▼ Dr. jur. Dagmar Steuer-Flieser [2009]
\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 2009
"In dieser Verantwortung ist es mir sehr wichtig, Gespräche mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu führen, weil ich Wert darauf lege, dass man offen miteinander kommuniziert."
Erhielten Sie während der Studienzeit bzw. in Ihrer beruflichen Laufbahn Unterstützung?
Die einzige finanzielle Unterstützung, die ich als Studentin erfuhr, waren die Zuwendungen von meinen Eltern. Ich kann mich erinnern, dass sich dieses Auskommen während des Studiums immer deutlich unter dem damals aktuellen Sozialhilfeniveau befand. Meine Eltern mussten schließlich nicht nur mich, sondern auch meine beiden Brüder, die ebenfalls die Universität besuchten, finanzieren. Es bestand immer Überfluss an Geldmangel, daher stand ich in den Ferien am Fließband in einem Pharma-Betrieb, verdiente mir Geld in der Verwaltung einer Videovertriebsfirma, arbeitete als Mitarbeiterin und Sprecherin in einer Fernsehfilmproduktionsfirma und war als Praktikantin über das Studien soll hinaus bei einem Rechtsanwalt tätig. Natürlich hatte ich auch Unterstützung im Beruf - ohne die persönliche Unterstützung bestimmter Mentoren, die an die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter glauben, geht es nicht. Als Anwältin in der Kanzlei war es einer der Seniorpartner, der für mich immer Zeit hatte, um mir Fragen zu beantworten und Zusammenhänge zu erklären, die sich aus dem Tagesgeschäft ergaben. An der Uni Bayreuth war es Helmut Ruppert, der dortige ehemalige Präsident, der damals gleichzeitig Vorsitzender der „Bayerischen Hochschul-Rektoren-Konferenz“ war. Er bestellte mich dafür als seine Referentin und nahm mich in sämtliche Besprechungen und Sitzungen mit, wenn sich Präsidenten und Rektoren aller bayerischen Universitäten trafen. Dadurch bekam ich Einblick in die Themen und Verfahren, die zu hochschulpolitischen Entscheidungen führen.
Wie kamen Sie auf die „Idee“, Jura zu studieren? Wieso haben Sie im Anschluss an Ihr Studium promoviert?
Jura wollte ich studieren, weil ich schon früh, bereits nach einem Semester Lehramt für Deutsch und Französisch merkte, dass ausschließlich zu Unterrichten nicht meinem wirklichen Wollen entspricht. Meine Stärken liegen im analytischen Denken und Arbeiten, von daher lag es nahe, dass ich ein Studium suchte, das logisch und strukturiert aufgebaut ist und der spätere Beruf dieses Denken auch weiter bedient. Zudem kannte ich in meinem familiären Umfeld Juristen, deren Arbeit mir sympathisch erschien und deren Berichte aus ihrem Arbeitsalltag mir gefielen. Promovieren wollte ich, nachdem ich mit meinen Examensergebnissen nicht zufrieden war. Ich hatte von mir selbst mehr erwartet. Diese eigene Unzufriedenheit wollte ich kompensieren. Zudem merkte ich, dass das wissenschaftlich, juristische Arbeiten, dasjenige, das über das Studium hinausgeht, den Dingen auf den Grund gehende Arbeiten mir entgegen kommt und ich damit gut umgehen kann. Aus gleicher Motivation heraus wollte ich auch das sogenannte zweite Recht, das kirchliche Recht kennen lernen, weshalb ich mich bei den katholischen Theologen eingeschrieben habe und ich mich dort mit dem „Codex iuris canonici“ beschäftigt habe. Mit meiner Promotion konnte ich beide Interessensgebiete und beide Rechte sogar miteinander verknüpfen. Diese Strategie hat sich auch als richtig herausgestellt. Erstens hat mir die Arbeit an meiner Dissertation sehr viel Freude bereitet und zweitens war die Promotion mit „summa cum laude“ auch sehr erfolgreich. Die Angebote und die Durchführung meiner Lehraufträge in Münster an der Theologischen Fakultät und in Bayreuth an der Juristischen machte deutlich, dass meine Arbeiten bei den jeweiligen Fakultäten auch ankamen. Und es zeigte vor allem mir selbst, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte, die wissenschaftliche Laufbahn nicht zu verfolgen, denn inzwischen war mir die Neugier auf die Anwendung der erworbenen juristischen Breite wichtiger geworden, als die Suche nach wissenschaftlicher Tiefe.“
Gab es für Sie Vorbilder oder Menschen, die Sie in Ihrem Vorhaben bestärkt haben?
