Ländliche Lebensverhältnisse und lokale Kultur
Der Arbeitsschwerpunkt adressiert Fragen, die sich v.a. auf die Entwicklung, aktuellen Herausforderungen und Zukünfte ländlicher Lebensverhältnisse im weltgesellschaftlichen Gefüge und vor dem Hintergrund aktueller Transformationsprozesse (z.B. Klimawandel, Nachhaltigkeit) beziehen. Dabei interessiert uns die Bedeutung lokaler Identität und lokaler Kulturen oder die Vielfalt zivilgesellschaftlichen Engagements, die Ausdruck heterogener oder komplexer ländlicher Räume sind (Redepenning 2009). Gerade bei Vereinen in ländlichen Räumen kann gesehen werden, dass sie breite Plattformen zivilgesellschaftlichen Engagements sind und sie als „Dach“ für zahlreiche informelle ehrenamtliche Tätigkeiten und Projekte dienen, die nur wenig mit dem engeren Vereinszweck zu tun haben, aber für die Vielfalt dörflichen Lebens wichtig sind und auch die spezifische Eigenlogik einer jeden Gemeinde widerspiegeln.
Spezifische Qualitäten des Lebens vor Ort werden aus thematisch breiten Perspektiven ergründet sowie Risiken und Chancen für vor allem ländliche Gemeinden erarbeitet. Wichtig sind dabei für uns alltägliche Orte, die als Treffpunkte hohe Qualität aufweisen, wie etwa auch: Wirtshäuser, die wir als multifunktionale places of encounter sehen.
Dabei spielen auch Fragen nach der „Verschmelzung“ von Stadt und Land eine wichtige Rolle. Das Verhältnis von Stadt und Land ist aufgrund der fortschreitenden Urbanisierung, demographischen und sozialstrukturellen Wandlungsprozessen sowie einer wachsenden Mobilität und Digitalisierung tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Zugleich kann man erkennen, dass Rurbanität als Raumsemantik in Städten Einzug hält und sich als zentrale Komponente für Stadtgrün etabliert.
All diese Veränderungen finden räumlich jedoch ungleich statt: Während einerseits ein neuer Sozialraum der gegenseitigen Verknüpfung von Stadt und Land (suburbane Wohngebiete, Praktiken urbanen Gärtnerns, Wohnen in der Stadt mit Zweitwohnsitz auf dem Land, Land-Stadt Pendlerbewegungen) mit oftmals prosperierenden, häufig zentrumsnahen ländlichen Regionen entsteht, lässt sich andererseits die wachsende Peripherisierung und Entleerung von Regionen feststellen als Konsequenzen mehrerer demographischer Wandel feststellen; diese wird am Beispiel der Problematik des Leerstands in vielen Orten deutlich. Darauf entstehen neue und komplexe Mosaike von Räumen der Beschleunigung und Entschleunigung, des Reichtums und der Armut, von Zentrum und Peripherie: Mosaike, die sich immer in den Lebensverhältnissen und Lebensentwürfen lokaler Kulturen widerspiegelt.
Ausgewählte Publikationen zum Forschungsfeld
Erhard, A./Redepenning, M. (2024): Säulen und Dächer des Engagements in ländlichen Räumen – zum Zusammenspiel von stärker formalisiertem und weniger formalisiertem Engagement. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 1/2024. (zum Druck angenommen.)
Redepenning, M. (2024): Lokale Kultur, ländliche Entwicklung und die Relevanz von Offenheit und Geschlossenheit. Empirische Hinweise für kulturelle Bildung in ländlichen Räumen. In: Hammer, V. (Hrsg.) (2024): Demokratie Lernen im ländlichen Raum. Die Relevanz der Volkshochschulen – Exemplarische Bezüge. Beltz. (zum Druck angenommen.)
Redepenning, M. (2023): Raumbilder - Identität – Engagement: vom Zusammenhang dreier Begriffe für die ländliche Entwicklung. In: Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR)/Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg (ALR): Das neue Bild vom Land. Raumwissen und Perspektiven für die Transformation ländlicher Räume. Stuttgart. 44-49.
Franz, J./Scheunpflug, A./Kühn, C./Keldenich, V./Redepenning, M./Alzheimer, H. (2022): Kulturelle Bildung als kontingente Form der Tradierung? Zur Bedeutung der Tradierung von Kultur in ländlichen Räumen. In: Kolleck, N./Büdel, M./Nolting, J. (Hrsg.): Forschung zu kultureller Bildung in ländlichen Räumen. Methoden, Theorien und erste Befunde. Weinheim, Basel: Beltz Juventa: 23-40.
Redepenning, M. (2021): Das gute Leben auf dem Land – oder in der Stadt? Raumsemantiken im Kontext von Urbanität, Ruralität und Rurbanität. In: Nell, W./Weiland, M. (Hrsg.): Gutes Leben auf dem Land. Bielefeld: transcript: 575-592
Keech, D./Redepenning, M. (2020): Culturalisation and urban horticulture in two World Heritage Cities. In: Food, Culture & Society 23 (3): 315-333. (DOI 10.1080/15528014.2020.1740142)
Redepenning, M./Singer, R. (2019): Raumbezogene Gerechtigkeit als zentrales Element ländlicher Entwicklung: Ein kritischer Blick auf Nancy Frasers Figurationen von Gerechtigkeit aus raumsensibler Perspektive. In: Mießner, M./Naumann, M. (Hrsg.): Kritische Geographien ländlicher Entwicklung. Globale Transformationen und lokale Herausforderungen. Münster: Westfälisches Dampfboot: 58-72. [Spatial justice as elementary item in rural development. A critical appraisal of Nancy Fraser’s figuration of justice.]
Redepenning, M./Scholl, S. (2016): Bierkeller und Brauereien im Bamberger Land. Eine sozial- und kulturgeographische Untersuchung zur kulturellen Bedeutsamkeit, zu Regionalität und Netzwerken. Bamberg.
Redepenning, M. (2013): Neue Ländlichkeit. In: Gebhardt, H./Glaser, R./Lentz, S. (Hg.) (2012): Europa – eine Geographie. Berlin, Heidelberg: 412-414.
Redepenning, M. (2013): Varianten raumbezogener sozialer Gerechtigkeit. Ein sozialgeographischer Versuch über das Verhältnis von Raum und Gerechtigkeit und ein Nachdenken über die Frage „Was soll wo sein?“. In: Ethik und Gesellschaft 1/2013: Der »spatial turn« der sozialen Gerechtigkeit: 1-28.
Redepenning, M. (2012): ‘The Elephant is part of us and our village’: Reflections on memories, strange geographies and (non-)spatial objects. In: Jones, O./Garde-Hansen, J. (eds.): Geography and Memory: Explorations in identity, place and becoming. New York, Houndmills: Palgrave Macmillan: 124-138.
Schneider, A./Redepenning, M. (2011): Ländlichkeit und räumliche (Im)Mobilität. Bemerkungen zur Funktion raumbezogener Figuren aus geographischer Sicht. In: Land-Berichte. Sozialwissenschaftliches Journal 14 (3): 10-27.
Redepenning, M. (2009): Die Komplexität des Landes – neue Bedeutungen des Ländlichen im Zuge der Counterurbanisierung. In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 57 (2): 46-56.