Der zweite Jakob wurde mit dem Düsseldorfer Literaturpreis ausgezeichnet und für den Deutschen Buchpreis nominiert. Norbert Gstrein lebt heute in Hamburg.
Rheinland Grapefruit. Lesung und Gespräch mit Rainald Grebe
Am 21. Dezember 2021, um 20:00 Uhr stellte Rainald Grebe sein Buch Rheinland Grapefruit. Mein Leben via Zoom vor.
Rainald Grebe stellt im Rahmen der Reihe "Literatur in der Universität" sein jüngst erschienenes, zwischen Autobiographie und Autofiktion changierendes Buch Rheinland Grapefruit. Mein Leben vor, eine Collage aus Geschichten, tagebuchartigen Notaten, exponierten Sätzen. Mit der vielgestaltigen Typographie, den privaten Fotos und den Zeichnungen von Chrigel Farner ist es nicht nur ein Buch zum Lesen, sondern auch zum Anschauen und Verweilen bei vielen Details.
Bereits 2006 veröffentlichte Grebe den Roman Global Fish. Weithin bekannt ist er als Musik-Kabarettist, außerdem schreibt er Theaterstücke und führt Regie. Er absolvierte die Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin, hält ein Diplom in Puppenspiel und war Schauspieler und Dramaturg am Theaterhaus Jena.
Rainald Grebe wurde bereits vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Prix Pantheon Jurypreis in der Kategorie „Frühreif und Verdorben“ (2003), dem Jury- und Publikumspreis beim Kleinkunstfestival Die Wühlmäuse (2004), dem Salzburger Stier (2008), dem Bayerischen Kabarettpreis in der Sparte Musik (2009) und dem Deutschen Kabarettpreis (2012).
Jenny Erpenbeck: „Kairos"
Am Montag, den 15. November. 2021 las Jenny Erpenbeck an der Universität Bamberg aus ihrem Roman Kairos.
Jenny Erpenbeck, geboren 1967 in Ostberlin, schloss eine Lehre zur Buchbinderin ab und ging verschiedenen Tätigkeiten am Theater nach, bevor sie ein Studium der Theaterwissenschaften und Musiktheaterregie, u.a. bei Peter Konwitschny, Ruth Berghaus und Heiner Müller absolvierte. Kurze Zeit nach ihrem Abschluss debütierte sie 1999 mit der Novelle Geschichte vom alten Kind. Es folgten neben Theaterstücken und -inszenierungen zahlreiche Romane und Erzählungen, in denen Jenny Erpenbeck einschneidende historische Ereignisse des 20. und 21. Jahrhunderts thematisiert. In den intimen, familiären und beruflichen Geschichten, die sie erzählt, spiegeln sich die politischen Umbrüche des Jahrhunderts und umgekehrt. Dieses erzählerische Konzept, das Thea Dorn Erpenbecks „Kunst der Fuge“ (zdf, 27.08.2021) genannt hat, prägt auch den jüngsten Roman Kairos (2021).
Konfrontiert mit zwei Kartons, die den Nachlass einer alten Liebe enthalten, erinnert sich die Protagonistin Katharina zurück an das Jahr 1986 in Ostberlin: Neunzehnjährig war sie zufällig Hans begegnet, einem 34 Jahre älteren, verheirateten Schriftsteller und überzeugten Sozialisten. Vor dem Hintergrund der zusammenbrechenden DDR entwickelt sich aus dieser Zufallsbegegnung eine mehrere Jahre andauernde, zunehmend obsessive Liebesbeziehung. Kairos erzählt von einer amour fou, die nach Wesen und Dauer von sogenannten „Glücksmomenten“ fragt und die fatale Macht der „Instrumentalisierung von Schuld“ (Jenny Erpenbeck, Deutschlandfunk, 27.08.2021) im kleinsten Beziehungsgeflecht veranschaulicht.
Das literarische Werk Jenny Erpenbecks wurde bisher in mehr als 30 Sprachen übersetzt und sowohl national wie international vielfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie den Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2001), den Solothurner Literaturpreis, den Heimito von Doderer-Literaturpreis (2008), den Thomas Mann Literaturpreis (2016) sowie zuletzt den Usedomer Literaturpreis (2019). Für ihren viel gelobten Roman Aller Tage Abend (2012) wurde sie mit dem Joseph-Breitbach-Preis (2013) und dem Independent Foreign Fiction Prize (2015) ausgezeichnet. Auch ihr Roman Gehen, ging, gegangen (2015) erhielt mit dem Premio Strega Europeo (2017) internationale Anerkennung und wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Heute lebt Jenny Erpenbeck als freie Autorin und Regisseurin in Berlin.
Pierre Jarawan: „Gespaltenes Land: Der Libanon im Kontext des Nahen Ostens und als Mikrokosmos von Geschichten.“
Diese Veranstaltung fand am 3. Juli. 2021 um 18.15 Uhr via Zoom statt.
In seinen beiden Romanen „Am Ende bleiben die Zedern“ und „Ein Lied für die Vermissten" hat Pierre Jarawan den Libanon einer großen Leserschaft zugänglich gemacht. In diesem Bildervortrag gibt er einen Überblick über das Land, die Historie, das politische System und die Gesellschaft. Dabei spannt er einen Bogen von 1918 bis zum Tag der Explosion am 4. August 2020, erläutert Zusammenhänge und zeigt Bilder, die abseits der Nachrichten sonst nicht vorkommen. Anschließend besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Pierre Jarawan ist Autor, Bühnenliterat, Moderator und freier Fotograf. Er wurde 1985 als Sohn eines libanesischen Vaters und einer deutschen Mutter in Amman, Jordanien, geboren, nachdem seine Eltern den Libanon wegen des Bürgerkriegs verlassen hatten. Im Alter von drei Jahren kam er nach Deutschland. 2012 wurde er internationaler deutschsprachiger Meister im Poetry Slam. Sein Romandebüt "Am Ende bleiben die Zedern" erschien 2016. Der Roman wurde unter anderem mit dem Literaturstipendium der Stadt München, dem Bayerischen Kunstförderpreis und dem AZ-Literaturstern des Jahres ausgezeichnet und als bestes deutschsprachiges Debüt beim Festival du Premier Roman in Chambéry vorgestellt. Der Roman ist heute, übersetzt in viele Sprachen, ein internationaler Bestseller. Im Frühjahr 2020 erschien sein zweiter Roman "Ein Lied für die Vermissten". Pierre Jarawan lebt in München.
Lesung und Gespräch mit Helmut Krausser
Am Dienstag, den 1. Dezember. 2020 las Helmut Krausser im Literaturforum im Brechthaus, Berlin aus seinem Roman Für die Ewigkeit (München/Berlin: Berlin Verlag 2020).
Hier finden Sie die Aufzeichnung der Lesung.
Die spannende Geschichte beginnt 1902 in Buenos Aires: Der aus Deutschland geflohene Student Jörg Jäger – Jorge Jega – und seine Klavierschülerin Francisca „Cis“ Alameda brennen durch. Vom Vater des Mädchens engagierte Detektive und Fredo Torres, der seine Cousine Cis heftig begehrt, verfolgen das Paar durch Südamerika. Am Ende gibt es einen Toten, einen aufsehenerregenden Prozess und das Fragment einer Oper. Dieser Roman erzählt nicht nur eine packende Verfolgungsgeschichte, sondern handelt auch von Liebe und Sex, Männlichkeit und Weiblichkeit, Verführung und Künstlertum.
Eine Veranstaltung der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung in Kooperation mit dem Brecht-Haus im Rahmen der Bamberger Reihe "Literatur in der Universität".
Jonas Lüscher: Die Macht der Erzählung
Im Rahmen der von Katerina Shekutkovska, Alyssa Steiner und Niklas Schmitt organisierten Nachwuchstagung zum Thema „Poetik der Quantität“ las der renommierte Autor Jonas Lüscher am 4. Juni. 2021 aus seinem Werk. Im Fokus des Gesprächs stehen Fragen nach der Bedeutung der Narrative in einer sich immer mehr an Quantitäten orientierenden Gegenwart. An ausgewählten Stellen wird die literarische Reaktion auf diese Entwicklung diskutiert. Denn auch in dieser zahlengesättigten Zeit hat die Erzählung nichts von ihrer Macht verloren.
In seinem Debüt Frühling der Barbaren (2013) lässt Lüscher den Schweizer Unternehmer Preising den Einsturz der Finanzmärkte mit einer englischen Hochzeitsgesellschaft in der tunesischen Wüste erleben. Diese zugleich philosophisch ernste und satirische Fiktionalisierung der globalen Wirtschaftskrise wurde 2016 mit dem Hans Fallada-Preis ausgezeichnet. 2017 gewann Lüscher den Schweizer Buchpreis für seinen Roman Kraft. Darin sieht sich der Tübinger Rhetorikprofessor Kraft in der technisierten Welt des Silicon Valley vor die Frage gestellt: Warum ist alles, was ist, gut und warum können wir es dennoch verbessern? Im Gespräch mit Jonas Lüscher wird über seine Bücher im Hinblick einiger poetologischer Mittel diskutiert, die er in seinen zuletzt erschienenen Vorlesungen Ins Erzählen flüchten (2020) vorstellt. Im Mai wird der von ihm herausgegebene Band Der populistische Planet erscheinen.
Die Lesung wurde von der Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien sowie dem Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft unterstützt.
Markus Orths: "Was im Entstehen begriffen ist - Werkstattlesung"
Markus Orths, geboren 1969 in Viersen, studierte Philosophie, Romanistik und Anglistik an der Universität Freiburg. Er arbeitete zunächst als Lehrer und lebt seit 2001 als freier Schriftsteller in Karlsruhe. Sein Debüt gab Markus Orths mit dem Erzählband Schreibsand (1999). Es folgten unter anderem die Romane Lehrerzimmer (2003), Catalina (2005), Die Tarnkappe (2011) und Max (2017). Im Sommer 2018 gab Markus Orths als 31. Poetikprofessor der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in vier Vorlesungen Einblicke in sein Schreiben, die unter dem Titel Der bescheidenste Autor der Welt. Eine unterirdische Poetik-Erzählung in vier Teilen 2019 erschienen. Markus Orths Bücher changieren gekonnt zwischen Unterhaltung und Anspruch und wurden in insgesamt siebzehn Sprachen übersetzt. Sein Werk wurde bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Telekom-Austria-Preis (2008), dem Niederrheinischen Literaturpreis (2009) und dem Phantastikpreis der Stadt Wetzlar (2011).
In seinem soeben erschienenen Roman Picknick im Dunkeln (2020), für den Orths das Jahresstipendium des Deutschen Literaturfonds erhielt, erzählt er von der sonderbaren Begegnung zwischen zwei ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten der Weltgeschichte: Stan Laurel, einer der bekanntesten Komiker des 20. Jahrhunderts, und Thomas von Aquin, der wichtigste katholische Theologe des Mittelalters, treffen sich unter seltsamen Umständen in vollkommener Finsternis und haben ein gemeinsames Ziel: Sie wollen ans Licht. Dabei kommen sie ins Gespräch über ihre Erfahrungen mit Gott und der Welt…
Markus Orths leitet in diesem Jahr zusammen mit der Lektorin Heike Hauf (text + kritik) die Workshops der Bayerischen Akademie des Schreibens in Bamberg, Augsburg und Regensburg. In diesem Rahmen wird Orths Einblicke in seine schriftstellerische Werkstatt geben.
Pressestimmen
„Markus Orths rührt und schüttelt und verknüpft alles mit einer virtuosen Leichtigkeit, die in der deutschen Literatur ihresgleichen sucht.“
(Matthias Kehle, Badisches Tagblatt)
„Endlich, endlich ist er da: Ein Autor deutschen Ursprungs, der es in Sachen Humor tatsächlich mit der Creme angelsächsischer Konkurrenz aufnehmen kann.“
(Roman Halfmann, HR online)
Vea Kaiser: "Rückwärtswalzer"
Für den Schauspieler Lorenz könnte es kaum schlechter laufen: Er bekommt keine Filmangebote, ist chronisch pleite und wird zu allem Überfluss auch noch von seiner Partnerin Steffi verlassen. Da er seine Miete nicht mehr bezahlen kann, flüchtet er kurzerhand zu seinen drei schrulligen Tanten Hedi, Mirl und Wetti in den dreiundzwanzigsten Bezirk Wiens. Als Willi, Hedis Lebensgefährte, morgens tot im Bett liegt, quält die Hinterbliebenen eine Frage: Wie können sie Willi seinen letzten Wunsch, in seinem Heimatland Montenegro beerdigt zu werden, erfüllen?
Da allen Familienmitgliedern das nötige Kleingeld für eine regelkonforme Überführung fehlt, beschließt man, die Leiche tiefzufrieren und sie mit dem Auto von Wien nach Montenegro zu transportieren. Es beginnt eine abenteuerliche, spannende wie gleichsam unterhaltende Fahrt in einem Panda mit einer Leiche und jeder Menge Familiengeschichten.
Rückwärtswalzer ist mehr als nur eine Familiengeschichte. Das „literarische Roadmovie“ (Spiegel Online) erzählt die österreichische Zeitgeschichte von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart, weshalb Vea Kaiser in den Rezensionen als „Chronistin österreichischer Befindlichkeiten“ (Veronika Schuchter, Deutschlandfunk) deklariert wurde. Vea Kaiser (*1988) gilt als „Shootingstar“ (Veronika Schuchter, Deutschlandfunk) der österreichischen Gegenwartsliteratur. Sie debütierte 2012 mit Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam. 2013 erhielt Blasmusikpop das Prädikat „Bester deutscher Erstlingsroman“ im Zuge des „Festival du Premier Roman“ in Chambéry. Auch das Nachfolgewerk Makarionissi oder Die Insel der Seligen der „Helene Fischer der Literatur“ (Dana Buchzik, FAZ) avancierte zu einem Bestseller und bekam den Buchpreis der Stiftung Ravensburger Verlag verliehen. Kaisers Romane sind in mehrere Sprachen übersetzt worden.
Lesung von Nachwuchsliteratinnen und -literaten: "MistelAffären"
Am 12. Dezember stellten zum dritten Mal sechs junge Schreibwütige aus und um Bamberg ihr Können unter Beweis und widmeten sich in Lyrik und Epik dem winterlichen Thema "MistelAffären".
Sechs kurze Beiträge wurden vorgestellt, die zusammen einen adventlichen und abwechslungsreichen Blumenstrauß ergeben. Blumig begleitet wurden die Texte dabei auf dem Klavier und mit Gesang.
Für den letzten stimmungsvollen und gemütlichen Touch sorgten Glühwein und Plätzchen.
Ort und Zeit: U2/00.25 (An der Universität 2), 12.12.19 um 19:30 Uhr.
Michael Köhlmeier: "die Märchen"
Michael Köhlmeier, 1949 in Hard im österreichischen Vorarlberg geboren, studierte Germanistik und Politologie in Marburg sowie später Mathematik und Philosophie in Gießen und Frankfurt. 1982 erschien sein fantastisch-surrealer Debütroman Der Peverl-Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf. Einer großen Öffentlichkeit bekannt wurde Köhlmeier in den 1990er-Jahren durch freie Nacherzählungen biblischer, antiker und germanischer Sagen und Mythen sowie zentraler Stoffe der Weltliteratur. Zu seinen Werken zählen unter anderem die Romane Spielplatz der Helden (1988), Abendland (2007), Die Abenteuer des Joel Spazierer (2013), Zwei Herren am Strand (2014) und Bruder und Schwester Lenobel (2018) sowie zahlreiche Hörspiele, Novellen und Gedichte. Köhlmeiers literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Manès-Sperber-Preis, dem Anton-Wildgans-Preis, dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis für sein Gesamtwerk. Zuletzt erhielt er den Ferdinand-Berger-Preis (2019) für seine Rede zum Holocaust-Gedenktag am 4. Mai 2018. Im Sommer 2019 war er Poetikprofessor an der Universität Bamberg.
