Porträtfoto der Professorin Schindler

▼ Professorin Dr. Andrea Schindler [2010]

Inhaberin der Juniorprofessur für Germanistische Mediavistik

\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG

\\ INTERVIEW VON 2010

 

"Es geht darum, die Studierenden in ihrem Werdegang zu verfolgen und ihnen vielleicht auch ein Stück weit zu helfen, wo sie hingehen können, wo ihre Schwerpunkte liegen."


Könnten Sie uns bitte kurz Ihre berufliche Laufbahn vorstellen?

„Ich habe mein Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften in Erlangen begonnen und nach einigen Semestern in Bamberg fortgesetzt. Dabei habe ich auch das zweite Fach in Musikpädagogik geändert. Mein Studium habe ich in Bamberg 2001 mit dem Magister abgeschlossen. Nach einer Stipendienzeit bin ich dann wissenschaftliche Assistentin bei Frau Prof. Bennewitz am Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters der Universität Bamberg geworden. Seit diesem Wintersemester habe ich nun die Juniorprofessur inne, die ich bereits im Sommersemester vertreten habe.“

Erhielten Sie während der Studienzeit bzw. in Ihrer beruflichen Laufbahn Unterstützung?

„Ohne Unterstützung geht es nicht. Von meinen Eltern habe ich finanzielle und ideelle Unterstützung erhalten, ebenso wurde ich von vielen Lehrern aus der Schule, aber auch von akademischen Lehrern gefördert und in meinem Wunsch bestärkt. Außerdem konnte ich auch auf die Unterstützung aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis zählen. Die akademischen Lehrer bestimmen natürlich schon den Weg, den man dann selbst beschreitet. Das kennen Sie wahrscheinlich auch, dass man von Lehrerpersönlichkeiten geprägt wird und sich dann für bestimmte Fächer oder Teilfächer entscheidet. Frau Prof. Bennewitz hat dabei eine große Rolle gespielt, weil das Fach, so wie sie es vertritt, mir sehr nahekam und sie mein Interesse sehr stark geweckt hat. Sie hat mich von Beginn an sehr stark unterstützt, zunächst über Hilfskraftjobs am Mittelalterzentrum und danach als wissenschaftliche Assistentin.“

Wie kamen Sie auf die „Idee“, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?

„Die Idee kam zu mir. Ich treffe hin und wieder auf Studierende, die mit dem Wunsch, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, ihr Studium beginnen. Das war bei mir überhaupt nicht so, ich glaube auch, das ist relativ ungewöhnlich. Man kann am Anfang des Studiums gar nicht abschätzen, worin eine akademische Laufbahn eigentlich besteht. Man denkt, dass es sich primär um die Forschung dreht, aber es gehört ja eigentlich noch viel mehr dazu. Mein Interesse an einer akademischen Laufbahn hat sich erst in den letzten Semestern meines Studiums gezeigt. Da habe ich mir gesagt, wenn die Magisterarbeit wirklich Spaß macht und wenn ich dann immer noch sage, „ja, das mache ich noch mal“, dann kann ich auf diesem Weg weitermachen. Das war gewissermaßen der Knackpunkt. Bei der Dissertation ist es dann im Prinzip ähnlich, aber da hat man dann auch schon den Einblick in die Arbeit als solche und kann sagen, ob alles andere, was noch dazu gehört, auch Spaß macht. In meinem Fall war es so und ich bin diesen Weg weitergegangen.“

Gab es für Sie Vorbilder oder Menschen, die Sie in Ihrem Vorhaben bestärkt haben?

„Da sind wir wieder bei den Lehrerpersönlichkeiten; da gab und gibt es viele, die mich beeindrucken durch ihr Engagement, ihr umfangreiches Wissen, ihr Verantwortungsgefühl, ihren Einsatz, für das, was sie tun. Das sind natürlich auch Leitfiguren, die einem zeigen, dass wenn man diesen Beruf so ausführt, man auch einiges damit erreichen kann. Dann kann man Studierende prägen, kann ihnen ein Stück weit helfen, ihren Weg zu finden und kann auch in der Forschung sein vertreten.“

Könnten Sie uns bitte kurz Ihren Forschungsschwerpunkt vorstellen?