Mein damaliger Freund und jetziger Ehemann hat mich immer bestärkt und unterstützt, so wie ich ihn auch immer unterstützt habe. Wir haben uns gegenseitig immer in unseren Studien moralisch getragen und ergänzen uns bis heute hervorragend. Meine Eltern sind natürlich in diesem Zusammenhang auch wieder zu nennen, weil sie immer, ohne selbst vermögend zu sein, nicht nur die finanziellen Mittel aufbrachten, sondern vor allem Geduld hatten und mir das Vertrauen entgegenbrachten und die Freiheit ließen, die erforderlichen Entscheidung selbst zu treffen. Vorbilder habe ich keine. Ich meine, jeder sollte sich seine eigene Vorstellung vom Leben als Orientierung nehmen und seinen Lebensauftrag in sich suchen und diesem folgen. Jemanden als Vorbild zu nehmen ist meines Erachtens trügerisch, da jeder Mensch seine eigene unverkennbare Mixtur aus Talenten und Begabungen hat. Ich denke, es macht mehr Sinn sich mit seiner persönlichen Mischung auseinander zu setzen und vor allem seine Stärken auszubauen, als sich nach Vorbildern umzuschauen. Die Kombination aus Schwächen und Begabungen ist individuell und bei keinem zweiten Menschen in gleicher Konstellation wieder zu finden. Vergleiche haben daher immer einen Pferdefuß – sich nach ihnen zu richten macht nur unglücklich.
Könnten Sie bitte kurz Ihre Arbeit vorstellen? Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Das eigentlich Spannende ist, dass meine Arbeit so facettenreich ist. So gestaltet sich jeder Tag ganz anders, und oftmals eben auch anders als geplant, und auch innerhalb des Tages können sich Dinge mehrfach ändern, auch hinsichtlich der Terminlagen. Man hat natürlich während der Vorlesungszeit sehr viele Gremiensitzungen, neben der Universitätsleitung und der Erweiterten Universitätsleitung beispielsweise die Teilnahme im Senat oder im Hochschulrat. Als Teil der Hochschulleitung bin ich natürlich in allen Gremiensitzungen mit anwesend und stehe für die Themen als Ansprechpartnerin zur Verfügung, die mein Ressort bilden. Das ist vorrangig alles, was mit Haushaltsfragen zu tun hat, ich bin Beauftragte des Haushalts, und damit auch bei allen Fragen, die von finanzieller Bedeutung sind, zu beteiligen. Das heißt, beispielsweise in Berufungsverhandlungen, die Fragen zur Personal- und Sachmittelausstattung. Außerdem bin ich Leiterin der Zentralverwaltung und zuständig für alle nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter. In dieser Verantwortung ist es mir sehr wichtig, Gespräche mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu führen, weil ich Wert darauf lege, dass man offen miteinander kommuniziert, und auch jeder wissen sollte, was in einzelnen Bereichen passiert. Wir sind auch insgesamt immer mehr verzahnt, die Aufgaben lassen sich nicht allein nach dem Geschäftsverteilungsplan bewältigen, sondern im Verbund, gemeinsam mit den Kollegen. Darum habe ich unter anderem verschiedene Gesprächsrunden initiiert. Als Leitung der Zentralverwaltung sind wir auch an der Umsetzung all dessen beteiligt, was uns der Gesetzgeber oder der Ministerrat vorgibt. So führen wir zum Beispiel die Umsetzung der Kosten- und Leistungsrechung oder auch die Trennungsrechnung voran. Aber auch die Prüfungsverwaltung oder Fragen der Studentenkanzlei gehören zu unserem wissenschaftsstützenden Bereich. Wir versuchen unsere Aufgaben möglichst effektiv und zur Zufriedenheit der Studierenden und der Wissenschaftler zu erfüllen. So einen typischen Tag gibt es also nicht, ich habe auch sehr viele Außentermine, zum Beispiel im Ministerium oder mit Vertretern der Stadt Bamberg, - auch Repräsentations- und Abendtermine, fordern Zeit und Aufmerksamkeit. Mein Aufgabenbereich umfasst also viele verschiedene Aspekte, - das ist schön, das ist das, was Freude bereitet.
Was reizt Sie an der Aufgabe?
Reizvoll finde ich vor allem die vielen Abwechslungen, die meine Aufgaben mit sich bringen. Wesentlich ist aber die viele Zeit, die ich mit Menschen verbringe, mit Menschen, die unterschiedlicher fast nicht sein können. Reizvoll an dieser Aufgabe ist außerdem die Möglichkeit, etwas zu gestalten. Nicht ausführendes Organ oder das Werkzeug, der Hebel anderer zu sein, sondern durch eigenes Agieren selbst Einfluss zu nehmen auf die Lösungen, die von den stets präsenten Veränderungen gefordert werden. Ein weiterer Aspekt ist die gesamte Führungsaufgabe, das heißt mit unterschiedlichen Menschen zu arbeiten, die bereit sind, sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit einzubringen und die sich proaktiv verhalten, das heißt, mit Menschen, die handeln und sich nicht rechtfertigen, die bei Fehlern Korrekturmaßnahmen ergreifen und nicht bei anderen die Schuld suchen und die agieren und nicht darüber mutmaßen, was alles sein könnte, die sich durch eigene in die Zukunft gerichtete Aktivitäten für die Gestaltung der Bamberger universitären Zukunft engagieren; - diesen Mitarbeitern das Gefühl der Identität mit ihrer Arbeit, damit auch mit der Uni Bamberg, ein entsprechendes Selbstwert- und Gemeinschaftsgefühl zu geben, - das ist für mich befriedigend und reizvoll.