Märchen faszinieren Michael Köhlmeier in besonderem Maße. Auf der einen Seite erzählt und erläutert er Märchen aus aller Welt, u.a. in Michael Köhlmeiers Märchen-Dekamerone (2011) oder in der Sendereihe Köhlmeiers Märchen auf BR-alpha (2012). In seinem Essay Von den Märchen. Eine lebenslange Liebe (2018) beschreibt er seine eigene Faszination für die Märchen der Brüder Grimm. Sie seien, so erklärte er in der zweiten Vorlesung seiner Bamberger Poetikprofessur im Jahr 2019, „rätselhafte, deutungsresistente Schönheiten“ und „die Primzahlen der Literatur“. Mit seinem jüngsten Buch Die Märchen (2019) versammelt er nun 151 eigene Märchen, die über einen Zeitraum von über dreißig Jahren entstanden sind, verbunden mit Illustrationen Nikolaus Heidelbachs. Neben sprechenden Käfern, Sensenmännern und Zauberern wird auch die Geschichte des ‚Joker‘ als Märchen erzählt. Köhlmeiers Rat an die Leserinnen und Leser: „Versuchen Sie die Märchen zu interpretieren. Das Schönste daran wird sein, dass Sie am Ende nicht sicher sein können, ob Sie die Wahrheit gefunden haben.“
Pressestimmen
„In einer Zeit, in der Märchen aus der Mode gekommen zu sein scheinen, zeigt der österreichische Schriftsteller, dass sie bis heute eine gesellschaftliche Funktion erfüllen. Und wenn sie dann von einem fesselnden Erzähler stammen wie Michael Köhlmeier, entfalten sie eine enorme poetische Kraft.“
(Barbara Geschwinde, WDR)
„Auf jeden Fall sind es keine Gute-Nacht-Geschichten, sondern Hallo-wach-Geschichten. Ein Hausbuch für Erwachsene. Witzig, wild und wuchtig. Schaurig und schön und mit einem Schuss Melancholie. Grimms Märchen waren gestern. Heute ist Michael Köhlmeiers Märchen-Sammlung dran.“
(Martin Oehlen, Frankfurter Rundschau)
Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier(6.6 MB, 2 Seiten).
Ernst Wilhelm Händler: "Das Geld spricht"
Ernst-Wilhelm Händler, 1953 in München geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften und Philosophie und wurde 1980 mit einer Arbeit zur Logischen Struktur und Referenz von mathematischen ökonomischen Theorien promoviert. Er stieg früh in die Geschäftsleitung des Familienunternehmens in der Metallindustrie ein, parallel dazu begann seine schriftstellerische Tätigkeit. 1995 erschien der Erzählungsband Stadt mit Häusern, es folgten unter anderem die Romane Kongreß (1996), Wenn wir sterben (2002), Welt aus Glas (2009) und München (2016), zudem ein Versuch über den Roman als Erkenntnisinstrument (2014). Händlers literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet.
So erhielt er 2004 den Kulturpreis der Stadt Regensburg sowie den Friedrich-Baur-Preis und 2006 den Hans-Erich-Nossack-Preis. In seinen Romanen beschäftigt sich Händler vor allem mit den Auswirkungen des Kapitalismus, der Finanzmärkte und der modernen Arbeitswelten auf die Menschen und deren Beziehungen. Wie kann sich Literatur mit diesen oft sehr komplexen Themen angemessen auseinandersetzen? Sind moderne Finanzmärkte und Geld überhaupt erzählbar?
In seinem jüngsten Roman Das Geld spricht (2019) lässt Händler buchstäblich das Geld selbst erzählen: Ein Unternehmensgründer möchte 500 Millionen Dollar anlegen und vertraut es zunächst einem Frankfurter Banker an. Dieser hat nun die Wahl zwischen drei Investmentstrategien, jede für sich riskant genug: Ist die Anlage bei einem Mathematik-Genie, der nur „Nano-Mann“ genannt wird, die richtige Wahl? Oder doch eine äußerst eigenwillige Düsseldorfer Fondsmanagerin? Oder ein Selfmademan, der früher HiFi-Anlagen verkaufte und nun die Zeit zum Stillstand bringen will? Immer wieder mischt sich das Geld als Erzähler ein und mokiert sich über seinen schwindenden Wert, ist mitunter gekränkt, aber auch stolz und strotzt vor Selbstbewusstsein. Mit viel Fachwissen gespickt, führt Händler den Leser in die grotesken Welten des Geldhandels und zeigt, wie mächtig das Geld seit jeher ist und was es aus Menschen machen kann.
Pressestimmen
„Ernst-Wilhelm Händler stellt in der deutschen Literatur eine große Ausnahme dar.“
(Guido Graf, Westdeutscher Rundfunk)
„Händlers Romanthese geht offenbar dahin, dass von diesem Dach der Welt aus der
Geist des Geldes in alle unterhalb gelegenen Lebens- und Wirklichkeitsbereiche einsickert
und diese kontaminiert.“ (Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung)
„Soviel das Geld auch erzählt über die Sphäre von Finance, so sehr bleibt es selbst
ein verborgener Gott.“ (Jochen Schimmang, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier(599.7 KB).
Martin Beyer: "Und ich war da"
Wie kommt es, dass der eine Widerstand leistet, während der andere zum Mitläufer wird? August Unterseher haben sich im Laufe seines Lebens viele Möglichkeiten geboten, sich gegen das Nazi-Regime zu stellen. Doch keine davon hat er genutzt. "Und ich war da" ist die Geschichte eines Mannes, der hineinstolpert in die Dunkelheit seiner Zeit: erst in die Hitlerjugend, dann als Wehrmachtssoldat in den Russlandfeldzug. Und später, als Kriegsversehrter zurück auf dem Bauernhof seines Vaters, verdingt er sich als Henkershelfer der NS-Schergen bei den Hinrichtungen der Geschwister Scholl. Ein Mann ohne Eigenschaften, der am Ende seines Lebens zu verstehen sucht, weshalb alles so gekommen ist, weshalb er überlebt hat, wo andere gefallen sind, weshalb er zum Täter wurde, wo andere für ihre Ideale gestorben sind.
Martin Beyer ist promovierter Germanist und lebt und arbeitet in Bamberg als freier Autor und Dozent für Kreatives Schreiben. 2009 erschien sein Debütroman "Alle Wasser laufen ins Meer". Im selben Jahr erhielt er den Walter-Kempowski-Literaturpreis, 2011 den Kultur-Förderpreis der Stadt Bamberg. 2019 war er für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert.
Antonia Hausmann spielt Posaune, Studium in Leipzig und in Luzern, verschiedene Bandprojekte, unter anderem Trio.Diktion und Karl die Große. Auf Tour spielt sie außerdem mit Clueso und der Spielvereinigung Sued.
Moderation: Prof. Dr. Friedhelm Marx (Universität Bamberg)
Musikalische Begleitung: Antonia Hausmann (Trio.Diktion, Karl die Große, Clueso)
Lesung "Lichtbruch"
Lichtbruch – Nach der im Januar diesen Jahres veranstalteten Lesung Zeitflimmern, wenden wir uns diesmal dem Licht in allen seinen Facetten zu.
Dem Leuchten schwül-warmer Gewitternächte, dem Flackern alter, brüchiger Neonröhren, dem blendenden Hell beim Blick in den Sommerhimmel. Staub der durch den Schein im Fenster fällt und Schatten, als stete, mahnende Begleiter.
Sechs junge AutorInnen aus Bamberg stellen sich diesem Thema literarisch und lassen uns an ihrer Gedankenwelt teilhaben.
Musikalisch wird der Abend von der Erlanger Band Rooms in Brucklyn begleitet.
Svenja Gräfen: "Freiraum"
Svenja Gräfen, geboren 1990 in Daun, studierte Kultur- und Medienbildung in Ludwigsburg. Schon während ihrer Schulzeit nahm sie an Poetry-Slams teil und erreichte 2011 den vierten Platz bei der Deutschen Meisterschaft. Im Jahr darauf wurde ihr der Karl-Marx-Poesie-Preis der Stadt Trier verliehen. Mittlerweile ist sie bei über 400 Poetry-Slams, Lesebühnen und Literaturveranstaltungen in Deutschland, Dänemark, Österreich und der Schweiz dabei gewesen. Zudem gibt sie Workshops für kreatives Schreiben unter anderem in Zusammenarbeit mit der LKJ Baden-Württemberg e.V. und dem DAAD in St. Petersburg.
Nach Erscheinen ihres Debütromans Das Rauschen in unseren Köpfen (2017) wurde Svenja Gräfen zum Klagenfurter Literaturkurs eingeladen, kurz darauf Alfred-Döblin-Stipendiatin der Akademie der Künste in Berlin, in diesem Jahr Stipendiatin des Stuttgarter Schriftstellerhauses. Sie arbeitet als Social-Media-Redakteurin, schreibt Artikel und Bühnentexte und hält Vorträge zu Feminismus und Sexismus in der Literatur. Momentan lebt sie in Leipzig. Ihr zweiter Roman Freiraum erschien im März dieses Jahres.
„Also, die Idee hier ist, tatsächlich eine Alternative zu schaffen. Freiraum. Einen Ort, an dem es um mehr geht als um so ein Nebeneinanderher. Das heißt sich umeinander zu kümmern, sich zu unterstützen.“ (Freiraum, S. 10)
So stellt Theo die Kommune vor, in die Vela und Maren gemeinsam einziehen wollen. Die beiden Frauen sind seit vielen Jahren ein Paar und suchen eine größere Wohnung, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Theos Hausprojekt auf dem Land scheint eine willkommene Alternative zum Großstadtleben mit seinem Autolärm, schimmelnden Tapeten und stetig steigenden Mietpreisen zu sein. Die sieben neuen Mitbewohner, darunter Marens Schwester mit Mann und Kind, wirken freundlich und aufgeschlossen. Während Maren glücklich ist, muss Vela zunehmend feststellen, dass die neue Wohnsituation neben Freiheiten eine Enge mit sich bringt, die die Beziehung der beiden Frauen gefährdet.
Einfühlsam und warmherzig schildert Freiraum die Anfechtungen und Proben, denen Liebe und Freundschaft durch Karrierepläne, Geldsorgen und der Frage nach dem wirklich Wichtigen im Leben ausgesetzt sind.
Pressestimmen
„In ihrem Roman ‚Freiraum‘ geht Svenja Gräfen zärtlich den Gefühlen ihrer Protagonist*innen nach und erschafft ein neuartiges Bild unserer modernen Welt.“
(Emily Grunert, Literaturhaus Rostock)
„‚Freiraum‘ ist ein lesenswerter Roman über Träume und Illusionen der Generation Y, aber auch über das paradoxe Verhältnis von äußerer und innerer Freiheit.“
(Oliver Pfohlmann, Tagesspiegel)
Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier.(3.8 MB, 2 Seiten)
Katja Huber: "Unterm Nussbaum"
Katja Huber, geboren 1971 in Weilheim, studierte Slawische Philologie und Politische Wissenschaften in München. Seit 1996 arbeitet sie beim Bayerischen Rundfunk. Für ihr literarisches Schaffen erhielt Huber 2001 den Publikumspreis des „Wortspiele“-Festivals. Ihr Debütroman Fernwärme (2005) wurde 2006 mit dem Bayerischen Kulturförderpreis ausgezeichnet. Ausschnitte aus ihrem bis dahin unveröffentlichten Prosaprojekt Reise nach Njetowa (2007) brachten ihr im selben Jahr eine Nominierung für den Bachmannpreis ein. Huber, die mit ihrer Familie in München lebt, ist Gründungmitglied der Initiative Meet your Neighbours (2016). Im August 2018 erschien ihr fünfter Roman Unterm Nussbaum.
Unterm Nussbaum erzählt eine wechselvolle Familiengeschichte. Der Anlass: Barbara Berger wird 70. Ihre vier Kinder leben verstreut in Deutschland und Frankreich, der Kontakt untereinander ist verhalten. Bis Miriam, die Älteste, beschließt, den Geburtstag der Mutter am Ammersee zu feiern, im Haus, in dem Barbara aufgewachsen ist. Von überall her ruft sie die Familie zusammen. Sie ahnt nicht, dass Barbara auf keinen Fall an den Ort ihrer Kindheit zurückkehren will. Das vermeintlich harmlose Familientreffen im idyllischen Garten wird zu einer Reise in die Vergangenheit. Kapitel um Kapitel taucht der Leser tiefer in die vielschichtige Narration ein, die bis in die 1930er-Jahre reicht. Geschildert werden nicht nur die Erlebnisse der Jubilarin, sondern auch eine Liebesgeschichte zwischen Barbaras Tante Anna und ihrer jüdischen Freundin. Die Entscheidungen der Vorfahren haben Auswirkungen bis ins Heute, an den Geburtstagstisch unterm Nussbaum.
Pressestimmen
„Der komplexe Plot ist in seiner letzten Konsequenz – die hier nicht verraten wird – ungeheuerlich. Er spielt durch, was passiert, wenn Menschen, die sich durch die politischen Umstände ermutigt fühlen, in sich das Böse zu- und an anderen auslassen.“ (Antje Weber, Süddeutsche Zeitung)
„Die Handlung, die sich langsam aufbaut und an beeindruckender Tiefe gewinnt, wird verfeinert durch grundlegende philosophische Gedanken zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und dem Ausgesetztsein des Menschen darin.“ (Stefanie Bürgers, LiteraturSeiten München)
Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier(1.9 MB, 2 Seiten).
Lilian Loke: "Auster und Klinge"
Lilian Loke, geboren 1985 in München, studierte Neuere deutsche Literatur, Englische Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität. 2011 erhielt sie ein Schreibwerkstatt-Stipendium der Jürgen Ponto-Stiftung. Zudem wurde sie auf dem Literaturfestival „Wortspiele“ ausgezeichnet und bekam das Literaturstipendium der Landeshauptstadt München. Im Jahr darauf folgte ein Stipendium der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin. Seit 2012 ist Loke neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit als PR-Beraterin in einer Münchner Agentur beschäftigt. 2015 veröffentlichte sie ihr viel beachtetes Debüt Gold in den Straßen. 2018 erschien ihr zweiter Roman Auster und Klinge.
Die Lesung findet im Rahmen eines Workshops der Bayerischen Akademie des Schreibens statt, den Lilian Loke gemeinsam mit dem Lektor Hannes Ulbrich (Piper-Verlag) leitet. Ulbrich wird die Lesung moderieren.
Auster und Klinge erzählt von der folgenreichen Begegnung zwischen Victor und Georg. So unterschiedlich die Lebenssituation der Männer auch sein mag, eine Gemeinsamkeit verbindet sie: Beide haben zwei Identitäten. Georg ist einerseits Künstler, andererseits Erbe eines milliardenschweren Schlachtkonzerns. Seinen Erbteil rührt er jedoch nicht an und hasst die barbarischen Arbeitsbedingungen in der familieneigenen Firma ebenso, wie er den Kunstbetrieb verachtet. Victor war bis zu seiner Inhaftierung nicht nur Hotelfachmann, sondern auch ein äußerst erfolgreicher Einbrecher.
Als Victor zufällig bei Georg unterkommt, treffen die beiden eine Abmachung. Victor lehrt Georg, wie man professionell einbricht. Im Gegenzug stellt Georg ihm das Startkapital für sein Restaurant zur Verfügung. Der Plan scheint aufzugehen, bis Georg allmählich die Kontrolle über seine Aktionen verliert.
