Porträt der Professorin Rahm

▼ Professorin Dr. Sibylle Rahm (ehem. Beetz) [2001]

Vertretung am Lehrstuhl für Schulpädagogik

\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG

\\ INTERVIEW VON 2001

 

"Frauen haben sich ihre Rechte auf Bildung und Positionierung im universitären Bereich hart erkämpft und insofern blicken wir als Frauen gemeinsam auf eine Kampfgeschichte zurück."


Könnten Sie uns bitte kurz Ihre berufliche Laufbahn vorstellen?

Ich habe in Heidelberg und Freiburg Germanistik, Romanistik und Erziehungswissenschaften für das Lehramt an Gymnasien studiert. In Baden-Württemberg leistete ich auch meine Refendariatszeit ab. Dann ging ich zurück in meine Heimatstadt Bremen, wo ich als Studienrätin in der Sekundarstufe I und in der Oberstufe unterrichtete. 1993 promovierte ich zum Thema „Belastungserleben im LehrerInnenberuf“, d.h. ich untersuchte, wie PädagogInnen ihren Alltag erleben und welche Hintergründe sich für dieses Belastungserleben herausarbeiten lassen. Meine Promotion bedeutete für mich den Ausstieg aus meiner Tätigkeit als Lehrerin. Nach meiner Promotion bekam ich Habilitationsstipendien und befaßte mich mit dem Thema „Autonome Schule“. 1997 wurde meine Habilitation abgeschlossen. Im Anschluß daran übernahm ich zwei Jahre lang eine Lehrstuhlvertretung in Frankfurt und kam zum Sommersemester 2000 nach Bamberg an den Lehrstuhl Schulpädagogik.

Erhielten Sie während der Studienzeit bzw. in Ihrer beruflichen Laufbahn Unterstützung?

In meiner Studienzeit wurde ich finanziell von meinen Eltern unterstützt und arbeitete nebenbei. Für meine Habilitation bekam ich frauenspezifische Stipendien der Universität Bremen, welche mir eine große Hilfe waren, da es wichtig ist, sich während dieser Zeit voll und ganz auf die Habilitation zu konzentrieren.

Wie kamen Sie auf die „Idee“, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?

Auf mich wirkte die Universität schon immer faszinierend. Die Promotion hatte ich deshalb schon relativ bald mit im Blick. Meine Hausarbeit für das erste Staatsexamen ließ ich mir beispielsweise auch als Magisterarbeit anerkennen. Hier war mir eigentlich schon klar, daß ich mehr wollte, als nur die „normale Lehrerinnenlaufbahn“ zu durchlaufen. Ich hatte ein verstärktes Interesse an der Theoretisierung von Zusammenhängen und an Forschungsprojekten entwickelt. Die „Idee“, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, war also immer schon da, konnte nur anfangs wegen meiner Tätigkeit als Lehrerin nicht realisiert werden. Die Promotion war für mich also ein Heraustreten aus der Praxis und gleichzeitig die Systematisierung und Theoretisierung der Zusammenhänge der Lehrerarbeit.

Gab es für Sie Vorbilder oder Menschen, die Sie in Ihrem Vorhaben bestärkt haben?

Bestärkt haben mich natürlich meine beiden Doktorväter Prof. Dr. Leo Roth und Prof. Dr. Hans- Georg Schönwälder aus Bremen und später Prof. Dr. Oelkers, der damals noch in Bern arbeitete. Sie förderten und unterstützten mich in jeglicher Hinsicht. Echte „Vorbilder“ hatte ich nicht. Ich bin der Meinung, jede(r) ist ein einmaliger Entwurf und muß seine (ihre) Potentiale nutzen und fördern, was in ihm (ihr) steckt.

Könnten Sie bitte kurz Ihren Forschungsschwerpunkt vorstellen?

Ich bin Expertin für Schulentwicklungsfragen, d.h. ich habe mich mit meiner Habilitation im Feld der Schulentwicklungsdebatte profiliert. Ich habe die historischen Argumentationsstränge, die zum Modell der autonomen Einzelschule führen, herausgearbeitet und gezeigt, wie die aktuelle Diskussion mit historischen Anliegen an Schule und anstehende Reformen verknüpft ist. Von diesem zentralen Schwerpunkt kann man eigentlich alle meine weiteren Forschungsaktivitäten ableiten. In meinen Sondierungen geht es vor allem um die Frage, wie man das Konzept der autonomen Schule weiterentwickeln kann und welche Konsequenzen sich daraus auf verschiedenen Gebieten ergeben. In diesem Zusammenhang interessiert mich in letzter Zeit besonders, wie im europäischen Ausland Schulentwicklung betrieben wird. Aus diesen vergleichenden Studien verspreche ich mir Anregungen für unsere hiesige Diskussion. Darüber hinaus begleite ich Schulprojekte vor Ort.

Was finden Sie reizvoll an Ihrem Beruf und an Ihrem Fach?

Mein Forschungsthema stellt auch ein zentrales Thema in meinem Leben dar. Als Hochschullehrerin ist es schlecht möglich, Berufliches und Privates zu trennen. Man ist permanent in Auseinandersetzung mit seinen Entwicklungsperspektiven. Besonders reizvoll finde ich zwei Dinge: Ich lese und schreibe sehr gerne und gehe Themen gerne auf den Grund, der Bereich der Forschung ist für mich also sehr spannend. Man hat Phasen der Vertiefung in ein Thema, die mir sehr viel bringen. Auf der anderen Seite liebe ich die Arbeit mit den Studierenden, v.a. dann, wenn sich Diskussionen in Seminaren spannend entwickeln und ich merke, daß ich mit den Studierenden in einen Prozeß der Auseinandersetzung treten kann, in dem wir tragende kommunikative Strukturen entwickeln. Dieser Austauschprozeß ist meiner Meinung nach für beide Seiten sehr wichtig. Wenn darüberhinaus auch noch Kooperation mit KollegInnen gelingt, ist das ein zusätzliches Geschenk.