„Die Mittelalterrezeption stand bereits im Zentrum meiner Doktorarbeit und wurde auch für die Juniorprofessur als Schwerpunkt ausgeschrieben. Das ist ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, das heißt, es geht darum, wie Mittelalter in späteren Epochen rezipiert wird. Wie steht man zum Mittelalter, welche Mittelalter-Bilder werden gezeigt, welche Stoffe werden rezipiert? Wie funktioniert das? Das ist mir deswegen so wichtig, weil man dadurch die Literatur des Mittelalters sowohl in ihrer Entstehungszeit als auch in ihrem Gegenwartsbezug betrachten kann. Mit Blick auf die Rezeption gewinnt sie aktuelle gesellschaftliche Relevanz, man kann dadurch auch beschreiben, wie aktuell die Themen tatsächlich sind. Ich kann beispielsweise Parzival als denjenigen sehen, der als Kind seinen Weg in die Welt finden muss, oder aber ich kann ihn als den Gralssucher sehen; je nachdem, welche Gewichtung ich setze, kann ich natürlich ganz andere Themen ansprechen. Und die aktuelle Relevanz des Faches ist ja ganz offensichtlich stark vorhanden, denn wo man hinschaut, ist das Mittelalter präsent. Das ist eine ganz große Kultur. Und die Wissenschaft öffnet sich gerade auch hinsichtlich der Populärkultur. Das ist, denke ich, ganz wichtig, und das ist etwas, was natürlich auch das Vorwissen der Studierenden prägt, aber auch in der Gesellschaft allgemein wahrgenommen wird.“

Was finden Sie reizvoll an Ihrem Beruf und an Ihrem Fach?

„Am Beruf ist reizvoll, dass es eine unglaublich vielschichtige Mischung ist. Es geht ja nicht nur um Forschung und Lehre, das sind zwar zwei große Stand- beine, aber es geht daneben auch um andere Bereiche, die man von außen nicht wahrnimmt. Es geht um die Gestaltung der Studiengänge, also wie kann man mit den Vorgaben, die man hat, umgehen, um das zu erreichen, was man möchte. Es geht um die Lehrerausbildung, hier in Bamberg natürlich ganz besonders. Es geht darum, die Studierenden in ihrem Werdegang zu verfolgen und ihnen vielleicht auch ein Stück weit zu helfen, wo sie hingehen können, wo ihre Schwerpunkte liegen. Man muss sich fragen, welche Möglichkeiten es gibt und was man damit anfangen kann. Im Mittelalterzentrum sind wir wieder auf einer ganz anderen Ebene miteinander verbunden. Das eröffnet in der Interdisziplinarität ganz andere Arbeitsperspektiven, mit Ausstellungen, Museen und ähnlichem. Das ist so vielschichtig, manchmal meint man, es könnte ein bisschen weniger sein, aber das macht eigentlich wirklich den Reiz des ganzen Faches aus. Außerdem hat mich Literatur schon immer sehr interessiert. Die mittelalterliche Literatur ist eine ganz besondere Welt, die aber Stoffe hervorgebracht hat oder Stoffe verwendet, die ganz offensichtlich so groß sind, dass sie heute immer noch relevant sind. Diese Welt zu entdecken und zu erforschen war unglaublich spannend und ist es bis heute.“

Ließ sich Ihr Beruf mit familiären Plänen in Einklang bringen?

„Das ist eine Frage, die immer sehr stark vom eigenen persönlichen Umfeld abhängt. Ich hatte bis jetzt immer Glück, ich hatte also keine Schwierigkeiten, logistischer Art zum Beispiel. Denn es ist natürlich so, dass man eine relativ lange Zeit in diesem Job flexibel sein muss, was den Ort betrifft, und das kann natürlich Schwierigkeiten machen. Es ist auch ein Beruf, wie viele andere Berufe im akademischen Bereich, der vor allem flexible Arbeitszeiten fordert. Das heißt, man ist gut und gerne im Semester von acht bis elf Uhr abends in der Uni, dafür kann man dann in den Semesterferien einfach mal mittags nach Hause gehen und dort weiterarbeiten. Das ist unter Umständen auch belastend für das private Umfeld.“

Hatten Sie bzw. haben Sie das Gefühl, dass Sie im Gegensatz zu Ihren männlichen Kollegen mehr leisten mussten bzw. müssen, um die gleiche Anerkennung zu bekommen?

„Das Gefühl hatte ich selbst nicht, was einfach daran liegt, dass es im Mittelbau in der Germanistik wenig männliche Kollegen gibt. Ich muss auch sagen, ich hatte hier immer, auch über meine eigenen Vorgesetzten hinaus, den Eindruck, dass das hier sehr gleichmäßig gehandhabt wird. Es ist natürlich so, wenn Sie über die Ebene des Mittelbaus hinausschauen, dann wandeln sich die Verhältnisse komplett. Dann haben Sie auf einmal viel mehr Männer als Frauen. Die Gründe dafür sind natürlich vielschichtig, es wird aber schon eine Situation produziert, in der häufig Frauen (als Assistentinnen) für Männer arbeiten.“

Sehen Sie Probleme darin, dass der Anteil der Professorinnen an Universitäten so gering ist?