Pressestimmen
„Der zweite Roman der Münchner Autorin Lilian Loke liest sich wie ein Thriller. Aber das ist nur ein Trick. Tatsächlich geht es um die Frage, wie wir als Gesellschaft Moral und Unmoral definieren. […] Es geht ihr darum, zu zeigen, wie wir uns alle verstricken, ausbeuten und ausgebeutet werden.“ (Hermann Weiß, Welt am Sonntag)
„Georg hat das Geld, Victor das kriminelle Handwerk – das reicht für eine Kunstaktion, die eine ganze wohlhabende Stadt daran erinnert, dass jedem vom Kapitalismus wohlig umhüllten Menschen Blut an den Fingern klebt. Lilian Loke ist ein aufregender, aufwühlender Roman gelungen; ein Roman, der nicht anklagt, nur feststellt: nüchtern, frei von Pathos, sehr wirkungsvoll.” (Alexander Solloch, NDR.de)
„Schon in ihrem ersten Roman Gold in den Straßen, für den die Autorin 2015 mit dem Münchner Tukan-Preis ausgezeichnet wurde, steigerte sich ein Makler in einen irren Verkaufsrausch hinein. Auch in Auster und Klinge wird die Macht des Geldes verhandelt.“ (Beate Tröger, der Freitag)
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Ingo Schulze: "Peter Holtz. Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst"
Ingo Schulze, geboren 1962 in Dresden, studierte Klassische Philologie und Germanistik in Jena. Nach zwei Jahren als Dramaturg am Landestheater Altenburg wandte er sich 1990 journalistischen Tätigkeiten zu. Seinen ersten literarischen Erfolg feierte er sogleich mit seinem Prosadebüt, dem Erzählungsband 33 Augenblicke des Glücks von 1995. Seither folgten zahlreiche Romane, Erzählungen und Essays, die sich mit der Wendezeit und ihren Folgen bis in die Gegenwart beschäftigen, unter ihnen Simple Storys (1998), der Briefroman Neue Leben (2005) und der Essay Unsere schönen neuen Kleider (2012). Schulzes literarisches Werk wurde bisher in über 30 Sprachen übertragen und vielfach ausgezeichnet. Unter anderem erhielt er den Joseph-Breitbach-Preis (2001), den Preis der Leipziger Buchmesse (2007) sowie den Bertolt-Brecht-Preis (2013). Seit 1995 lebt Schulze als freier Schriftsteller in Berlin. Für seinen jüngsten Roman Peter Holtz: Sein glückliches Leben erzählt von ihm selbst (2017) wurde ihm der Rheingau Literatur Preis verliehen.
Im pikaresken Peter Holtz berichtet der Ich-Erzähler über seinen Werdegang in den Jahren 1974 bis 1998. Aufgewachsen in einem Waisenhaus der DDR und überzeugt von sozialistischem Gedankengut, wird Peter Holtz mit zwölf Jahren glücklich adoptiert, zieht nach Berlin, macht eine Maurerlehre, erfndet den Punk aus dem Geiste des Arbeiterliedes, gerät mit dem Staatssicherheitsdienst in Kontakt, lässt sich zum Christentum bekehren und kämpft als CDU-Mitglied (Ost) für eine christlich kommunistische Demokratie: ein ziemlich turbulentes Leben. Ohne es auch nur darauf anzulegen, fndet er sich nach dem Ende der DDR als schwerreicher Immobilienbesitzer im vereinigten Deutschland wieder. Zum Zeitpunkt seines Rückblicks ist Holtz – wie sein literarischer Bruder Oskar Matzerath – Insasse einer Heil- und Pfegeanstalt. Er wundert sich: Der Lauf der Welt widerspricht jedweder Logik. Seine Selbstlosigkeit belohnt die Marktwirtschaft mit Reichtum. Hat er sich für das Falsche eingesetzt? Und vor allem: Wie wird er das ganze Geld mit Anstand los?
Pressestimmen
„Holtz bewegt sich durch die DDR als reiner Tor, als Schelm ganz im Sinne des literari- schen Vorbilds Simplicius Simplicissimus, der gar nicht merkt, wie er sich durch Zeiten laviert, die den meisten zum Verhängnis werden.“ (Andreas Platthaus, FAZ)
„In Peter Holtz geht es grundsätzlich und immer ums Geld und darum, wie das Geld die Welt regiert. Und nicht nur die Welt, sondern auch das Leben, das Glauben, Hofen, Lieben jedes Einzelnen.“ (Julia Schröder, Deutschlandfunk)
„Ingo Schulze, der Autor von 33 Augenblicke des Glücks, Simple Storys und Neue Leben, beweist mit diesem Buch wieder, dass er ein kunstvoller, gewitzter Erzähler ist.“ (Cornelia Geißler, Berliner Zeitung)
„Ein lächerlich humanistischer Held, ein zutiefst humaner Roman.“ (Richard Kämmerlings, Die Welt)
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Arno Geiger: "Unter der Drachenwand"
Arno Geiger, geboren 1968 in Bregenz, studierte Deutsche Philologie, Alte Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Mit seinem Familien-, Generationen- und Österreichroman Es geht uns gut (2005) gewann er den ersten Deutschen Buchpreis. Seit diesem literarischen Durchbruch wurde sein viel gelesenes und beachtetes erzählerisches Werk mit etlichen weiteren Preisen ausgezeichnet, darunter so renommierte wie der Johann-Peter-Hebel-Preis (2008) und der Friedrich-Hölderlin-Preis (2011). Der alte König in seinem Exil (2011) – eine intime Auseinandersetzung mit der Demenz des eigenen Vaters – brachte Geiger eine Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse ein, jüngst erhielt er zudem den Joseph-Breitbach-Preis (2018). Er veröffentlicht seit seinem Debüt Kleine Schule des Karussellfahrens (1997) im Hanser Verlag. Unter der Drachenwand (2018) ist sein achter Roman.
Unter der Drachenwand, die schützend und drohend zugleich über den österreichischen Mondsee ragt, verbirgt sich 1944 während seines Genesungsurlaubs Veit Kolbe, ein an der Ostfront verwundeter Wehrmachtssoldat, der Antiheld des Romans. Kolbe führt über das, was er erlebt hat und erlebt, akribisch Tagebuch, schreibt Briefe – erfundenes Material, mit dem auf Basis authentischer Quellen geschickt ein „fiktives Haus mit echten Fenstern und Türen“ (Geiger) konstruiert wird. Unter der Drachenwand lebt von den vielschichtigen Einblicken in das Gefühlsleben derer, für die der Krieg Alltag war – ein Alltag zwischen Liebe und Erschöpfung, Hoffnung und Trauma, Normalität und Untergang.
Pressestimmen
„Was weiß man schon über das Lebensgefühl vergangener Zeiten? Arno Geigers Roman Unter der Drachenwand rekonstruiert einfühlsam die Gemütslage am Ende des Zweiten Weltkrieges.“ (Iris Radisch, Die Zeit)
„Das Nebeneinander von Hoffnung und Horror, von erfolgreicher und erfolgloser Zuflucht, schafft die ebenso bedrückende wie beglückende Stimmung dieses Romans.“ (Andreas Platthaus, FAZ)
„Unter der Drachenwand ist ein großer Schritt im Werk Arno Geigers und eine gültige Meditation über die Absurdität des Krieges.“ (Meike Fessmann, SZ)
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"Wir sind nicht die Ärzte, wir sind der Schmerz." Ein Abend zu Ehren von Tankred Dorst
mit Ursula Ehler, Michael Krüger, Kerstin Specht, Albert Gier und dem Ensemble des ETA Hoffmann Theaters
Freitag, 22. Juni 2018, um 19.00 Uhr
ETA Hoffmann-Theater Bamberg (ETA-Hoffmann-Platz 1)
Die Abendveranstaltung fand im Rahmen des Kolloquiums "'Unser Leben ist ein Gespräch' - Gedenk-Kolloquium zu Ehren von Tankred Dorst" (21.-22. Juni 2018) statt. Das Kolloquium wurde in Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Marx) und dem Lehrstuhl für Ältere Deutsche Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Bennewitz) vanstaltet.
Kooperationspartner: E.T.A. Hoffmann-Theater Bamberg und die Bayerische Akademie der Schönen Künste
Den Flyer zum Gedenk-Kolloquium "Unser Leben ist ein Gespräch" finden Sie hier(657.4 KB, 2 Seiten).
Simon Strauß: "Sieben Nächte"
Der Schriftsteller, Journalist und Historiker Simon Strauß wurde 1988 in Berlin geboren. Er studierte Altertumswissenschaften und Geschichte in Basel, Poitiers und Cambridge und schloss sein Studium mit einer Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Als freier Journalist arbeitete er für die Basler Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, seit 2016 ist er festangestellter Feuilletonredakteur der FAZ. Sein vielbeachteter und erster Roman Sieben Nächte (2017) erschien im Aufbau-Imprint Blumenbar und brachte Strauß nicht nur den Debütpreis des Buddenbrookhauses in Lübeck ein, sondern auch eine Feuilletondebatte, die sich am Vorwurf entzündete, der Roman bediene in seiner „seiner Ultraromantik“ die „Agenda der Rechten“ (Alem Grabovac, taz).
Sieben Nächte, sich in jeder davon einer der Todsünden (Hochmut, Geiz, Wollust, Jähzorn, Völlerei, Neid und Faulheit) hingeben und danach darüber schreiben – das ist das Programm des autobiographisch eingefärbten Protagonisten. Sein Ziel ist der Ausbruch aus der Eindimensionalität der Komfortzone, in der ihm alles vorhersehbar, der Konsum das höchste Gut und die ironische Abgeklärtheit die praktischste Denkweise zu sein scheint – in der man sich davor drückt, pathetisch, mutig und wütend zu sein und in der eigene Überzeugungen kaum einen Platz haben. Das Selbstexperiment eines knapp 30-Jährigen „auf der Suche nach der Intensität des Lebens und mit Wut auf die Gradlinigkeiten seines Lebenslaufs“ (Florian Illies, Die Zeit) gerät zum kulturkritischen Entwurf: Wofür lohnt es sich, etwas zu riskieren, zu kämpfen, zu leben? Über alle Gegenwartsdiagnostik hinaus ist Sieben Nächte ein eindrucksvoll erzählter, zwischen Präzision und Rausch perfekt austarierter Roman.
Pressestimmen
„Es ist ein Manifest für mehr Mut zum Pathos, für Sinnlichkeit, Offenheit, Begeisterung, Gegnerschaft und Streit und Tränen.“ (Volker Weidemann, Der Spiegel)
„Ein radikal subjektives und doch allgemeingültiges Manifest, ein poetisches Pamphlet, eine Anklage- und Kampfschrift. Sieben Nächte von Simon Strauß ist ein Buch über das nicht leicht zu fassende Ungenügen an sich selbst und an der eigenen Generation.“ (Knut Cordsen, Deutschlandfunk)
Mit gewaltiger Immersionskraft reißt uns seine Sprache mit. Wir geraten in einen Fluss aus Stromschnellen und immer wieder kleinen Inseln zum Nachdenken. Sein Ziel hat dieses formidable Debüt damit jedenfalls nicht verfehlt. Es ist nah an den Emotionen seiner Leser, wirkt wie ein gestochen scharfer Spiegel all der Herausforderungen und Potenziale, mit denen die Heranwachsenden heute konfrontiert sind.“ (Björn Hayer, Berliner Zeitung)
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Franzobel: "Das Floß der Medusa"
Am Donnerstag, 26. April 2018, war eine populäre, vielfach ausgezeichnete, faszinierende und auch polarisierende Stimme der österreichischen Gegenwartsliteratur an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zu Gast: Der 1967 in Vöcklabruck geborene Schriftsteller Franzobel las aus seinem aktuellen Roman Das Floß der Medusa, der 2017 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises stand und mit dem Bayerischen Buchpreis prämiert wurde.
Das Floß der Medusa erzählt vom Schiffbruch der Fregatte Medusa im Jahr 1816. Vor der Westküste von Afrika macht der Kapitän der Argus eine dramatische Entdeckung: Auf einem Floß sieht er 15 ausgemergelte Menschen, die zwei Wochen auf offener See um ihr Leben gekämpft haben und die die letzten von ursprünglich 147 Schiffbrüchigen sind. Der Roman schildert in dramatischer Weise, wie die Figuren ihren Hunger und Durst zu stillen suchen und wie sie mit der zunehmenden Angst vor dem Tod umgehen, und wirft dabei die moralische Frage auf, welche Grenzen überschritten werden dürfen, um am Leben zu bleiben. Die historisch belegte Geschichte reiht sich damit in die Tradition großer literarischer Schiffsbrucherzählungen wie Daniel Defoes Robinson Crusoe ein.
Franz Stefan Griebl, wie Franzobel mit bürgerlichem Namen heißt, ist in allen literarischen Gattungen beheimatet. Neben zahlreichen Prosastücken hat er auch Theaterstücke (u.a. „Die Pappenheimer oder das O der Anna O.“, 2010) und Gedichte geschrieben sowie Kinderbücher (u.a. „Schmetterling Fetterling“, 2004) verfasst. Sein Gesamtwerk wurde von Dadaisten, der Wiener Gruppe und Heimito von Doderer wesentlich beeinflusst.
Die Lesung wird von der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft (Prof. Dr. Andrea Bartl) veranstaltet und findet im Rahmen der Reihe „Literatur in der Universität“ statt.
Sandra Hoffmann: "Paula"
Sandra Hoffmann, geboren 1967, lebt als freie Schriftstellerin in München. 2002 debütierte sie mit der Erzählung Schwimmen gegen Blond. Es folgten die Romane Den Himmel zu Füßen (2004) und Liebesgut (2008). Sie arbeitet in freier Tätigkeit für das Münchner Literaturhaus, unterrichtet kreatives Schreiben am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und schreibt für das Radio. In ihrem mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichneten Roman Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist (2012) erzählt sie von ihrem Großvater, den sie nie kennengelernt hat und der auch in ihrer jüngsten Veröffentlichung Paula eine Rolle spielt. 2018 erhält sie den Hans-Fallada-Preis.
In Paula erzählt Sandra Hoffmann vom bewegten Leben ihrer Großmutter – einer Frau, der sie eigentlich sehr nahestand und von der sie doch so wenig weiß. Paula, eine einstmals glückliche Frau, deren junger Bräutigam im Krieg ums Leben kam, hüllt sich zunehmend in einen Mantel des Schweigens. Nie wird sie preisgeben, wer der Vater ihres Kindes ist, nie wird sie in ihr Innenleben blicken lassen. Aus Angst und Scham zieht sich Paula zurück und lässt niemanden näher an sich heran. Sie betet exzessiv und kontrolliert mehr und mehr ihre Enkelin, mit der sie auf demselben Stockwerk zusammenlebt. Irgendwann bricht diese aus, befreit sich und versucht Jahre später in diesem „klugen und berührenden Erinnerungsbuch“ (Manuela Reichart, Deutschlandfunk Kultur) herauszufinden, wer Paula wirklich war.
Den Flyer zur Lesung finden Sie hier(2.0 MB, 2 Seiten).
Sabine Gruber: "Daldossi oder das Leben des Augenblicks"
Sabine Gruber, 1963 in Meran in Südtirol geboren und in Lana aufgewachsen, studierte Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft in Innsbruck und Wien und war vier Jahre lang als Lektorin für Deutsch an der Universität in Venedig tätig. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Wien, nachdem sie 1984 ihre ersten Gedichte veröffentlicht hatte. Diesen folgten zahlreiche Essays, Hörspiele, Theaterstücke und Romane. Ihre Werke wurden mit vielen bedeutenden Auszeichnungen bedacht, nicht zuletzt 2016 mit dem österreichischen Staatspreis für Literatur. Ihr Roman Über Nacht war 2007 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis.
In ihrem neuen Roman Daldossi oder das Leben des Augenblicks porträtiert sie einen Kriegsfotografen, der sich zurück begibt in ein ziviles Leben und seine Tätigkeit reflektiert. Ungeklärte Liebesbeziehungen und das Nichtwissen darum, was als Nächstes zu tun ist, führen zu einem spannenden Roadmovie, das in Lampedusa endet. Dort unmittelbar konfrontiert mit dem Elend der afrikanischen Flüchtlinge, stellen sich die Fragen, die er an sich und sein Leben richtet, noch einmal neu und brennend.
Sabine Gruber hat einen spannenden, klugen, gefühlsstarken Roman geschrieben, den man nicht vergisst. (Jörg Magenau, Deutschlandfunk Kultur)
Den Flyer zur Lesung finden Sie hier(2.0 MB, 2 Seiten).
