Geographien von Familien und lebenslaufgerechtes Wohnen
In Oberfranken werden die Auswirkungen des demographischen Wandels für die ländlichen Räume angesichts der Bevölkerungsprognosen intensiv diskutiert. Im Kontext der gleichzeitig geführten Debatte über die grundgesetzlich geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 GG / § 1 Nr. 2 ROG) möchten viele ländliche Gemeinden ‚gute kleine Städte‘ sein, indem sie vermeintliche Standortvorteile von Städten zu kopieren versuchen.
Vor diesem Hintergrund werden ländliche Räume oftmals als defizitärer Gegenpart von Städten definiert; daraus entsteht eine meist starke Vernachlässigung der Vorzüge und Stärken gerade dieser ländlichen Kommunen. Es gerät häufig in Vergessenheit, dass „die Mehrheit derer, die in eher ländlich geprägten Gebieten Deutschlands wohnen, genau dort wohnen zu wollen [scheinen]“ (Vogt et al. 2015: 60).
Bei der Diskussion über den demografischen Wandel wird sehr oft besonders Familienfreundlichkeit als zentraler Standortfaktor für die Gemeinden herausgestellt. Auch die Demographiestrategie der Deutschen Bundesregierung betont die Familie als besondere Gemeinschaft und nimmt den Staat in die Pflicht, auf allen Ebenen mit konkreten Maßnahmen die Lebenssituation dieser Zielgruppe zu verbessern. Daher unternehmen viele Kommunen bereits zahlreiche Anstrengungen, um familienfreundlich zu sein.
Das Projekt beschäftigt sich mit der Familienfreundlichkeit von Kommunen im Landkreis Bamberg. Mit Unterstützung des Landratsamts Bamberg und des Instituts für Entwicklungsforschung im ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens e.V. wird im Rahmen eines Forschungsseminars des Masterstudiengangs der Sozial- und Bevölkerungsgeographie am Institut für Geographie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und unter der Leitung von Dr. Matthias Lahr-Kurten die Zufriedenheit von Familien in insgesamt neun Gemeinden des Landkreises Bamberg untersucht: Bischberg, Gundelsheim, Hallstadt, Hirschaid, Königsfeld, Lisberg, Memmelsdorf, Oberhaid und Reckendorf.
In den vergangenen Jahren wurde zunehmend Forschung zu den einzelnen Themen Familie, Wohnen und ländlicher Raum durchgeführt. Allerdings besteht Forschungsbedarf, diese Themen in ihrer Kombination zu betrachten und hierbei detaillierter auf die lokalen Situationen zu fokussieren, im Rahmen einer Methodentriangulation sowohl quantitative als auch qualitative Dimensionen zu berücksichtigen und konkrete Handlungsempfehlungen auf der Landkreis- und Gemeindeebene zum Ziel zu haben. Die Region Oberfranken ist als Raum mit sehr ausgeprägten demographischen Herausforderungen aus einer solchen Perspektive bisher gänzlich unbearbeitet.
Im Mittelpunkt der Studie steht die leitende Forschungsfrage, wie zufrieden Familien im Landkreis Bamberg mit dem Leben in ihren ländlichen Gemeinden sind. Aus dieser Leitfrage ergeben sich folgende untergeordnete Fragestellungen:
- Welche Stärken und Schwächen hat die Gemeinde aus Perspektive der dort wohnenden Familien? Welche Bedürfnisse haben Familien? Welche hiervon werden erfüllt, welche nicht?
- Welche Handlungsstrategien verfolgen die Verantwortlichen vor Ort bzw. welche haben Sie bisher verfolgt, um ihre Kommune familienfreundlich zu gestalten? Wie beurteilen sie diese Strategien gegenwärtig? Welche best-practice-Beispiele existieren?
An der Studie sind 26 Studierende beteiligt, die mit qualitativen und quantitativen Zugängen das Leben in den Gemeinden in den Blick nehmen. Im Rahmen von Gruppendiskussionen mit Familien, Experteninterviews, Jugendworkshops und einer Fragebogenerhebung sollen vor allem die Spezifika des Lebens in ländlichen Gemeinden untersucht werden, um herauszufinden, welche Stärken und Schwächen der Standort aus der Perspektive der Familien besitzt, die in diesen Gemeinden wohnen, welche Bedürfnisse sie als Familie haben und inwiefern sie diese erfüllen können. Zudem werden die Verantwortlichen – hier besonders die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Familien-, Jugend- und Seniorenbeauftragten – vor Ort interviewt, um herauszuarbeiten, welche Handlungsstrategien verfolgt werden oder in der Vergangenheit schon verfolgt wurden und wie die Verantwortlichen diese aktuell bewerten. Ziel der Studie ist es, den Verantwortlichen in den Gemeinden lokal angepasste Handlungsempfehlungen zu geben.