Ließ sich Ihr Beruf mit familiären Plänen in Einklang bringen?

Bisher ließ sich mein Beruf ganz gut mit meinen familiären Plänen in Einklang bringen. Ich habe vier Kinder, der älteste ist sechzehn und meine Drillinge - alles Jungen - sind jetzt zwölf Jahre alt. Als meine Kinder kleiner waren, habe ich zuerst promoviert und mich dann habilitiert. In dieser Phase konnte ich viel zu Hause arbeiten, war also für meine Kinder präsent, während mein Partner außer Haus gearbeitet hat. Ich habe eigentlich immer versucht, berufliche und familiäre Pläne aufeinander abzustimmen. Daß das manchmal nicht so harmoniert, wie man es sich wünscht, ist klar.

Hatten Sie bzw. haben Sie das Gefühl, daß Sie im Gegensatz zu Ihren männlichen Kollegen mehr leisten mußten bzw. müssen, um die gleiche Anerkennung zu bekommen?

Die Position, daß dem so ist, ist mir geläufig; sie ist auch historisch begründet. Ich arbeite jedoch nicht in dem ständigen Bewußtsein, mich mit Männern vergleichen zu müssen. Ich erledige die Arbeiten, die anstehen. Andererseits möchte ich aus aus meinen Erfahrungen heraus anmerken, daß Universitäten intrigante Felder sind. Möglicherweise haben Frauen aufgrund ihrer Sozialisation und aufgrund der historischen Erfahrungsspuren größere Schwierigkeiten als Männer, mit Fraktionierungen umzugehen. Frauen werden oft stärker von Harmoniebedürfnissen getragen, verfügen aber auch über eine hohe kommunikative Kompetenz. Das verleiht ihnen wiederum eine große Stärke.

Sehen Sie Probleme darin, daß der Anteil der Professorinnen an Universitäten so gering ist?

Frauen haben sich ihre Rechte auf Bildung und Positionierung im universitären Bereich hart erkämpft und insofern blicken wir als Frauen gemeinsam auf eine Kampfgeschichte zurück. Die derzeitige prozentuale Verteilung von Frauen und Männern an Universitäten ist ein Niederschlag historischer Konstellationen. Ich denke, daß sich diese Situation ändern wird, wenn Frauen auch weiterhin beharrlich ihren Weg verfolgen und sich solidarisieren. Diese Frage wird sich also durch den zukünftigen Vollzug von selbst beantworten.

Was würden Sie Studentinnen raten, die sich für eine wissenschaftliche Tätigkeit interessieren?

Ich versuche, den Studierenden zu verdeutlichen, daß es wichtig ist, ein echtes Interesse zu entwickeln. In dieser Frage sollten Studierende an den Universitäten möglichst wenig Kompromisse eingehen. Das wirkliche Interesse, das sie entwickelt haben, sollten sie auch gut verteidigen. Es wird sich gegen alle Widerstände, auch geschlechterspezifischer Art, durchsetzen. Insofern würde ich Studentinnen raten, ihr wissenschaftliches Interesse zu pflegen.

Gibt es etwas, das Sie an den Lehrveranstaltungen stört bzw. worüber ärgern Sie sich bei den Studierenden? Können Sie hierbei Unterschiede zu Ihrer eigenen Studienzeit erkennen?

Es gibt hier ein strukturelles Problem bezüglich der Erziehungswissenschaften und der Frage, ob in diesem Fach mehr Leistungen gezeigt werden müssen. Der Anteil der erziehungswissenschaftlichen Pflichtstunden ist in Bayern verhältnismäßig gering. Ich möchte mich dafür aussprechen, daß Lehramtsstudierende, vor allem für Gymnasien, sich stärker den Erziehungswissenschaften zuwenden. Ob man dies nur durch strengere Verordnungen und höhere Auflagen erreichen kann, ist eine andere Frage. Mir fällt jedenfalls auf, daß hier verhältnismäßig wenig studiert wird, besonders im Bereich der Schulpädagogik. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, daß zwar bestimmte Leistungen erbracht werden müssen, aber keine festgelegte Anzahl von Seminaren abgeleistet werden muß. Das hat zur Folge, daß es einen relativ großen Anteil von Studierenden gibt, die in den ersten Wochen noch zu den Veranstaltungen kommen, dann aber wegbleiben, weil sie keine Scheine erwerben müssen. Das hat natürlich Konsequenzen für die Dynamik eines Seminars. Ich würde mir wünschen, daß es in dieser Hinsicht stabilere Verhältnisse geben würde.

Was würden Sie mit dem Wissen, das Sie heute haben, an Ihrem beruflichen Werdegang ändern?

Ich würde überhaupt nichts verändern. Man befindet sich bei seinem beruflichen Werdegang auf einem Stufenweg, das heißt, eine höhere Stufe setzt die vorherigen voraus. Nach meiner Auffassung sollte eine Professorin für Schulpädagogik in der Praxis gestanden haben. Meine Praxiserfahrung hat mich getragen, als ich die akademische Laufbahn einschlug und promovierte und habilitierte. Natürlich könnte man jetzt rückblickend sagen, man hätte die eine oder andere Abkürzung nehmen oder zu diesem oder jenem bessere Kontakte aufbauen können. Aber diese Einsichten kommen im Nachhinein und ich denke, daß jeder Umweg, den ich gemacht habe, letztlich für mich persönlich eine außerordentliche Bereicherung dargestellt hat.