Abbas Khider: "Ohrfeige"
Abbas Khider, geboren 1973 in Bagdad, ist ein irakisch-deutscher Schriftsteller und lebt seit 2000 in Deutschland. 1996 floh er aus dem Irak. Zuvor musste er eine zweijährige Gefängnisstrafe aufgrund politischer Aktivitäten gegen das Regime Saddam Husseins über sich ergehen lassen. Bevor er in Deutschland Asyl fand, hielt er sich als Flüchtling in Jordanien und Libyen auf. Nach seinem Studium der Literaturwissenschaft und Philosophie in München und Potsdam veröffentlichte Abbas Khider zunächst Lyrik. 2008 legte er mit Der falsche Inder seinen Debutroman vor. 2010 erhielt er den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis der Robert Bosch Stiftung. In Die Orangen des Präsidenten (2011) und Brief in die Auberginenrepublik (2013) schildert Abbas Khider irakisch-arabische Lebenswirklichkeiten zwischen Exil und politscher Repression. 2013 wurde sein schriftstellerisches Werk mit dem Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil ausgezeichnet. Zudem bekleidete er im selben Jahr die Poetik-Dozentur der Universität Koblenz-Landau sowie 2016 die Heinrich-Heine-Gastdozentur in Lüneburg.
Sein jüngster Roman Ohrfeige (2016) erzählt episodenartig die Geschichte des irakischen Asylbewerbers Karim Mensy, der seit drei Jahren in Bayern lebt und nun abgeschoben werden soll. Sein Leben war bis dahin von verschiedenen Lebenswelten, dem Ausfüllen von Formularen und dem Gang zu den Sachbearbeitern der Asylbehörde geprägt. Des Gefühls überdrüssig, auf dem Amt immer allen zuhören zu müssen, zugleich aber von niemandem gehört zu werden, konfrontiert er seine Sachbearbeiterin mit der prekären Geschichte seiner drei Jahre in der bayrischen Provinz: „Als Wutrede angelegt, gelingt dem deutsch-irakischen Autor ein eindringlicher, raffinierter und hochaktueller Roman“ (Ursula März, Deutschlandfunk Kultur).
Den Flyer zur Lesung finden Sie hier(9.0 MB, 2 Seiten).
Christoph Magnusson: "Arztroman"
Kristof Magnusson, geboren 1976 in Hamburg, ist ein isländisch-deutscher Autor und Übersetzer. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Kirchenmusiker, bevor er literarisches und szenisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Isländische Literatur an der Universität Reykjavík studierte. Für seinen Debutroman Zuhause (2005) erhielt er den Rauriser Literaturpreis, sein zweiter Roman Das war ich nicht (2010) wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Die Komödie Männerhort (2002) kam im Jahr 2014 mit Christoph Maria Herbst, Elyas M’Barek und Detlev Buck in den Hauptrollen in die Kinos. 2006 war Kristof Magnusson Stadtschreiber des Goethe-Instituts in Pune/Indien, seither mehrfach Writer in Residence an Universitäten in den USA und Europa, 2012/13 Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.
Im Zentrum seines jüngsten Arztromans (2014) steht Anita Cornelius, Anfang vierzig, als Notärztin am Urban-Krankenhaus in Berlin tätig, frisch von ihrem Ehemann und Kollegen geschieden; der gemeinsame Sohn lebt bei seinem Vater und dessen neuer Freundin. Der Roman schildert nicht nur den Arbeitsalltag einer Medizinerin mit akribischer Genauigkeit, sondern zeigt auch die Herausforderungen, die die Lebensform einer Patchwork-Familie mit sich bringt: eine “Expedition hinein in den Alltag eines Menschen, hin zur Schönheit und zum Schrecken ganz gewöhnlicher Werktage“ (Florian Kessler, Süddeutsche Zeitung).
Die Lesung fand im Rahmen eines Schreib-Workshops der Bayerischen Akademie des Schreibens für Studierende der Universitäten Bamberg, München, Regensburg und Erlangen statt, den Kristof Magnusson gemeinsam mit dem Literaturkritiker und Lektor Florian Kessler vom Hanser-Verlag leitete.
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Christoph Hamann: Bergpässe und Literatur
Am 3. Februar 2017 las Christof Hamann in Bamberg, im Rahmen der Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien.
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Annette Pehnt: "Hirntexte"
Am 10.12.2016 liest Annette Pehnt im Rahmen des 10. Bamberger Neuropsychologie-Tages in der Aula der Universität "Hirntexte". Neben der Lesung gibt es ein reiches Angebot an Vorträgen.
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Podiumsdiskussion zu "europa verteidigen" von Konstantin Küspert
In dieser Spielzeit wurde Konstantin Küsperts aktuelles Stück europa verteidigen am ETA Hoffmann Theater unter der Regie von Cilli Drexel uraufgeführt. Darin verhandelt der Autor das Konstrukt „Europa“ aus verschiedensten Perspektiven: in seiner mythischen Urform, als historisches und politisches Konstrukt, als Militär- und Wirtschaftsmacht, als diskursiven Prozess. Am Ende bleibt offen, was Europa genau ist, doch Küsperts Stück macht deutlich, dass es in unser aller Macht liegt, dies zu entscheiden. Daraus leitet Küspert indes nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht ab, dieses Konstrukt „Europa“ zu gestalten, zu bewahren und es nicht der Angst vor dem Fremden preiszugeben.
Diesem diskursiven Konstruktions- und Definitionsprozess soll in der begleitenden Podiumsdiskussion nachgegangen werden. Am 23. November diskutieren Autor Konstantin Küspert, Politikredakteur Thomas Lange und Literaturwissenschaftlerin Julia Schöll gemeinsam mit dem Publikum die Frage: „Welches Europa wollen wir sein?“ Die Moderation des Abends übernimmt Dramaturg Olivier Garofalo, der die Inszenierung des Stücks begleitet hat. Die Veranstaltung ist Teil der Initiative „Die offene Gesellschaft“.
Konstantin Küspert, Jahrgang 1982, studierte Germanistik, Politik und Philosophie in Regensburg und Wien sowie Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin (M.A.). Seit zehn Jahren begleitet er zahlreiche Projekte als Regieassistent, Regisseur, Dramaturg, Übersetzer und Performer und wurde mit seinen Stücken zu zahlreichen Wettbewerben und Festivals eingeladen.
Während der Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 war er am Badischen Staatstheater Karlsruhe engagiert, wo er unter anderem mit Jan-Christoph Gockel Rechtsmaterial und Ich bereue nichts realisierte und Hermann Hesses Roman Das Glasperlenspiel für die Bühne adaptierte. In der vergangenen Spielzeit wurde sein Stück rechtes denken, für das er im Jahrbuch von Theaterheute mehrmals als „bester Nachwuchsautor“ genannt wurde, am ETA Hoffmann Theater Bamberg uraufgeführt. In der Spielzeit 2016/2017 werden nach europa verteidigen noch Stücke von ihm am Staatstheater Karlsruhe, am Staatsschauspiel Dresden und am Landestheater Tübingen uraufgeführt. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
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Jenny Erpenbeck: "Gehen, ging, gegangen"
Die Berliner Autorin Jenny Erpenbeck ist bekannt für ihre literarischen und essayistischen Texte, in denen sie sich mit dem aktuellen politischen Zeitgeschehen auseinandersetzt. Auch in ihrem neuesten Roman „Gehen, ging, gegangen“, aus dem sie am 5. Juli an der Universität Bamberg lesen wird, spiegelt sich in der Lebenswelt des Protagonisten Richard die historische Gegenwart des 20. und 21. Jahrhunderts wider. Er lebt als emeritierter Professor für alte Sprachen in Berlin, ist Witwer und wurde kürzlich von seiner langjährigen Geliebten verlassen. Auf der Suche nach einem neuen Lebenssinn macht er Bekanntschaft mit Asylsuchenden auf dem Oranienplatz. Anfänglich ist die Beziehung zu den Flüchtlingen von intellektuellem Interesse geprägt, doch je mehr sich der Protagonist mit deren Schicksalen und Problemen auseinandersetzt, desto mehr entwickelt sich ein freundschaftliches Verhältnis.
Jenny Erpenbeck, die heute als freie Autorin und Regisseurin arbeitet, wurde 1967 in Ost-Berlin geboren und studierte Theaterwissenschaft und Musiktheaterregie. Seit ihrem gefeierten literarischen Debüt, der „Geschichte vom alten Kind“ aus dem Jahre 1999, hat sie zahlreiche Romane, Erzählungen, Essays und Dramen publiziert. Ihre Werke wurden unter anderem mit dem Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und dem Schubart-Literaturpreis ausgezeichnet. Im Jahr 2013 war sie als Poetikprofessorin an der Universität Bamberg zu Gast. Für ihren Roman „Gehen, ging, gegangen“ bekommt sie im September dieses Jahres den Thomas-Mann-Preis verliehen.
Die Lesung ist Teil der Reihe „Literatur in der Universität“ und wird organisiert vom Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Universität Bamberg unter der Leitung von Prof. Dr. Friedhelm Marx.
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Annika Reich: "Die Nächte auf ihrer Seite"
Annika Reich, 1973 in München geboren, studierte Ethnologie und Philosophie an der FU Berlin. 2003 publizierte sie mit der Erzählung Teflon ihr literarisches Debüt, 2010 folgte ihr erster Roman Durch den Wind im Hanser-Verlag.
Ihr aktueller dritter Roman Die Nächte auf ihrer Seite (2015) handelt von mindestens zwei Welten: vom Leben einer Kamerafrau in Berlin und von den Erfahrungen ihrer ägyptischen Schwägerin während der ägyptischen Revolution. Während Ada sich in Berlin um ihre berufliche Zukunft sorgt und der Beziehung zum Vater ihres Kindes nachhängt, gerät die angehende Medizinstudentin Sira bei einem Besuch ihrer Familie in Kairo unversehens in die Demonstrationen gegen Präsident Mubarak. Der Roman spannt einen Bogen von den Revolutionswirren des Tahrir-Platzes zu den Liebeswirren Berliner Hinterhöfe und zeigt dabei zwei Frauen auf der Suche nach dem glücklichen Leben.
„Schreiben ist für mich ein Aufbruch ins Ungewisse. Um aufzubrechen brauche ich eine Frage, die mich so umtreibt, dass ich sie nur schreibend erkunden kann“, so Annika Reich. Sie lebt und schreibt in Berlin, arbeitet als Dozentin an der Kunstakademie Düsseldorf und ist publizistische Mitarbeiterin der Malerin Katharina Grosse. Für ZEIT-Online betreibt sie mit anderen Autorinnen die Kolumne „10 nach 8“. Zugleich engagiert sie sich als Autorin im Rahmen des Aktionsbündnisses Wir machen das, das sich zum Ziel gesetzt hat, der Herausforderung weltweiter Migration mit Menschlichkeit und Sachverstand zu begegnen.
Gemeinsam mit Lars Claßen vom Suhrkamp Verlag leitet Annika Reich einen Schreib-Workshop der Bayerischen Akademie des Schreibens, an dem Studierende der Universitäten Bamberg, München und Erlangen teilnehmen und der mit dieser öffentlichen Lesung in Bamberg eröffnet wird.
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Josef Haslinger: "Jáchymov"
Josef Haslinger, 1955 in Zwettl in Niederösterreich geboren, lebt in Leipzig und Wien. Er studierte in Wien Philosophie, Theaterwissenschaften und Germanistik und wurde 1980 mit einer Arbeit zu Novalis‘ Ästhetik promo-viert. Im Anschluss trat er als literarischer Autor und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift Wespennest in Erscheinung. Mit seinem Politthriller Opernball (1995) gelang Haslinger der internationale Durchbruch. Seit 1996 ist er Professor für Literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig sowie seit 2013 Präsident des PEN-Zentrums Deutschland.
Sein jüngster Roman Jáchymov erzählt die Geschichte von Bohumil Modrý, dem Torwart des tschechoslowakischen Eishockey-Weltmeisterteams von 1947 und 1949. Modrý erlebt Aufstieg und Fall einer Sportlerkarriere: Auf dem Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn angekommen, gerät er 1950 ins Visier des kommunistischen Regimes seines Landes. Er wird verhaftet und ins Arbeitslager Jáchymov deportiert. An der Figur Modrýs wird die Funk-tionalisierung des Sports im Dienst des Politischen deutlich und zugleich, wie Christoph Schröder auf Spiegel Online hervorgehoben hat, die „Konti-nuität des Widersinnigen, das jeder Diktatur innewohnt“, entlarvt.
Im Rahmen der PEN-Tagung 2016, die vom 21. bis 24. April in Bamberg, u. a. in der Aula der Otto-Friedrich-Universität, stattfindet, wird Haslinger er-neut zu Gast bei uns sein.
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Lilian Loke: "Gold in den Straßen"
Lilian Loke, 1985 in München geboren, studierte Neuere Deutsche Literatur, Englische Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte an der LMU. 2011 war sie Schreibwerkstatt-Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung, wurde auf dem Literaturfestival „Wortspiele“ ausgezeichnet und erhielt das Literaturstipendium der Stadt München. Seit 2012 ist sie als PR-Beraterin in einer Münchner Agentur tätig. 2015 erschien ihr vielbeachteter Debütroman Gold in den Straßen, den sie in Bamberg vorstellt.
Im Zentrum des Romans steht Thomas Meyer, ein junger Makler für Luxusimmobilien in Frankfurt, der das „Sich-Verkaufen“ ebenso gekonnt beherrscht wie die manipulative Überzeugungsarbeit bei potenziellen Kunden. Sein karriereorientierter Alltag definiert sich über das nächste pompöse Immobilienprojekt, die erbitterten Hahnenkämpfe im Maklerbüro Falber, die Beziehung zu seiner aus dem Frankfurter Geldadel stammenden Freundin und den selbstgefälligen Stolz, es aus einfachen Verhältnissen zum ‚Top-Performer‘ gebracht zu haben.
Als sein Vater unerwartet stirbt, scheint mit der Möglichkeit, das Familien-grundstück gewinnbringend zu verkaufen, der ganz große Erfolg zu winken. Doch mit dem Abriss der väterlichen Schuhmacherei planiert Meyer auch die eigene Vergangenheit und überlässt sich endgültig der Macht des Geldes.
Mit ihrem literarischen Debüt, pointiert Martin Halter in der FAZ, liefert Loke „hochvirtuose Prosa aus dem Inneren unseres Wirtschaftssystems“ und mit ihrem Protagonisten Thomas Meyer „das messerscharfe Psychogramm einer verlorenen Seele, die Geld zum Zahlungsmittel ihrer Ängste, Schmerzen und Niederlagen macht.“
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Wulf Segebrecht und Nora Gomringer: "Wir standen beisammen, dichter"
„Wir standen beisammen, dichter“
Ein Abend für Wulf Segebrecht
Wulf Segebrecht spricht über Dichterlesungen, Nora Gomringer liest. Wulf Segebrecht, geboren 1935, ist Professor emeritus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte in Göttingen, Bonn, Köln und München wurde er 1964 bei Walter Müller-Seidel in München mit einer Arbeit über E.T.A. Hoffmann promoviert. 1978 übernahm er einen Lehrstuhl an der Universität Mainz, 1982 den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg. Sein Forschungsinteresse gilt u.a. der Geschichte und Poetik der Lyrik vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. An der Universität Bamberg begründete er die Poetikprofessur sowie die Reihe Literatur in der Universität. Neben wissenschaftlichen Studien publizierte Wulf Segebrecht eine Reihe von Gedichtanthologien sowie das Fundbuch der Gedichtinterpretationen (1997). 2001 erhielt er den Preis der Frankfurter Anthologie. Als kritischer Beobachter der Gegenwartsliteratur ist Wulf Segebrecht auch für das Feuilleton der FAZ tätig. Zuletzt erschienen seine gesammelten Gedichtinterpretationen unter dem Titel Der Blumengarten oder: Reden vom Gedicht (2015).