„Es wäre schön, wenn der Anteil ausgeglichener wäre. Direkte Problemfelder sind schwer zu bestimmen. Es ist ein Problem dadurch, dass die Verhältnisse sich komplett umkehren. Gerade in einem Fach wie der Germanistik ist der Frauenanteil unter den Studierenden unglaublich hoch, aber es gibt keine Entsprechung auf der Professorenebene. In der Bamberger Germanistik sieht das dank der letzten Berufungen anders aus. Ob das ein Problem ist, kann ich im Prinzip kaum sagen. Vielleicht sollte man auch da hinkommen, dass genau das eben kein Problem ist. Dass man sagen kann, so und so ist es eben jetzt, aus den und den Gründen, aber letztlich spielt es keine Rolle. Das wäre wahrscheinlich eine Utopie, aber eine schöne.“

Was würden Sie Studentinnen raten, die sich für eine wissenschaftliche Tätigkeit interessieren?

„Zunächst einmal würde ich auf jeden Fall ra- ten, nur das zu tun, für das man sich wirklich interessiert. Wenn sich das im Studium schon herauskristallisiert, sollte man auf jeden Fall versuchen, einen Hiwi-Job zu bekommen, um einen Einblick in die ganzen Abläufe, die dahinterstecken, zu erhalten. Man sollte sich wirklich intensiv damit beschäftigen, was alles dazu gehört. Dann muss man schauen, ob man tatsächlich gerne große Arbeiten schreibt, ob man sich intensiv mit einem Thema befassen und sich mit anderen Forschern auseinander setzen kann und will, aber auch ob man unterrichten und administrative Aufgaben übernehmen möchte. Man sollte versuchen, sich wirklich alles anzusehen, um zu sehen, ob einem das entspricht. Man wird selten einen Job finden, wo wirklich alles passt, genauso wie man selten ein Studienfach findet, bei dem einem jeder Kurs wirklich Spaß macht. Das muss man abwägen und sagen, „ok, ich mach das trotzdem, weil das genau der Beruf ist, den ich ausüben möchte.“

Wie kamen Sie zur Juniorprofessur und was reizt Sie an der neuen Aufgabe?

„Das war ein Glücksfall, die Stelle wurde neu geschaffen, als ich mit meiner Promotion fertig war. Ich habe mich dann auf die Stelle beworben und das hat dann auch geklappt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Der Reiz an dieser Position ist natürlich, dass man über diese Professur viel früher selbstständig in Forschung und Lehre ist. Das, was man sozusagen als Assistent in zweiter Reihe miterlebt hat, jetzt in erster Reihe tun zu dürfen und die Möglichkeiten dazu zu haben, das ist wirklich sehr spannend.“

Würden Sie mit dem Wissen, das Sie heute haben, etwas an Ihrem beruflichen Werdegang ändern?

„Ich habe mir schon oft gewünscht, mit dem Wissen, das man am Abschluss hat, noch einmal zu studieren. Das ginge einfach viel effektiver, weil man dann natürlich weiß, wie es funktioniert, wo man hingeht, was man machen muss. Ob ich aber tatsächlich etwas anders machen würde - das hängt von so vielen Faktoren ab, die Entscheidungen sind ja manchmal sehr situationsbedingt getroffen. Insofern würde ich vermutlich nicht wirk- lich viel anders machen, außer evtl. in einem Punkt: Ich habe meinen Abschluss gemacht mit Germanistik als Ältere deutsche Literatur im Hauptfach, Neuere deutsche Literatur im Nebenfach sowie Musikpädagogik. Statt ‚nur‘ zwei Fächer zu studieren, würde ich ein drittes Fach wählen, um ein weiteres Standbein zu haben.“ Vielen Dank für das Gespräch! Das Gespräch führten Rosemarie Fleck und Sophie Strauß.


Akademische Laufbahn und wissenschaftlicher Werdegang

  • Studium der Germanistik und Musikpädagogik an den Universitäten Erlangen sche und Bamberg
  • 1999-2001 Erwerb der studienbegleitenden Zusatzqualifikation „Praxisprogramm Wirtschaft“ am IHK Bildungszentrum Bamberg
  • 2001 Magister Artium
  • WS 2001/ 2002-SS 2005 Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters der Universität Bamberg
  • SS 2003-SS 2005 Stipendiatin der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
  • WS 2003/04 und WS 2005/06 bis WS 2008/09 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsche Philologie des Mittelalters der Universität Bamberg
  • 2008 Promotionspreis der Universität Bamberg
  • seit WS 2008/09 Koordinatorin für die Studiengänge BA/ MA „Interdisziplinäre Mittelalterstudien/ Medieval Studies“
  • 2009 Promotion
  • SS 2009 Vertretung der Juniorprofessur für Germanistische Mediävistik
  • seit WS 2009/10 Inhaberin der Juniorprofessur für Germanistische Mediävistik
  • 2009 E.ON Bayern Kulturpreis