▼ Professorin Dr. Annegret Bollée [2000]
\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 2000
"Ich bin jetzt seit einigen Jahren mit einem großen etymologischen Wörterbuch der Kreolsprachen des Indischen Ozeans beschäftigt und das wird mich wohl auch bis an mein Lebensende begleiten."
Würden Sie bitte Ihre berufliche Laufbahn vorstellen?
Ich habe 1955 mein Abitur abgelegt und im selben Jahr angefangen zu studieren. Aus privaten Gründen, weil ich ein Kind bekommen habe, habe ich 1957 das Studium unterbrochen. Ich habe zeitweise bei einer Bank gearbeitet und 1962 wieder angefangen zu studieren. 1969 habe ich promoviert und 1971 als zweiten Abschluß das Staatsexamen abgelegt. Ich war zu diesem Zeitpunkt aber schon Assistentin an der Universität Bonn. An der Universität Köln habe ich mich 1976 habilitiert und anschließend eine Lehrstuhlvertretung in Aachen erhalten. 1978 bin ich von der Assistentenstelle auf die C4-Stelle nach Bamberg berufen worden.
Sie haben nach der Promotion Ihr Staatsexamen abgelegt?
Ich habe unmittelbar nach dem Studium die Hochschullaufbahn eingeschlagen. Ich war schon in der Hochschullaufbahn, ehe ich das Staatsexamen abgelegt habe. Das habe ich nur gemacht, weil ich wußte, daß ich Zeit meines Lebens Lehrer ausbilde und ich das Examen auch selber gemacht haben wollte.
Erhielten Sie während der Studienzeit bzw. in Ihrer beruflichen Laufbahn Unterstützung?
Ja, permanent. Ich wollte selber die Hochschullaufbahn nicht einschlagen. Ich wurde dazu ermuntert.
Von den Eltern?
Mein Vater ist auch Professor gewesen, und mein Vater hat mir alles zugetraut. Ich bin von zu Hause aus durchaus gefördert worden. Aber ich kann mich erinnern, daß ich mal zu ihm gesagt habe, das ich nicht promovieren möchte. Das hat ihn damals etwas geschmerzt. Ich hatte das überhaupt nicht vor. Es ist mir dann nahegelegt worden und ich bin gefördert worden. Besonders gefördert haben mich mein Professor und mein Mann. Mir ist die Karriere sozusagen passiert. Es ist vielleicht eine untypische Karriere.
Sie haben immer in der Wissenschaft gearbeitet. War das Ihr Berufswunsch nach dem Abitur bzw. nach dem Studium?
Mein Berufswunsch war Lehrerin für das Gymnasium zu werden.
Was glauben Sie, warum man nur wenig Frauen an Universitäten findet, die lehren?
Das ist eine sehr komplexe Frage. Ich kann nur von mir sagen, ich bin nie daran gehindert worden, im Gegenteil, ich bin dazu eingeladen worden. Vielleicht haben manche Frauen diese Einladung nicht angenommen und vorgezogen, etwas anderes zu machen oder gemeint, daß die Laufbahn der Hochschullehrer schwer mit der Familie zu vereinbaren ist. Und das ist sie auch! Die Hochschullaufbahn ist mit einer normalen Familie, von sagen wir mal 2-3 Kindern, nur in Einklang zu bringen, wenn man übermenschliche Kräfte hat. Und das nehmen nicht so viele Frauen auf sich.
Was würden Sie Studentinnen raten, die sich für eine wissenschaftliche Tätigkeit interessieren?
Ich würde raten, dieses Ziel zu verfolgen. Ich habe auch mehrere Studentinnen gefördert. Eine meiner Schülerinnen ist bereits Professorin, eine Schülerin hat eine Stelle beim Max-Planck-Institut in Leipzig. Frau Sokol ermuntere ich, sich zu habilitieren. Ich habe eigentlich immer Frauen ermuntert, genauso wie ich selber ermuntert worden bin, diese Laufbahn einzuschlagen.
Wo liegt Ihr Forschungsschwerpunkt? Könnten Sie diesen bitte vorstellen?
Mein Forschungsschwerpunkt sind Kreolsprachen. Durch einen Zufall bin ich darauf gekommen. Als ich ein Thema für meine Habilitationsschrift gesucht habe, hat ein Professor aus Amerika in Köln einen Vortrag darüber gehalten. Ich habe ihn gefragt, wo man da Feldforschung betreiben kann. Er hat mir zu den Inseln im Indischen Ozean geraten. Da bin ich nach Mauritius und Réunion geflogen und habe festgestellt, daß über Mauritius und Réunion bereits Arbeiten im Gange waren. Die waren noch nicht veröffentlicht, das konnte man also nicht wissen. Ich habe mich schließlich auf die Seychellen spezialisiert, die noch vollkommen unbearbeitet waren. Daher habe ich ein Buch über das Kreolische der Seychellen geschrieben und noch ein Buch mehr theoretischer Art über die Entstehung von Kreolsprachen. Mit diesen beiden Büchern habe ich mich habilitiert und bin diesem Forschungsschwerpunkt bis heute treu geblieben. Ich bin jetzt seit einigen Jahren mit einem großen etymologischen Wörterbuch der Kreolsprachen des Indischen Ozeans beschäftigt und das wird mich wohl auch bis an mein Lebensende begleiten.
Sie waren von 1980 bis 1983 Vizepräsidentin der Universität Bamberg. Können Sie dazu noch etwas sagen?
Es ist gewissermaßen das gleiche wie ein Prorektor. Früher war das der Vizepräsident und jetzt ist es der Prorektor. Dazu bin ich auch eingeladen worden. Ich bin im Grunde zu allem eingeladen worden: zur Promotion, zur Habilitation, zu den Stellen, die ich an der Universität bekommen habe. Es ist mir immer angeboten worden, ich habe mich nie von mir aus bemüht, auch nicht um die Vizepräsidentschaft. Der Präsident, Herr Oppholzer, hat mich damals gefragt und ich habe daraufhin kandidiert und bin gewählt worden.
Sie waren in vielen verschiedenen Positionen: Vizepräsidentin, Dekanin, Mitglied im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft...
Manches bin ich sozusagen als Ehrenjungfrau geworden. Als Herr Oppholzer mich damals für die Vizepräsidentschaft vorgeschlagen hat, meinte er schon, daß es schön wäre, wenn eine Frau dieses Amt übernehmen würde. Das hat mich dann überzeugt. Ich hatte selber nicht den Ehrgeiz, habe aber gedacht, für die Sache der Frau kann man das mal machen. Es ist schon eine ziemliche Belastung. Im Senat der Forschungsgemeinschaft haben sie auch eine Frau gesucht. Dort sollte der Frauenanteil ebenfalls erhöht werden. Dekanin bin ich dann routinemäßig geworden, wir haben ja auch mehrere Frauen in der Fakultät. Das ist nichts besonderes. Aber die anderen Ämter habe ich bekommen, weil ich eine Frau war. Ich meine natürlich nicht irgendeine, aber das hat den Ausschlag gegeben.
Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Christiane Wille.