Nora Gomringer, geboren 1980, zählt zu den renommiertesten jungen Lyrikerinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Sie studierte Anglistik, Germanistik und Kunstgeschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (M.A. 2006) und leitet seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg. In den 2000er Jahren war sie eine der zentralen Figuren der deutschen Poetry-Slam- und Literaturperformance-Szene, u.a. gewann sie 2005 gemeinsam mit Mia Pittroff und Fiva (Nina Sonnenberg) die Deutschen Poetry-Slam-Meisterschaften im Team Slam. Ihre Lyrikbände (zuletzt: Monster Poems, 2013, Morbus, 2015) sind vielfach preisgekrönt und in zahlreiche Sprachen übersetzt, außerdem ist Nora Gomringer als Poetikdozentin und Librettistin tätig. Jüngst erhielt sie für ihren Erzähltext Recherche den Ingeborg-Bachmann-Preis 2015.
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Robert Schindel: "Die Scharlachnatter"
Robert Schindel liest aus seinem neuen Gedichtband „Die Scharlachnatter“.
Die Lesung wurde veranstaltet vom Zentrum für Interreligiöse Studien, Literatur in der Universität, den Professuren für Judaistik und Neuere deutsche Literaturwissenschaft
Grundstruktur des neuen Gedichtbandes, aus dem Robert Schindel lesen wird, ist die Inversion. Das Gesagte kann sich blitzschnell umkehren ins Gegenteil, oder zumindest in ein grundsätzliches Bedenken dessen, was in einem Vers sich äußert und im nächsten schon wieder zur Disposition steht. Die Gedichte bleiben nicht bei dem ersten Eindruck, den sie vermitteln, stehen, sie drehen und wenden sich und scheinen darauf zu vertrauen, dass das Lesen diese schnellen Schlangenbewegungen mitmacht.
Wie die anderen Gedichtbände Robert Schindels, so ordnet sich auch dieser in einzelne Kapitel: „Bleibt einer jäh stehen“, „Zwischen Stundenglas und Nu-Mühle“, „Bitter in meiner Lebenslust“, „Klappe den Laptop zu“, „Sich darin gütlich tun“, „Als da der Mond aufzieht“ heißen sie und zeigen, worum es in diesem Gedichtband „geht“. Die Reflexion von Zeitlichkeit spielt eine große Rolle, zudem nehmen wie immer bei Schindel die selbstreflexiven, das heißt auf das Dichten selbst bezogenen Gedichte einen bedeutenden Raum ein.
Die Themen der Gedichte sind der Tod, die Liebe, sie handeln von den Dingen, die enden, die gelingen und sprechen von denen, die nicht gelingen, widmen sich dem Schmerz, der Lust, die Leid und dem Leid, das Lust kennt: „„Bitter in meiner Lebenslust“ (S. 40).
Die schönsten Gedichte sind die, die Selbstgesprächen ähneln und in der Mitte der Nacht ein schlafloses Ich sinnieren lassen. Ganz erfreulich ist, dass die Gedichte eigentlich nicht so melancholisch sind, wie man schon lesen konnte. Auch dort, wo der Tod ins Visier gerät, schaut die Lebenslust um die Ecke. Und letztendlich bekommt das Lieben starke Worte, Worte, die sich auch vom Tod nicht schrecken lassen: „Die Wörter pendeln / Trocknen nicht aus.“ (S. 90)
Bamberg liest: "Du sollst dir ein Bild machen!" Vier Tandemgeschichten
Buchvorstellung mit den diesjährigen Tandempaaren von Bamberg liest
„Du sollst dir ein Bild machen!“ – So lautet das Motto des diesjährigen Tandemprojekts von Bamberg liest. Vier Nachwuchsautorinnen verfassten Texte zu ausgewählten Kunstwerken des Historischen Museums Bambergs: Wer ist der Künstler? Wer oder was ist dargestellt? Welche Geschichte steht dahinter?
Betreut wurden die Nachwuchsautorinnen von renommierten Autorinnen und Autoren. Es arbeiteten Layla Waschner & Nina Müller, Johanna Fugmann & Nevfel Cumart, Judith Balling & Christoph Poschenrieder und Jule Konrad & Gunther Geltinger zusammen. Am Dienstag, 17. November 2015 wurde das Tandembuch im Rahmen einer Lesung vorgestellt.
Erhältlich ist das Buch in der Bamberger Buchhandlung Collibri, im ERTL-Zentrum und im Historischen Museum.
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Konstantin Küspert: "rechtes denken" (Podiumsdiskussion)
In seinem neuen Stück „rechtes denken“, das im Auftrag des ETA Hoffmann-Theaters entstand, untersucht der Dramatiker Konstantin Küspert, wie Gemeinschaften entstehen und warum die Sehnsucht danach oft mit gruppenbezogener Ausgrenzung zusammen-hängt.
Nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise scheint die Akzeptanz rechten Denkens wieder salonfähig zu sein. „Besorgte Bürger“ befürchten eine „Überfremdung Deutschlands“ und den „Untergang des Abendlandes“. Aber ist diese Angst berechtigt? Und wann wird daraus fremdenfeindliches Denken?
Am 9. November diskutieren Autor Konstantin Küspert, PD Dr. Julia Schöll (Neuere deutsche Literaturwissenschaft, Universität Bamberg), Prof. Dr. Marc Helbling (Politische Soziologie, Universität Bamberg) und ETA-Dramaturg Olivier Garofalo diese Fragen.
Zum Einstieg stellt das Ensemble von „rechtes denken“ das Stück von Konstantin Küspert vor.
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Nora Bossong: "Gesellschaft mit beschränkter Haftung"
In Bamberg liest Nora Bossong aus ihrem aktuellen Roman Gesellschaft mit beschränkter Haftung: „Die Tietjens müssen immer die Nummer eins sein“ – Tietjen und Söhne, das ist ein Familienunternehmen, allerdings eines, das gegenwärtig weder familiäre Werte hochhält noch unternehmerischen Erfolg zu verzeichnen hat. Kurt Tietjen, Firmenchef und Enkel des Firmengründers, flüchtete aus dem „lebenslangen Arbeitsvertrag“, der mit dem Namen Tietjen verbunden ist. Abschiedslos ging er von Essen nach New York, von der deutschen Oberschicht in die amerikanische Unterschicht Brooklyns. Den Firmensitz hinterließ er seiner Tochter Luise, Mitte zwanzig, Philosophiestudentin und zunächst wenig ambitioniert. Aber Verantwortung, Macht, Aussicht auf wirtschaftlichen Aufstieg und schließlich der Erfolg selbst machen aus ihr eine Geschäftsfrau, erfolgreich, skrupellos. Eine „Stahlbarbie mit geballter Faust in der Tasche“ , wie Felicitas von Lovenberg in der FAZ schreibt. Sie lebt ein Leben „mit beschränkter Haftung“ und scheint nicht gewillt, Verantwortung zu übernehmen, weder für andere noch für sich selbst.
In nüchterner Sprache spinnt Nora Bossong ein feines Netz der Intrigen, in dem Privatheit und Öffentlichkeit eng miteinander verwoben sind. Aus der Perspektive derer, die oben stehen, zeigt die Autorin, dass sich das „Oben“ nicht halb so gut anfühlt, wie man meinen könnte: Macht ersetzt Menschlichkeit, Erfolg verdrängt Empathie. So „erzählt der Roman von verzweifelten Kämpfen, von Intrigen mit fast Shakespeare‘schen Dimensionen“, schreibt Paul Jandl in der Welt.
Gemeinsam mit Andreas Paschedag vom Berlin Verlag leitet Nora Bossong einen Schreib-Workshop der Bayerischen Akademie des Schreibens, an dem Studierende der Universitäten Bamberg, München und Bayreuth teilnehmen und der mit dieser öffentlichen Lesung in Bamberg eröffnet wird.
Uwe Timm: "Heißer Sommer"
Vor vierzig Jahren erschien Uwe Timms Romandebüt Heißer Sommer und avancierte in der Folge zum Manifest einer ganzen Generation. Der Roman folgt dem Studenten Ullrich Krause durch den „heißen Sommer“ der Studentenrevolte 1967, durch WG-Leben, Sit-ins, Anti-Springer-Demos und die heute fast absurd anmutende Komik des deutschen Universitätsbetriebs der späten 60er Jahre. Es geht um den Prozess einer politischen, sozialen und emotionalen Bewusstwerdung – die Krause unter anderem auch an das Regnitzufer Bambergs führt. Im Roman Rot (2001) greift Uwe Timm die Topoi der Studentenrevolte auf und inszeniert den Alterungsprozess der Ideale von damals: Der Roman erzählt von denjenigen, die die Fahnen weiterhin hoch halten, noch an die Revolution oder zumindest die Veränderung der Welt durch Aufruhr und Widerstand glauben. Er berichtet zugleich von jenen, die ihre politischen Ideale zwar nicht verraten haben, denen der Glaube an die Veränderbarkeit der Welt indes irgendwann abhandenkam. Im Roman Rot tritt auch Ullrich Krause noch einmal auf, der 1968 den Gang durch die Institutionen antrat und nun als Lehrer in der ostdeutschen Provinz die auf reales Maß zurückgestutzten Ideale an der bitteren gesamtdeutschen Wirklichkeit überprüft: „Hab doch immer den realen Sozialismus verteidigt, sagte Krause, das ist jetzt so was wie eine Korrektur, nein, Buße, um vor Ort die Vorurteile abzubauen, alte wie neue, positive wie negative.“
Auch Uwe Timms jüngster Roman Vogelweide (2013) erzählt von einem Rückzug: Ein bankrotter Softwareunternehmer mit dem sprechenden Namen Eschenbach lässt nicht nur das Feld der Ökonomie, sondern die Zivilisation als solche hinter sich und wird Vogelwart auf einer einsamen Nordseeinsel – ein Ort der Besinnung, der ihm Gelegenheit gibt, über Liebe und Moral in Zeiten gesellschaftlicher Diffusion zu reflektieren. Alle drei Romane verbindet die Frage, inwieweit das Private politisch, somit gesellschaftlich relevant ist und was Liebe, Idealismus und Ökonomie miteinander zu tun haben.
Uwe Timm las aus diesen drei Romanen und blickte im Gespräch mit Martin Hielscher und Friedhelm Marx auf den Heißen Sommer von 1974 und seine literarischen Folgen zurück.
Marlene Streeruwitz: "Nachkommen"
Mit dem Literaturbetrieb ist Marlene Streeruwitz also hinreichend vertraut, und mit diesem konfrontiert sie in ihrem aktuellen Roman Nachkommen. auch ihre Protagonistin: Die 20‐jährige Nelia Fehn weiß nicht recht, wie ihr geschieht, als ihr Debütroman für den Deutschen Buchpreis nominiert wird und sie sich direkt im Anschluss an die Beerdigung ihres Großvaters mitten im Frankfurter Messegetümmel wiederfindet. Ihr abgehalfterter Verleger räumt Nelia ohnehin nur Außenseiterchancen ein, und wenn, dann gilt das Interesse der Anwesenden eher Nelias hübschem, gut zu vermarktendem Gesicht als ihremgesellschaftskritischen Erstlingsroman.
In dieser unbehaglichen Frankfurter Gesellschaft – ergänzt um Nelias bis dahin abwesenden Vater – erprobt die Jungautorin die Verweigerung als Grundhaltung. Beschrieben wird ihr Innenleben in Streeruwitz‘ typischen Stakkato‐Sätzen, denn, wie sie in ihrer Tübinger Poetikvorlesung schreibt, in einer von Entfremdung geprägten Welt kommt der vollständige Satz einer Lüge gleich.
Der besondere Coup besteht nun darin, dass eben auch jener für den Buchpreis nominierte Roman der jungen Autorin existiert: Seit Ende September steht neben Streeruwitz‘ Nachkommen. auch Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland. in der Buchhandlung – verfasst von Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn.
Alessandra Brisotto und Isabel Bederna: "e_und"
Die Gedichte von Alessandra Brisotto und Isabel Bederna erkunden manchmal ganze Welten, manchmal begnügen sie sich mit einem einzelnen Ich. Sie hauchen Wörtern Leben ein, sie scheuen sich nicht vor dem Gegenteil. Sie können ein Spiel sein, sie halten Augen-Blicke fest, die schneller vorbei sind als ein Zungenschlag. Und immer fangen sie an dem Punkt an, bei dem jede Beziehung ihren Ausgang nimmt: bei einem Und.
Zum vierten Mal präsentiert das Literaturfestival Bamberg liest das Ergebnis einer einzigartigen Talentförderung. Die italienische Dichterin und Autorin Alessandra Brisotto ist mit der jungen Lyrikerin Isabel Bederna auf einem literarischen Tandem gefahren. 3 x 7 Gedichte x 2 Dichterinnen x 2 Sprachen x 5 Illustrationen von Robert Schlund: Das ist die Beziehungsformel von e_und.
Mit musikalischer Begleitung und Verköstigung der Fattoria La Vialla.
Rainer Merkel
2001 erschien sein Debütroman Das Jahr der Wunder, ein „ironiefreier Abgesang auf die New Economy“ (DER SPIEGEL, 11/2001). In den folgenden Jahren erhielt Merkel zahlreiche Preise und Förderungen, 2002 war er Stipendiat des Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. Hier erschien im selben Jahr auch seine Prosa- und Gedichtsammlung Beim Herausschauen. Heute lebt Merkel als freier Schriftsteller in Berlin und Dublin. Mit der Reportagensammlung Das Unglück der anderen. Kosovo, Liberia, Afghanistan veröffentlichte Merkel 2012 ein besonderes Buchprojekt: Für die Hilfsorganisation Cap Anamur arbeitete der Autor ein Jahr lang in einer Psychiatrie in Liberia und bereiste die von Kriegen gezeichneten Länder auf dem Balkan und am Hindukusch, wo er als „Embedded Journalist“ mit der Bundeswehr unterwegs war. Die Reportagen zeigen, welche Auswirkungen Gewalt und Traumata auf Menschen haben, fragen umgekehrt aber auch: Welche Anziehungskraft haben sie auf uns?
Rainer Merkels jüngster Roman Bo erzählt von einem Road-Trip durch Westafrika. Der dreizehnjährige Benjamin will zum ersten Mal seinen Vater, einen Entwicklungshelfer, in Liberia besuchen. Als er am Flughafen in Monrovia ankommt, steht er allerdings alleine da – ohne Pass, ohne Gepäck und ohne seinen Vater, der ihn eigentlich abholen sollte. Benjamin trifft den gleichaltrigen Bo und die verwöhnte Brilliant und das Abenteuer für den Heranwachsenden auf dem fremden Kontinent beginnt.
Rainer Merkel liest in Bamberg im Rahmen eines Schreib-Workshops der Bayerischen Akademie des Schreibens, an dem auch Studierende aus Bamberg teilnehmen. Er leitet diesen Workshop gemeinsam mit der Lektorin Doris Plöschberger (Suhrkamp Verlag), die die Lesung moderierte.
Eva Menasse: "Quasikristalle"
In Bamberg liest Eva Menasse aus ihrem jüngsten Roman Quasikristalle. Dieser Text ist dem Ordnungsprinzip der gleichnamigen Kristalle nachempfunden, für deren Entdeckung der israelische Forscher Dan Shechtman 2011 den Chemie - Nobelpreis erhielt. Im Gegensatz zu „normalen“ Kristallen, welche aus verschiedenen Blickwinkeln die immer gleiche Struktur aufweisen, sind Quasikristalle in ihrem Aufbau ungleichmäßig und erwecken beim Betrachter einen ungeordneten Eindruck. Ebendiesen Effekt erzielt Menasses Roman durch seine Konzeption: Die 13 Kapitel des Romans werden aus unterschiedlichen Positionen erzählt. Von der Jugendzeit bis ins Alter bekommen wir das Leben der Protagonistin Xane Mole von wechselnden Figuren, auch von ihr selbst, erzählt: Ihre Freundschaften während der Pubertät, ihre Studienzeit, die sie im Rahmen einer Studienfahrt nach Ausschwitz mit der eigenen jüdischen Familienhistorie konfrontiert, ihr beruflicherErfolg als PR - Managerin oder ihre Ehe mit einem Professor.
