Lehrkompetenz plus
Ein Praktikum voller Herausforderungen, Überraschungen und immer wieder Döner(röschen)
Ein Erfahrungsbericht von Bianca König
(Lehramt MS Deutsch, Deutsch als Zweitsprache, Arbeitslehre und Kunst)
„Ich muss mich hier in Klein-Istanbul integrieren, Alta!“, sagte Schnauze. „Hasdus nicht Glotze gehört? Integration is‘ voll wichtig!“ – so eine der vielen Lebensweisheiten von Schnauze, eine der Figuren des Jugendromans „Dönerröschen“ von Jaromir Konecny.
Nicht gerade ein Roman, den man spontan für das Praktikum in einer 8. Klasse einer Mittelschule auswählen würde. Wir haben es aber getan und nicht bereut.
Zu Beginn unseres Praktikums standen fünf Kommilitonen und ich vor der Qual der Wahl. Welches Buch sollen wir in unserem Praktikum behandeln? Es sollte möglichst originell sein, die Jungs und die Mädchen in der Klasse ansprechen und es sollte anders sein. Hipp, jung und frech. Mit Hilfe einer Buchexpertin aus der Colibri- Buchhandlung wurden wir fündig und ein Buch stach unter all den anderen hervor - Dönerröschen. Wir stellten uns der Herausforderung und erarbeiteten stets gemeinsam die Inhalte der Unterrichtsstunden.
Im Seminar besprachen wir detailliert, welche deutschdidaktischen Zielsetzungen wir mit den jeweiligen Kapitel verknüpfen könnten. Woche für Woche staunten wir, welches didaktische Potential der Jugendroman „Dönerröschen“, den wir hauptsächlich gewählt hatten, um die Schülerinnen und Schüler zum Lesen zu motivieren, verbarg. Zu Beginn behandelten wir die Rolle der Sprache im Buch. Warum redet Schnauze wie er redet? Weil er es nicht besser kann? Oder gibt es da vielleicht noch andere Gründe? Schnell gerieten zunächst wir Studierenden, später im Unterricht auch die Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch und diskutierten die Bedeutung von Jugend- bzw. Umgangssprache. Die Diskussion war umso spannender, als dass viele der Schüler durchaus mit dem Sprachduktus von Schnauze vertraut waren…..
Bald darauf folgte in einer Unterrichtseinheit die Mannequin-Challenge. Die Jugendlichen sollten dabei eine Schlüsselszene aus dem Buch nachstellen. Ähnlich wie bei einem Standbild dürfen die Darsteller sich nicht bewegen, nicht blinzeln, nicht grinsen und keinen Ton von sich geben. Das Besondere der Mannequin-Challenge ist jedoch die Aufnahme mit einer Kamera, die die gesamte Szene in einer 360 °- Umsicht einfängt. Auf diese Weise hatten die Schülerinnen und Schüler die Chance, ihre eigene Darstellung noch einemal in Ruhe zu betrachten zu reflektieren und durch ein hinzugefügtes Tondokument – in Form eines inneren Monologs des Protagonisten – zu kommentieren.
Um den roten Faden unserer Arbeit an der Lektüre des Jugendromans aufzuzeigen, erstellten wir gemeinsam mit den Jugendlichen Facebookprofile zu den Charakteren aus dem Buch. Wir bezogen uns in den darauf folgenden Wochen immer wieder darauf. Posts und Fotos wurden mit der Zeit immer wieder aktualisiert und auch stundenrelevante Themen wurden gepostet. So entstand zum Ende des Praktikums eine Personencharakteristik, welche in den öffentlichen Profilen online gestellt wurde. Kreativ wurden die Schüler, indem sie drei der Hauptcharaktere zeichneten, diese fotografierten und als Facebook-Profilbild hochluden. Wir bauten in unseren Unterrichtssequenzen auch Methoden wie Gruppenarbeit, Gallery Walk und das klassische Unterrichtsgespräch ein. Dadurch, dass wir mit Frau Bismarck und unserer Praktikumslehrkraft ein starkes Team im Rücken hatten, konnten wir uns trauen, Sachen auszuprobieren und Methoden zu erforschen, an die wir uns nie heran gewagt hätten. So ergab es sich, dass zum Ende des Praktikums ein Höhepunkt angekündigt werden sollte. Ich schrieb auf gut Glück den Autor des Buches, Jaromir Konecny, an und fragte bei ihm nach, ob er sich vorstellen könne nach Bamberg zu kommen. Er willigte ein, sich den Fragen der Schüler über sein Buch zu stellen und besuchte uns an unserem letzten Praktikumstag an der Schule…
Dieses Praktikum zeigte mir persönlich, dass man gewohnte/erlernte Strukturen aufbrechen kann und dass man, wenn man den Weg des Gewohnten verlässt, auf wunderbare Dinge stoßen kann. Denn wir sechs Studierenden merkten auch, dass es den Schülerinnen und Schülern der achten Klasse Spaß machte, etwas unkonventioneller an das Buch heran zu gehen und neue Wege zu beschreiten. Natürlich bedeutete es für uns ein gewisses Maß an Mehraufwand und Engagement, dadurch lernte aber vor allem ich, dass ich mich als Perfektionist manchmal hinten anstellen muss. Man weiß vorher nie, wie die Schüler die Methode und das Thema aufnehmen und manchmal entstehen Sachen, die man sich nie zu träumen gewagt hätte. Nicolai Fleischmann und ich hielten eine Stunde zum Thema Liebe. Woran erkennt man, dass jemand verliebt ist und wie schreibt man eigentlich ein Liebeslied? Die Jugendlichen blühten in dieser Stunde regelrecht auf und herausgekommen ist ein Liebeslied, welches an eines der Band Kraftklub erinnert, welches „Kein Liebeslied“ heißt. Wir trauen den Schülern oftmals zu wenig zu. Gibt man ihnen die Möglichkeit, blühen einige dieser Schüler auf und man merkt schnell, dass sich in der Klasse einige Dieter Bohlen und Ivonne Caterfelds verstecken. Deswegen kann ich euch nur raten, seid mutig, traut euch von eurem vermeintlich „richtigen“ Weg abzuweichen und auch mal neue Dinge auszuprobieren. Sowohl ihr, als auch die Schüler werden es euch danken.
Ein besonders großes Dankeschön möchten wir Frau Dr. Kristina Bismarck und Frau Claudia Röthel entrichten, welche uns bestärkten über unseren Schatten zu springen und vertraute Pfade zu verlassen, um mutig und forsch an eine interessante und lebensweltbezogene Unterrichtsgestaltung zu gehen.
Ein extra Dankeschön gilt hier auch dem wunderbaren Autor Jaromir Konecny, welcher sich bereit erklärte, von München nach Bamberg zu reisen und dort ein Gespräch über sein Werk „Dönerröschen“ mit den Schülerinnen und Schülern der achten Klasse der Mittelschule Am Heidelsteig zu führen.