Ähnlich wie bei echten Quasikristallen legen die Perspektivwechsel in Menasses Roman Strukturen und Details offen, die ein vielschichtiges, vielstimmiges, immer wieder überraschendes Lebensbild ergeben: „Besser als in Quasikristalle lässt sich Erkenntnis und Vergnügen im deutschen Gegenwartsroman nicht abmischen“, schreibt Ijoma Mangold in der ZEIT.
Landpartie - Junge Literatur aus Hildesheim
Landpartie ist die literarische Anthologie des Hildesheimer Studiengangs KREATIVES SCHREIBEN UND KULTURJOURNALISMUS – neben dem Deutschen Literaturinstitut in Leipzig die wichtigste Autorenschule in Deutschland.
Einmal im Jahr präsentiert Landpartie ähnlich einer an Kunsthochschulen üblichen Werkschau die Arbeiten der jungen Autorinnen und Autoren. Seit 2005 entstehen auf diese Weise einzigartige Sammlungen dessen, was keinesfalls in Schubladen verborgen bleiben darf: Sprachexperimente, Fiktionen, poetische Rückzugsräume. So bekommt die Leserschaft Papier serviert, auf dem sich die Schwingungen junger deutschsprachiger Gegenwartsliteratur seismografisch abzeichnen: Landpartie steht für den Schaffensbeginn zahlreicher namhafter Autorinnen und Autoren, darunter Paul Brodowsky, Sabrina Janesch, Thomas Klupp und Leif Randt. Und weil das Wertige auch wertvoll verpackt sein will, bemüht sich ein jährlich wechselndes Herausgeber-
Team um ein ästhetisch ansprechendes Gestaltungskonzept. 2007 erhielt die Landpartie dafür den Preis der schönsten Bücher der Stiftung Buchkunst. Landpartie erscheint jährlich in der Edition Pæchterhaus, einem Verlag des Instituts für Literarisches Schreiben und Literatur-
wissenschaft der Universität Hildesheim.
In Bamberg stellen die Autoren Emily Grunert, Mareike Schneider und Philipp Winkler ihre in der Landpartie publizierten Arbeiten vor und geben Auskunft darüber, wie sich das literarische Schreiben studieren lässt.
West-Östliches Sofa - Deutsche und russische Autoren im Gespräch
Christof Hamann: "Nur ein Schritt bis zu den Vögeln"
In Bamberg las er aus seinem jüngsten Roman Nur ein Schritt bis zu den Vögeln (2012), der ebenso wie das literarische Debüt Seegfrörne von 2001 am Bodensee spielt.
Simon Scholl, der Kindheits- und Studienfreund des Protagonisten Karl Notker ist tot, gestorben am 14. Mai, dem Tag des Eisheiligen Bonifatius. Auf einem abendlichen Spaziergang hinunter zum Bodensee ist er zwischen die Gleise und den fahrenden Zug gekommen – vielleicht ein Unfall, wahrscheinlich Selbstmord. In Simons Wohnung nimmt Karl dessen Notizhefte an sich, in denen der Freund viele ihrer gemeinsamen Erlebnisse festgehalten hat. Kurze Auszüge wecken Karls Erinnerung, und der Leser erfährt von der Zeit, als Simon, Erfolgsmensch und Spezialist für Innere Sicherheit, noch lebte: Resultat dieser Rückschau ist die eindrucksvolle Geschichte einer ungleichen Freundschaft und zugleich, mit Christoph Schröders (Die Zeit) „ein Buch, das wenig ausspricht und doch ungeheuer viel sagt. Es wird nicht geraunt und nicht geschwätzt. Es hält die Möglichkeiten offen.“
Jan Faktor: "Georgs Sorgen um die Vergangenheit"
Mit "Schornstein" veröffentlichte er 2006 seinen vielbeachteten Debütroman, eine Medizingroteske, die den erbitterten Kampf des schwerkranken Ich-Erzählers gegen die kassenärztliche Vereinigung schildert. In Bamberg stellt Faktor seinen 2010 erschienenen Roman "Georgs Sorgen um die Vergangenheit" vor: Darin beschreibt der Ich-Erzähler sein Heranwachsen in der Tschechoslowakei der 50er bis 70er Jahre – allein unter Frauen in einem skurrilen Prager Wohnungslabyrinth. Neben den familiären, allen voran durch Krieg und Holocaust begründeten Traumata wird Georg auch mit den politischen Missständen seiner Zeit konfrontiert, die seine Versuche, dem dominanten Frauenhaushalt zu entkommen, nicht unbedingt erleichtern. Georgs Selbstfindungsprozess mit Hindernissen sprengt die Grenzen des herkömmlichen Coming-of-age-Romans und mündet in ein „Epos von alteuropäischen Ausmaßen, dessen sprudelnde Anekdotenfülle eine fröhliche Enthemmtheit begleitet.“ (Felicitas von Lovenberg, FAZ).
Für die Arbeit an dem Roman unternahm Jan Faktor zahlreiche Recherche-Reisen, die ihn unter anderem in das weitgehend vergessene Konzentrationslager Christianstadt führten. Die Ergebnisse dieser Recherchen stellte Jan Faktor in Bamberg vor. Der Abend wird durch das Grenzgänger-Programm der Robert-Bosch-Stiftung gefördert.
Selmar Klein: "Echofrei"
Im Rahmen der Literaturveranstaltung Bamberg liest. stellte der Student Selmar Klein seine Novelle Echofrei vor. Im Anschluss daran fand ein Werkstattgespräch mit Tandempartner Thomas Glavinic statt.
Sherko Fatah: "Ein weißes Land"
Sein Debutroman "Im Grenzland" von 2001 beschäftigt sich mit dem Niemandsland zwischen dem Irak und der Türkei. Die Erfahrung von Fremdheit, die dieser Roman vermittelt, verdankt sich der prekären politischen Lage, der Drohkulisse von Folter, Krieg und Willkür.
Sein vierter und bis jetzt jüngster Roman "Ein weißes Land" (2011), aus dem Sherko Fatah in Bamberg lesen wird, setzt im Bagdad der 1930er Jahre ein und handelt von dem jungen Anwar, der zwischen allen politischen und gesellschaftlichen Fronten seinen Weg sucht und unversehens ins nationalsozialistische Berlin, später als Soldat in den Russlandfeldzug gerät. Anwar überlebt und kehrt nach Hause zurück, aber was er erlebt und gesehen hat, zerstört seine Träume und seine Hoffnung auf das eigene große Glück. Fatah erzählt, ähnlich wie in "Das dunkle Schiff", von einem Menschen, der jede Chance nutzen will, seinen Traum vom Leben zu verwirklichen, aber durch politische Geschehnisse davon abgehalten wird.
Sherko Fatah liest in Bamberg im Rahmen eines Schreib-Workshops der Bayerischen Akademie des Schreibens, an dem auch Studierende aus Bamberg teilnehmen. Er leitet diesen Workshop gemeinsam mit der Lektorin Petra Gropp, die die Lesung moderierte.
Nevfel Cumart: "Unter den Flügeln der Nacht"
Am 30. April 2013 las Nevfel Cumart aus seinem Gedichtband "Unter den Flügeln der Nacht".
Vor genau 52 Jahren kamen seine Eltern mit den ersten türkischen Gastarbeitern nach Deutschland. Heute zählt der in Stegaurach lebende Nevfel Cumart mit sechzehn Gedichtbänden zu den produktivsten Lyrikern seiner Generation in Deutschland.
Die Themenbreite des neuen Gedichtbands "Unter den Flügeln der Nacht" ist groß: Von den kargen Feldern Anatoliens, der Heimat seiner Eltern und Vorfahren, bis zu den Amtsstuben Bayerns, in denen er reichlich Erfahrungen sammeln konnte, spannt Cumart einen Bogen zwischen Orient und Okzident. Bei der Lesung im Rahmen der Bamberger Reihe „Literatur in der Universität“ wird er ein weites literarisches Spektrum präsentieren: biographische Texte und Liebesgedichte ebenso wie gesellschaftlich-politische Gedichte und pointierte Momentaufnahmen aus einem Leben in verschiedenen Kulturen. Darüber hinaus wird Cumart aus seinem facettenreichen Leben als Migrant der zweiten Generation in Deutschland berichten. Als literarischer Grenzgänger versteht es Cumart wie kaum ein anderer, mit seinen Gedichten für mehr Toleranz und Verständnis gegenüber Menschen anderer Kultur zu appellieren Fragen und Anregungen aus dem Publikum sind willkommen.
Zwischen Ost und West: Grenzgänger-Lesungen
Im Rahmen dieser Vortragsreihe stellten renommierte Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur Bücher vor, die Grenzen und Grenzüberschreitungen zwischen Ost und West beschreiben. Dabei handelt es sich um literarische Werke, deren Entstehung – wie auch die Bamberger Vortragsreihe selbst – durch das Grenzgänger-Programm der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin unterstützt wurde. Kolja Mensing, Jenny Erpenbeck, Olga Grjasnowa, Feridun Zaimoglu, Julia Schoch und Sibylle Lewitscharoff lesen an sechs Abenden ausgewählte Passagen aus ihren Grenzgänger -Texten. Anschließend berichten sie über ihre Recherchen, über Schwierigkeiten, unverhoffte Entdeckungen und die literarische Verarbeitung ihrer eigenen Grenzgänger - Erfahrungen.
Die Gegenwartsliteratur ist einer der Forschungsschwerpunkte an der Universität Bamberg: Diese Veranstaltung lenkt nun die Aufmerksamkeit auf deren interkulturelle Ausrichtung. Geographische, kulturelle, sprachliche, politische und gesellschaftliche Grenzen und Grenzüberschreitungen gehören zu den wichtigsten literarischen Sujets der Gegenwart. Die im Rahmen der Vortragsreihe vorgestellten Bücher reflektieren zum einen die Wirkungsmacht mentaler, gesellschaftlicher und politischer Grenzziehungen – und stellen ihr zugleich genuin literarische Grenzüberschreitungen entgegen.
Die Autorinnen und Autoren lasen immer mittwochs, am
24.10.2012 Kolja Mensing: Die Legenden der Väter (2011)
21.11.2012 Jenny Erpenbeck: Heimsuchung (2008)
12.12.2012 Olga Grjasnowa: Der Russe ist einer, der Birken liebt (2012)
9.1.2013 Feridun Zaimoglu: Hinterland (2009)
23.1.2013 Julia Schoch: Kaliningrader Nacht (2008)
30.1.2013 Sibylle Lewitscharoff: Apostoloff (2009)
Die Vortragsreihe wurde unterstützt von der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin.
Das Grenzgänger-Seminar zur Lesereihe:
Immer donnerstags fand das von Prof. Dr. Friedhelm Marx und Dr. Stephanie Catani veranstaltete gleichnamige Seminar zur Lesereihe statt. Wie bei der Bamberger Poetikprofessur besuchten die Autorinnen und Autoren dieses Seminar am Tag nach ihren Grenzgänger -Lesungen und sprachen mit den Studierenden sowie mit allen interessierten Lesern über ihre Texte.
Doron Rabinovici: "A N D E R N O R T S"
Am 12. Juni las Doron Rabinovici (Wien) aus seinem Roman
A N D E R N O R T S
Doron Rabinovici schreibt Romane, Essays und Kurzgeschichten, zudem ist er Autor einer historischen Doktorarbeit, die soeben ins Englische übersetzt wird. Die Gattungen, in denen er erfolgreich schreibt, sind vielfältig, auch seine Themen und Interessen sind es, ebenso wie sein politisches Engagement. Er gehörte zu denjenigen, die sich seinerzeit Jörg Haider mutig entgegenstemmten und ist auch heute noch, nach dem Unfalltod Haiders, ein engagierter Schriftsteller im wörtlichen Sinn. Am Anfang Karriere als Schriftsteller stand die kleine Prosaform, dort wurde das Schreiben zum „Puzzlespiel der Erinnerung“ (Papirnik). Inzwischen hat Doron Rabinovici, der in Tel Aviv geboren wurde und als Kleinkind nach Wien kam, mehrere erfolgreiche Romen vorgelegt: Die Suche nach M. , Ohnehin und jetzt der auf der Shortlist des deutschen Buchpreises aufgenommene Roman Andernorts). Andernorts erzählt die Geschichte von Ethan Rosen, einem in Wien als Soziologe lehrenden Israeli, der sich erfolgreich durch die globalisierte Welt und ihre Anforderungen und Thematiken bewegt. Einen Bruch erfährt der polyglotte Rosen, als sein Vater schwer erkrankt und man um sein Leben fürchten muss. Rosen reist nach Israel, um bei seinem Vater zu sein. Zusammen mit der neuen Freundin Noa richtet er sich in Tel Aviv wieder ein, ohne das alte Leben in der Diaspora aktiv zu beenden, er meldet sich einfach nicht mehr in Wien.
Wenn Wien New York wäre, dann könnte Doron Rabinovici vielleicht ein jüngerer Bruder Woody Allen sein. In der Mitte seines Lebens und als nun schon erfahrener Schriftsteller wird eine Eigenschaft seines Schreibens immer deutlicher: sein Humor, der vor den eigenen Erkenntnissen nicht Halt macht, der vor allem aber auch die orthodoxe Variante des Judentums mit Spott überzieht. Rabinovicis Schreiben überschreitet lachend die Normalität, findet neue Formen des jüdischen Witzes, seine Texte machen Mut, den Dialog zwischen nichtjüdischer und jüdischer Kultur neu zu beginnen. Er zeigt in seinem Erzählen, wie Juden sich in einer globalisierten Welt bestens zurechtfinden, weil die Diaspora ihnen seit Jahrtausenden vertraut ist. Und er zeigt in seinem Werk, wie wichtig die Rolle ist, die eine Stadt wie Tel Aviv dabei spielt. Die Lesung konfrontiert uns mit den modernen globalisierten Lebensentwürfen unserer Zeit und lässt nachdenken über den Stellenwert, der der eigenen Herkunft zukommt. Witzig und humorvoll bringt Andernorts sicher geglaubte Identitäten ins Wanken.
"Stirb & Werde"
Für die Anthologie Stirb & Werde sind bekannte Autoren aus Bamberg und der Region wieder Tandem gefahren: Sie haben ein halbes Jahr lang mit Studierenden der Otto-Friedrich-Universität sowie einer Schülerin an Erzählungen gearbeitet, die das Goethesche Motto auf faszinierende und höchst unterschiedliche Weise interpretieren. Als Mentoren beteiligt waren diesmal unter anderem Nora Gomringer, Tanja Kinkel und Martin Beyer.
Die Anthologie Stirb & Werde, die im studentischen Verlag perpetuum publishing erscheint, wurde am Donnerstag, 10. Mai im Rahmen der Reihe Literatur in der Universität präsentiert. Diese Veranstaltung war Teil des Literaturfestivals Bamberg liest und des KONTAKT-Festivals.
Es lasen die Tandems Anna Degen & Andrea Amft, Maia Tabukashvili & Sophia Léonard, Peter Braun & Thilo Martens sowie Martin Beyer & Judith Wiedemann.
Mehr Informationen unter www.bamberg-liest.de
Christoph Peters: "Sven Hofestedt sucht Geld für Erleuchtung"
las aus Sven Hofestedt sucht Geld für Erleuchtung
Freitag, 20. Januar 2012
Wolfgang Schlüter: "Die englischen Schwestern"
las aus Die englischen Schwestern
Dienstag, 31. Januar 2012
Markus Orths: "Die Tarnkappe"
Sein Debüt als Schriftsteller gab Markus Orths mit seinem im sisyphos-Verlag erschienenem Erzählband Schreibsand(1999). Hier versammelt er verschiedene Erzählungen, die sich mit dem Prozess des Schreibens, dem Tod und der Suche nach sich selbst beschäftigen.
In seinem Erfolgsroman Lehrerzimmer (2003) beschreibt Orths die Institution Schule als ein auf Angst, Jammer, Schein und Lügen basierendes, totalitäres System. Ohne jede Chance, die schulische Willkür zu verstehen und zu durchschauen, versucht Studienassessor Kranich den Schulalltag zu meistern. Mit viel Ironie, Witz und Übertreibung wird das schulische Scheitern eines motivierten, jungen Lehrers beschrieben, der verzweifelt einen Ausweg aus diesem Albtraum zu finden sucht.
Wie in dieser Satire auf das Bildungssystem stehen auch in anderen Texten neurotische Figuren und skurrile Alltagsszenen im Zentrum von Orths’ Prosa. Die aus der Psychiatrie entlassene und zwangsneurotisch veranlagte Lynn Zapatek, die Hauptfigur in dem 2008 erschienenen Roman Das Zimmermädchen, arbeitet als Reinigungsfachkraft im Hotel Eden. Fasziniert vom fremden Leben der Hotelgäste, legt sie sich eines Abends unter das Bett eines Gastes und saugt das Fremde in sich ein. Immer länger verweilt die Voyeurin unter den Betten der Gäste, getrieben von ihrem sinnentleerten Dasein, Neugier und Verzweiflung. Dieser Text entwirft das Bild eines Menschen, der von Anonymität, Einsamkeit und Ängsten bestimmt ist.
Auch Orths neuster Roman Die Tarnkappe (2011) nähert sich der Frage nach der Identität und Anonymität des Menschen. Die Hauptfigur dieses "fantastischen" Textes, Simon Bloch, findet eine Tarnkappe, die es ihm ermöglicht, ungesehen am Leben anderer Menschen teilzunehmen. Doch je größer das Verlangen nach dem Tragen der Kappe wird, desto mehr verliert sich der Protagonist und verschwindet tatsächlich. "Am Ende der spannenden Lektüre ist man nicht nur geheilt vom Kinderwunsch, einmal unsichtbar zu sein, man reagiert auch nachhaltig irritiert, wenn eine Tür ohne ersichtlichen Grund zuschlägt." (Deutschlandradio Kultur)
Kristof Magnusson: "Das war ich nicht"
Kristof Magnusson las aus Das war ich nicht
Dienstag, 21. Juni 2011
Seine erfolgreiche Komödie Männerhort (2002) zeigt vier (Ehe-)Männer, die an der Einkaufssucht ihrer Frauen verzweifeln. Aus Trotz schaffen sie sich in einem Heizungskeller einen Rückzugsraum, in dem sie noch Männer sein dürfen, mit Bundesligatabelle und Playmate an der Wand, mit Fernseher und Giganto Tool Tech. Doch drängt sich im Laufe des Stücks die Frage auf, ob das eigentlich so sein muss, diese Rollenverteilung und das gegenseitige Verstecken. Das Stück wurde an zahlreichen Bühnen inszeniert, unter anderem 2005 am Theater am Kurfürstendamm mit Bastian Pastewka und Christoph Maria Herbst.
Kristof Magnussons Romandebüt Zuhause (2005) ist eine packende Mischung aus Roadmovie und Saga. Eigentlich will Làrus mit seiner Sandkastenfreundin Mathilda ein Pärchenweihnachtsfest auf Island verbringen, gemeinsam mit ihren Partnern Milan und Svend. Daraus wird allerdings nichts, denn beide Beziehungen sind kurz zuvor in die Brüche gegangen. Die Dinge beginnen auf eine seltsame Art und Weise aus dem Ruder zu laufen: Làrus beginnt eine Affäre und gerät damit zugleich in das Räderwerk einer der mächtigsten isländischen Familien, deren Wurzeln bis in die Egill-Skallagrímsson-Saga zurückreichen. So stolpert Làrus zu einem Soundtrack aus The Smith, Mùm und Depeche Mode von Abenteuer zu Abenteuer.
Kristof Magnussons zweiter Roman Das war ich nicht (2010), aus dem er in Bamberg las, verknüpft die Lebenswege dreier Figuren vor dem Hintergrund der Weltfinanzkrise. Der erfolgreiche amerikanische Autor Henry LaMarck hat eine Schreibkrise und flüchtet deshalb (gerade bei der Verlagsparty zu seinem sechzigsten Geburtstag) vor der fordernden Welt in ein Hotelzimmer in Chicago. Dort wird er auch von seiner Übersetzerin Meike Urbanski gesucht, die das angekündigte neue Buch unbedingt braucht, um den Kredit für ihr Haus zurückzuzahlen. Vervollständigt wird die ménage à trois durch den jungen Investmentbanker Jasper Lüdemann. Zwischen diesen Figuren entspinnt sich ein Netz aus Anziehungen und Abhängigkeiten, eine exemplarische und ironische Szenerie über den Zusammenhang von Kultur und Kapital. Wie schon im Debütroman strebt der Text nach einer Entmythologisierung; „Wirtschaft“ und „Kultur“ sind nicht mehr getrennte Ressorts einer Tageszeitung, sie kollabieren im Dunstkreis dieser drei Figuren.
"Zeichen & Wunder"
Oberfränkische Schriftsteller, Stipendiaten der Villa Concordia und studentische Nachwuchsautoren im Dialog
Zeichen zu setzen und von den kleinen und großen Wundern des Lebens zu erzählen, das ist das Geschäft des Schriftstellers. Es ist jedoch in der Regel ein einsames Geschäft. Etablierte Autorinnen und Autoren aus Oberfranken sowie Stipendiaten des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia haben sich daher auf ein einzigartiges Experiment eingelassen: Sie haben für die Anthologie Zeichen & Wunder Patenschaften übernommen und mit jeweils einem Bamberger Studierenden ein Tandem gebildet, um gemeinsam an Geschichten für das Buch zu arbeiten. Entstanden sind Kurzgeschichten, ein Hörspiel und ein Dramolett, auf vielfältige Weise wurde das Thema der Anthologie umgesetzt.
Die Studierenden haben vorher an einem Seminar für Kreatives Schreiben von Dr. Martin Beyer, Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, teilgenommen, das den Studierenden ein Forum bieten soll, um gemeinsam an Texten zu arbeiten, Schreibtechniken zu erlernen und, genauso wichtig, gemeinsam über Texte zu sprechen, sich gegenseitig zu loben und zu kritisieren.
Am 18. Mai stellen vier Tandems ihre Arbeit vor:
- Kurt Kreiler (Stipendiat Villa Concordia) & Katharina Müller-Güldemeister
- Dulce Maria Cardoso (Stipendiatin Villa Concordia) & Raphael Thierschmann
- Thomas Kastura & Julia Schmidt
- Rolf-Bernhard Essig & Christina Dehler
Die Präsentation der Anthologie in der Reihe „Literatur in der Universität“ ist eingebettet in das neue Lesefestival Bamberg liest, das 2011 erstmalig stattfinden wird. Insgesamt gibt es drei Veranstaltungen, an denen die Anthologie präsentiert wird, die Reihe endet am 21. Mai um 12 Uhr am „Gabelmann“ (Grüner Markt) mit einer Open-Air-Lesung, bei der unter anderem Oberbürgermeister Andreas Starke aus Zeichen & Wunder lesen wird. Am 19. Mai lesen drei weitere Tandems in der Buchhandlung Görres. Bamberg liest soll keine einmalige Veranstaltung sein, sondern in den darauffolgenden Jahren weiteren Studierenden, Autoren, Verlegern und auch Schülern eine Möglichkeit geben, ihre eigenen Literaturprojekte öffentlich zu präsentieren.
Weitere Informationen unter www.bamberg-liest.de.
Die Anthologie Zeichen & Wunder erschien im Verlag perpetuum publishing, der vom Bamberger Studenten Lukas Wehner gegründet wurde. Zu den Veranstaltungen ist die Anthologie zum Vorzugspreis von 7,00 Euro erhältlich, der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei.
Annette Pehnt: "Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern"
Annette Pehnt liest aus ihrem neuen Erzählungsband
Einen Nachbericht zur Lesung finden Sie hier.
2001 debütierte Annette Pehnt mit dem Roman Ich muß los, den die Jury des aspekte-Literaturpreises mit einer besonderen Empfehlung ehrte. Mit dem Anti-Helden Dorst schuf sie eine Figur, die durch ihre eigenbrötlerische, unergründliche Art Leser und Feuilletonisten gleichermaßen faszinierte. Ein regelrechter Kauz, der die schwarzen Anzüge seines toten Vaters aufträgt und als selbsternannter Reiseführer seine grenzenlose Phantasie auslebt. Erst als die junge Elner in sein Leben tritt, wacht Dorst auf. In ihrem zweiten Roman Insel 34 stellt die Autorin eine namenlose Ich-Erzählerin in den Mittelpunkt, die wie Dorst ein jugendlicher Underdog ist. Auf der Flucht vor der elterlichen Fürsorge entwickelt die junge Frau eine Leidenschaft für abgelegene, rätselhaft erscheinende Inseln. Im Spiel mit dem Motiv der Inselutopie erzählt Annette Pehnt auf ironische Art und Weise gleichzeitig die Geschichte des Erwachsenwerdens. Für einen Ausschnitt aus Insel 34 erhielt sie 2002 den Preis der Jury beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt.
Der Roman Haus der Schildkröten aus dem Jahr 2006 liest sich als leiser, mit distanzierter Trauer und lakonischer Distanz geschriebener Text. Vordergründig handelt die Geschichte von einem Mann und einer Frau, die ihre Eltern im Seniorenheim besuchen und deren Wege sich dort kreuzen. Sie suchen aneinander Halt, fühlen sich angesichts des Leides ihrer Eltern jedoch schuldig. Der Roman rührt an ein gesellschaftliches Tabu: Das Leben im Altersheim, einem Ort, an dem Schweigen und Monotonie zu ständigen Begleitern geworden sind.
Der neue Erzählband Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern verknüpft die verschiedenen Themen der Autorin: In sechs kurzen Texten erzählt sie von Menschen, deren Leben sich in einem Ausnahmezustand befindet. Das Moment der Einsamkeit ist dabei allgegenwärtig; die Zugführerin, die während einer ICE-Fahrt plötzlich ihr Gehör verliert, ist zwischen den Fahrgästen ebenso allein wie das trauernde Geschwisterpaar am Totenbett der Mutter oder der autistische Georg mit seinen überforderten Eltern. Jedes dieser „Minidramen“ (Die Welt) schildert Momentaufnahmen einer zerfallenden Normalität, hinter der die Sehnsüchte der Figuren hervorblitzen. Aus diesem Band las Annette Pehnt in Bamberg.
Patrick Roth: "Real Time an den Feuern"
Patrick Roth las aus "Real Time an den Feuern".
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Patrick Roth erschafft „erzählchoreografische Kunststücke“ (Die Zeit), die sich als wortgewaltige Erzähllandschaften vor dem Leser entfalten und ihn durch ihre intertextuelle Verwobenheit in ihren Bann ziehen. Auf den Spuren seiner Protagonisten macht sich Roth auf die Suche nach der Grenze zwischen dem Bewussten und Unterbewussten, zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Durch die Verbindung biblischer Motive mit Einflüssen des Films und der Psychoanalyse wird die metaphysische Dimension seiner Erzählwelten sichtbar. Für Aufsehen sorgte Patrick Roth erstmals mit seiner Christustrilogie, die aus den Bänden Riverside (1991), Johnny Shines oder Die Wiedererweckung der Toten (1993) und Corpus Christi (1996) besteht. Im Auftrag des Apostels Thomas befragen zwei Brüder in Riverside den Einsiedler Diastasimos, was genau sich in den Tagen vor dem letzten Abendmahl zugetragen hat. Doch die Befragung erweist sich als ein verwinkeltes und unkalkulierbares Verwirrspiel. In Johnny Shines oder Die Wiedererweckung der Toten ist der Protagonist von der Vorstellung besessen, Tote wieder zum Leben erwecken zu können. Corpus Christi schließlich befasst sich mit der Suche des Judas Thomas nach dem Leichnam Christi – die Befragung der im Grab des Gekreuzigten festgenommenen Fremden Tirzia führt jedoch zu einer für alle Beteiligten überraschenden Wende. Rex, Moss, Gary und June heißen die Protagonisten des Erzählbandes Starlite Terrace (2004). Ehemals waren sie daran beteiligt, das Triebwerk der Traumfabrik in Gang zu halten, mittlerweile wohnen sie unweit Hollywoods in einer heruntergekommenen Appartementanlage. Rex berichtet von seinem Vater, der das Hand-Double in Gary Coopers „Zwölf Uhr Mittags“ gewesen sein soll; Moss ist auf der Suche nach einem verschollenen Manuskript; Gary sehnt sich danach, durch den Glauben von seiner Schuld befreit zu werden, und June wird gegen Ende des Erzählbandes in einem Akt der Selbsttaufe regelrecht neugeboren.
In seinen Heidelberger Poetikvorlesungen, die unter dem Titel Zur Stadt am Meer (2005) erschienen sind, hebt Roth die Signifikanz nächtlicher Traumwelten als Quellen seiner schriftstellerisch-kreativen Tätigkeit hervor. In Bamberg las Patrick Roth aus einem unveröffentlichten Manuskript mit dem Titel Real Time an den Feuern.
„Am Ende von Patrick Roths Geschichten stockt einem regelrecht der Atem, und man muß sich kurz orientieren, um wieder in die eigene Haut zurückzufinden.“ (Die Zeit)
Georg Klein: "Roman unserer Kindheit"
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Sein literarisches Debüt Libidissi (1998) ist vordergründig ein Thriller: Der schizophrene Agent Spaik irrt auf der Flucht vor zwei Killern durch die fiktive Stadt »Libidissi« – ein dunkles Labyrinth, dessen Bewohner »Piddi-Piddi« sprechen und in der eine ominöse Seuche mit dem Namen »Mau« grassiert. Auf den zweiten Blick erweist sich der Roman als Spiel mit der Genrekonvention, als »sprachlich faszinierende Kreuzung aus Agentengeschichte und urbaner Utopie« (FAZ): Klein zitiert Momente des Thrillers, um sie in eigenwillige und phantastische Bilder zu übersetzen. Die Detektivgeschichte Barbar Rosa (2001) setzt das Genre-Spiel fort: Der (Anti-)Held ist ein von allergischen Ausschlägen geplagter Detektiv auf der Suche nach einem gestohlenen Geldtransporter, der sich auf die »Blödigkeit des Vorwärtsstolperns« als Ermittlungsmethode verlässt und seine Informationen aus russischen Comics bezieht. Gemäß Kleins Motto, »dass sich das kreative System selbst abbildet«, kreist diese bizarre Erzählung um das Erzählen selbst, ruft zahlreiche intertextuelle Bezüge auf, um ihren Helden zuletzt ebenfalls als Textgewebe zu enttarnen: Sein Gesicht erscheint als Maske aus »aufgeweichter, halbzerkauter Papiermasse«, auf der noch »einzelne Lettern, halbe Wörter« zu erkennen sind. Der Roman unserer Kindheit (2010), aus dem Klein in Bamberg lesen wird, erzählt von sieben Kindern in einer Siedlung am Rand Oberhausens. Vor ihnen liegt ein endloser Sommer, der mit einem Unglück beginnt: Der Ältere Bruder gerät mit seinem Fuß zwischen die Speichen eines Fahrrads und muss von seinen Freunden, dem Schniefer, dem Ami-Michi, der Schicken Sibylle, dem Wolfskopf und den Witzigen Zwillingen, in einem umgebauten Kinderwagen durch die Gegend gefahren werden. Der Roman zeichnet ein Zeitbild der frühen sechziger Jahre: Die Väter sind Kriegsheimkehrer, die Invaliden allgegenwärtig, erste Fernseher und Telefone halten Einzug in bürgerliche Wohnzimmer. Darüber hinaus überführt Klein die Kindheit in einen »düsteren, bluttriefenden Sommernachtstraum« (FAZ) und entwirft eine zeitlose, mythische Kindheitswelt. Das Dämonische brodelt dabei stets unter der Oberfläche: Ein Kommandant mit Silberplatte im Kopf taucht auf, der mysteriöse Mann ohne Gesicht kann mit den Mäusen sprechen und der taubstumme Vogelzüchter prophezeit den Kindern, dass eines von ihnen getötet werden soll …
,,Ein Geniestreich ist dieser Roman, opak, dicht, verrückt, hässlich und irre schön." (Die Zeit)
Katharina Hacker: "Alix, Anton und die anderen"
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In ihrem literarischen Debüt Tel Aviv. Eine Stadterzählung (1997) porträtiert Hacker mit großer lyrischer Kraft das Leben in der Stadt am Meer und deren in ständiger Bedrohung lebende Bewohner. Die Erzählung beobachtet die Figuren in zerbrechlichen Momenten von Angst, Einsamkeit und Trauer und fängt ihre unterschiedlichen, mitunter problematischen Lebens- und Identitätsentwürfe ein. Dabei ist der politische Hintergrund immer gegenwärtig und eng verknüpft mit dem Leben der Menschen.
Auch in ihrem Roman Der Bademeister (2000) verbindet Katharina Hacker ein persönliches Schicksal mit weltgeschichtlichen Ereignissen. Der Protagonist Hugo, 58 Jahre und von Beruf Bademeister, muss seine Arbeit aufgeben, weil sein Schwimmbad am Prentzlauer Berg kurz nach der Wende geschlossen werden soll. In einem konsequent durchgehaltenen Monolog wird Hugos Lebensgeschichte rückblickend entfaltet: Hugos Vater, ein Nationalsozialist und Mörder, hatte den Sohn einst misshandelt und zudem an der Aufnahme eines Studiums gehindert. Erst die Anstellung als Bademeister in jenem nun von der Schließung bedrohten Bad und die damit verbundene Verantwortung für das Wohl seiner Badegäste hatten Hugo Zuflucht vor den familiären Abgründen und einen neuen Lebensinhalt in Aussicht gestellt.
Der Roman Die Habenichtse(2006), mit dem die Autorin im gleichen Jahr den Deutschen Buchpreis gewann, erzählt von einer scheinbar desillusionierten und unpolitischen Generation. Erneut verschränken sich hier individuelle Biografien mit kollektiven Erinnerungsmomenten, etwa in der Figur Jakobs, der mit seinem Kollegen den Flieger tauscht und damit dem Attentat vom elften September entgeht.
Ihr aktueller Roman Alix, Anton und die anderen(2009), aus dem Katharina Hacker in Bamberg lesen wird, geht layouttechnisch neue Wege. Der in zwei Spalten abgedruckte Roman ermöglicht dem Leser zwei oft parallel verlaufende Handlungsstränge gleichzeitig zu verfolgen und stellt Gedanken und Innenwelten der einzelnen Figuren gegenüber. Jan, dessen Frau Alix und die Freunde Bernd und Anton sind um die 40 und treffen sich seit 19 Jahren jeden Sonntag zum gemeinsamen Essen bei Alix‘ Eltern. Doch die familiäre Harmonie erweist sich rasch als eine „Welt unter dem Zeichen des Todes“ (FAZ, 20.11.2009). Der Unfalltod des Sohnes, Alix‘ Bruder, der als Kleinkind im See beim heimischen Garten ertrank, überschattet das familiäre Miteinander ebenso wie die heimliche Leidenschaft des Vaters für Mai Linh, die ein vietnamesisches Restaurant besitzt, das von Kriminellen um Schutzgeld erpresst wird. So beginnt das anfängliche Idyll am Esstisch zu verblassen...
Peter Stamm: "Sieben Jahre"
Dienstag, 12. Januar 2010
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Elazar Benyoëtz
Eingezweifelt in Gott. Variationen über ein verlorenes Thema
Elazar Benyoëtz las aus seiner Dichtung und seiner Prosa.
Dienstag, 17.11.2009
In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Alttestamentliche Wissenschaften, dem Lehrstuhl für Judaistik und der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg.
Helmut Krausser: "Einsamkeit und Sex und Mitleid"
Helmut Krausser las aus seinem Roman "Einsamkeit und Sex und Mitleid".
Donnerstag, 5. November 2009
Marica Bodrožić: "Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern"
Am Mittwoch, 27. Mai 2009, las Marica Bodrožić aus "Sterne erben, Sterne färben. Meine Ankunft in Wörtern".
Die Autorin Marica Bodrožić ist mit zehn Jahren aus ihrer ersten Sprache gefallen. 1983 folgte sie ihren Eltern aus Dalmatien nach Deutschland, wo sie bis heute lebt. Über ihre „Ankunft in Wörtern“hat sie in der Edition Suhrkamp 2007 einen poetischen Bericht vorgelegt, aus dem sie in Bamberg lesen wird. In „Sterne erben, Sterne färben“ beschreibt Marica Bodrožić, wie die deutsche Sprache ihr zu einem Terrain des Wissens und des Fragens, aber auch des Träumens wurde. „Nur im Deutschen ließ es sich präzise träumen“, heißt es dort.
In ihrem Roman „Der Spieler der ersten Stunde“ (2005) und in ihrem Erzählband „Der Windsammler“ (2007) hat Marica Bodrožić zwei entgegengesetzte Reiserichtungen eingeschlagen. Im Roman wird die Kindheit der kleinen Jelena Felder aus Dalmatien erzählt, vor und während jenem Herausfallen aus der Heimat, aus der Sprache, vor dem endgültigen Eintritt in eine terra incognita. Die Erinnerung an die Heimat wird zu einem Komplizen – und zu einem Gauner. In den elf Erzählungen geht es um Versuche der Rückkehr auf die dalmatinisch-istrischen Inseln, in die magischen Räume der Kindheit, in eine manchmal fremd gewordene Wirklichkeit. „Wir wollen nur unser Geburtshaus sehen und Ferien machen“, sagt eine Figur – was für eine Untertreibung!
Martin Beyer: "Alle Wasser laufen ins Meer"
Am Dienstag, 12. Mai 2009, las Martin Beyer aus seinem Trakl-Roman "Alle Wasser laufen ins Meer".
Gäste des Abends waren SilbenMusik, Jan Burmester und DJ Platte.
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Thomas Hettche: "Woraus wir gemacht sind"
Am Mittwoch, 29. April 2009, 20 Uhr, liest Thomas Hettche aus "Woraus wir gemacht sind". Die Veranstaltung findet im Hörsaal U2/025 um 20 Uhr s.t. statt.
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Thorsten Palzhoff
Am Donnerstag, 15. Januar 2008, 20 Uhr s.t. liest Thorsten Palzhoff im Rahmen der Reihe Literatur in der Universität. Veranstaltungsort ist der Raum U5/024.
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Albert Ostermaier
Am Mittwoch, 28. Mai 2008, 20 Uhr liest Albert Ostermaier im Rahmen der Reihe Literatur in der Universität. Veranstaltungsort ist der Raum U7/105.
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Alain Claude Sulzer
Am Mittwoch, 14. Mai 2008, 20 Uhr liest Alain Claude Sulzer im Rahmen der Reihe Literatur in der Universität. Veranstaltungsort ist der Raum U5/024.
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Martin Walser: "Ein liebender Mann"
Mittwoch, 16. April 2008, 20 Uhr s.t. liest Martin Walser aus seinem neuen Buch
Ein liebender Mann
in der Aula der Universität Bamberg, Dominikanerstr. 2a.
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Christof Hamann
Am Mittwoch, 23. Januar 2008 findet von 20 Uhr s.t. im Hörsaal U5/024 (An der Universität 5) eine Lesung im Rahmen der Reihe "Literatur in der Universität" mit Christof Hamann statt.
John von Düffel: "Beste Jahre"
Am Dienstag, den 4.12.2007 findet von 20:00 - 22:00 Uhr in der U7/105 eine Lesung im Rahmen der Reihe "Literatur in der Universität" mit John von Düffel statt. Der Autor wird aus seinem Roman "Beste Jahre" lesen.
Ein Videobeitrag des Fränkischen Tags zur Lesung mit John von Düffel steht hier(27.9 MB) zum Download bereit.
Franziska Gerstenberg
Am Mittwoch, den 14.11.2007 findet von 20:00 - 22:00 Uhr in der U5/024 eine Lesung mit Franziska Gerstenberg statt.
Den Nachbericht zur Lesung finden Sie <link kommunikation news kultur artikel solche-ges extern>hier.
Annette Pehnt: "Haus der Schildkröten"
Am Donnerstag, den 18. Januar 2007, liest Annette Pehnt um 20 Uhr s.t. im Hörsaal 1, An der Universität 2 (U2/ 025), aus ihrem Roman "Haus der Schildkröten" (2006).
Bild: Claudia Feldtenzer
Thomas Lang: "Am Seil"
Am Dienstag, 5.12.2006, um 20 Uhr s.t. im Raum U5/ 024 liest Thomas Lang aus seinem Roman "Am Seil".
Julia Schoch
Mittwoch, 31, Mai 2006
20.00 Uhr s.t.
Hörsaal U7/105 (An der Universität 7)
Rainer Merkel: "Das Gefühl am Morgen "
Dienstag, 9. Mai 2006, 20.00 Uhr, Villa Concordia
im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Die Literaturlandschaften Bayerns“
„Seine Prosa ist eine spröde Schöne“ (Der Tagesspiegel), war in einer von vielen guten Kritiken zu Rainer Merkels zuletzt erschienenem Buch Das Gefühl am Morgen (2005) zu lesen. Mit großer sprachlicher Dichte und sensibler Beobachtungsgabe entwirft der Roman die diffuse Welt von Lukas, der in den späten 1980er Jahren, als die Mauer noch steht und der Reaktor von Tschernobyl explodiert, in West-Berlin Laura liebt, nach einer glücklichen Sexualität sucht und endlich erwachsen werden will. Im Weg steht ihm dabei vor allem sein narzisstischer Vater – Sexualtherapeut und zwanghaft liberaler 68er. Die Mutter lebt in den USA ein Aussteigerleben. – Lukas ist ein kaputtes Kind der 68er-Generation: beziehungsunfähig, kalt, das Übergängige und Diffuse seines Lebens leid. Wenn Rainer Merkel, der Stipendiat im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia war, im Mai 2006 auf Einladung des Künstlerhauses und des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg für eine Lesung im Rahmen der „Literaturlandschaften Bayerns“ in die Villa Concordia zurückkehrt, wird er Lukas und sein Leben vorstellen.
Egon Schwarz: "Unfreiwillige Wanderjahre"
Egon Schwarz
liest aus seiner Autobiographie
„Unfreiwillige Wanderjahre“
Mittwoch, 23. November 2005, 20.00 Uhr
im Hörsaal U5/024 (An der Universität 5)
Egon Schwarz, heute einer der renommiertesten Germanisten der USA, wurde 1938 als Sechzehnjähriger von den Nazis aus Österreich vertrieben. Jahrelang reiste er durch die Welt, sich mit Nebenjobs über Wasser haltend, bis er sich seinen Lebenswunsch erfüllen und studieren konnte.
Seine Biographie ist dieses Jahr als Taschenbuch im Beck Verlag mit einem Nachwort von Uwe Timm erschienen.
Ingo Schulze: "Neue Leben"
15. November 2005
Lesung von Ingo Schulze aus seinem Roman “Neue Leben”
in der Reihe “Literatur in der Universität”
Zeit und Ort: 20 Uhr, U7/105
Norbert Gstrein
12. Juli 2005
Autorenlesung von Norbert Gstrein
Gstreins literarisches Debüt „Einer“ erregte mit einem Schlag Aufsehen um den österreichischen Autor und wurde in der Presse als vielversprechend gelobt. Schon diese Erzählung weist für Gstreins erzählerisches Werk charakteristische Aspekte in Stoff und Sprache auf. Ein Einzelner wird hier in den eng gezogenen Grenzen einer Gemeinschaft zum Isolierten, zum Außenseiter; gleichzeitig wird die Frage behandelt, wie sich Identität erst aus den Mechanismen der (Nicht)Dazugehörigkeit definiert und aus diesem Grund als ein anzweifelbares Konstrukt betrachtet werden muss.
Als 2003 der Roman „Das Handwerk des Tötens“ erschien, wurde der Vorwurf gegenüber Norbert Gstrein erhoben, er habe sich unzuverlässigerweise des Lebens Gabriel Grüners bemächtigt. Nicht nur die dem Buch vorangestellte Widmung „Zur Erinnerung an Gabriel Grüner (1963-1999), über dessen Leben und Tod ich zu wenig weiß, als dass ich davon erzählen könnte“, ließ zahlreiche Rezensenten auf einen Schlüsselroman schließen. Der Roman erzählt zudem die Geschichte eines – so wie Grüner – im Kosovo getöteten Journalisten. Gstrein möchte sein Buch jedoch nicht als reale Biographie gelesen sehen: „Einerseits lag das Thema vor der Tür, andererseits gab es einen Auslöser, den ich erwähne und dann gleich wieder beschweige, damit das Buch nicht als Schlüsseltext gelesen wird,“ betont er. Auf die darauffolgende Debatte und Anschuldigungen antwortete Gstrein mit dem Essay „Wem gehört eine Geschichte?“. Diese Frage führt ihn weiter zu der Überlegung, in welcher Form das Schreiben über Krieg heute überhaupt noch möglich ist.
Sibylle Lewitscharoff: "Totengespräche"
24. Mai 2005
Sibylle Lewitscharoff liest aus "Totengespräche"
"Schnee. Eine ganze Stadt erstickt in Sauberkeit. Die Autos ersticken, der Lärm erstickt. Mitunter ein Keilriemen, der quietscht. Eisblumen am Fenster. Hauben auf den Simsen. Schnee füllt gnädig alle Löcher. Die Vorstadt verschwindet unter einem Sargtuch. Gott wandert über die schneebedeckten Dächer. Gott hat mich lieb, dachte ich als Kind, sobald die ersten Flocken fielen. Er deckte meine Wimpern mit zarten Kristallen und versprach, mich in unberührten Schnee zu stoßen, wenn meine Zeit gekommen wäre."
Thomas Meinecke: "Musik"
Lesung: Thomas Meinecke liest aus seinem Buch "Musik"
Veranstalter: Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft zusammen mit dem Lehrstuhl für Britische Kultur
9. Dezember 2004, 20:00 Uhr, neuer Hörsaal in der U7
Christof Hamann: "Seegfrörne" und "Fester"
Christof Hamann liest aus seinen Romanen
„Seegfrörne“ und „Fester“
am Freitag, 14. Mai 2004, 20.00 Uhr
im Hörsaal U5/024 (An der Universität 5).
Bislang hat Hamann – neben verschiedenen Kurztexten und wissenschaftlichen Publikationen – zwei Romane veröffentlicht: Seegfrörne (2001) und Fester (2003). Besonders das „gelungene Debüt“ – so Tilman Spreckelsen am 04.12.2001 in der FAZ – fand in den Feuilletons Beachtung: Seegfrörne sei, so urteilt beispielsweise die Süddeutsche am 26. 11. 2001, „ein eisglattes, nach allen Regeln der Literaturwerkstatt kunstreich konstruiertes Prosastück“.
Matthias Politycki
Matthias Politycki liest Prosa und Gedichte
Dienstag, 13. Januar 2004, 20.00 Uhr im Hörsaal U5/024 (An der Universität 5)
Über Matthias Polityckis jüngsten Gedichtband Ratschlag zum Verzehr der Seidenraupe (2003) schreibt Peter Rühmkorff: „Bin von einem Entzücken ins andere geraten und habe mich durch allerhand Tiefsinn hindurchgelacht.“
Ralf Rothmann: "Junges Licht"
Lesung: Ralf Rothmann liest aus seinem Buch "Junges Licht"
in der Reihe “Literatur in der Universität”
Veranstalter: Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft
26. November, 20:00 Uhr, neuer Hörssal in der U7
Klaus Böldl: "Die fernen Inseln"
Lesung: Klaus Böldl liest aus seinem Buch "Die fernen Inseln"
in der Reihe "Literatur in der Universität"
Veranstalter: Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft
3. November, 20:00 Uhr, U5/024 – Hörsaal, An der Universität 5