Ließ sich Ihr Beruf mit familiären Plänen in Einklang bringen?
Meinen Beruf als Kanzlerin kann ich nur deshalb ausüben, weil mein Mann seinen Beruf aufgegeben hat und zu Hause bei unserem Sohn ist. Nur mit der Unterbringung unseres Sohnes in einem Kindergarten wäre die Kanzler-Aufgabe unmöglich zu vereinbaren. Mit den angebotenen Kindergartenzeiten könnte ich die vielen Unregelmäßigkeiten, die mein Beruf mit sich bringt nicht abdecken. Die übliche Kinderbetreuung, die durch die Gemeinden oder von anderen Trägern angeboten wird, ist in der Regel nur für getaktete oder terminlich ins Detail planbare Berufe ausgelegt. Für Eltern, die täglich mit Terminverschiebungen, die sich mit Unplanbarem auseinandersetzen müssen, sind die Betreuungseinrichtungen noch immer unzureichend organisiert und zumeist viel zu starr ausgelegt. Da wir auch keine Verwandten, Omas, Tanten oder ähnliche in der Umgebung haben, blieb keine andere Wahl, als dass ein Elternteil zu Hause bleibt. Außerdem ist man meines Erachtens seinen Kindern als Eltern auch die persönliche Nähe und eine gewisse Regelmäßigkeit schuldig, weshalb für uns nur diese Lösung in Frage kam.
Hatten Sie bzw. haben Sie das Gefühl, dass Sie im Gegensatz zu Ihren männlichen Kollegen mehr leisten mussten bzw. müssen, um die gleiche Anerkennung zu bekommen?
Dass ich mehr hätte leisten müssen als meine männlichen Kollegen, um die gleiche Anerkennung zu erhalten, das kann ich nicht behaupten. Im Gegenteil, ich hatte sogar manchmal das Gefühl, weil ich eine Frau bin, konnte ich die eine oder andere Chance sogar besser nutzen. In den akademischen Prüfungen ist dieses Thema schon abgehakt, - entscheidende Prüfungen werden anonym geschrieben. Und wie schon seit vielen Jahren in den üblichen Stellenausschreibungen zu lesen ist, wird bei nahezu allen Ausschreibungen die Erhöhung des Frauenanteils angestrebt. Ich denke, dass die Frauen zur Zeit gerade deshalb gute Chancen haben. Zumindest stelle ich diese Entwicklung beim Staat fest, wie sich die Wirtschaft dazu verhält, kann ich nicht sagen, aber auch als Anwältin konnte ich in der Kanzlei keine unterschiedliche Behandlung oder Bewertung des Geleisteten zwischen mir und den Männern feststellen.
Warum arbeiten in Verwaltungsberufen vor allem Frauen? Wie kann man das ändern?
Diese Frage finde ich sehr interessant. Ich habe mir mal die Zahlen geben lassen und so viele Frauen in der Verwaltung gibt es prozentual gar nicht. In der Zentralverwaltung arbeiten 59 % Frauen und 41 % Männer, also relativ ausgewogen, und wenn man den gesamten nicht-wissenschaftlichen Bereich betrachtet, haben wir 69 % Mitarbeiterinnen und 31 % Mitarbeiter. Eigentlich ist das auch noch vertretbar. Die Verteilung hängt selbstverständlich stark mit der Typik bestimmter Stellen zusammen. So sind Sekretariatsstellen üblicherweise nach wie vor mit Frauen besetzt, was nicht so sein müsste. Aber das ist auch bei anderen Verwaltungseinrichtungen und in der Wirtschaft so. Es gibt eben bestimmte Stellenprofile, die nach wie vor mehr von Frauen belegt sind. Die Stelle einer Kindergärtnerin wäre so ein Beispiel, dort sind viel zu wenig Männer beschäftigt. Außerdem haben wir relativ früh schon Teilzeitmodelle angeboten, - anders als in der freien Wirtschaft -, wodurch die Universität sich auch eine gewisse Vorbildfunktion erarbeitet hat. Nun ist es wiederum so, wenn die Frauen vorrangig Kinder betreuen, dann suchen sie zumeist nach Teilzeitstellen, um beruflich wieder Fuß fassen zu können. Dann hat man natürlich auch wieder als Resultat mehr Frauen, aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das sich auch bei uns in gewisser Weise widerspiegelt.
Was würden Sie generell Frauen raten, die sich für eine Tätigkeit in der Verwaltung an einer Universität interessieren?
Dazu kann ich gerne einige Dinge sagen, die aber wiederum nicht ausschließlich geschlechtsspezifisch sind. Ganz wichtig, wenn man hier an der Uni Bamberg anfängt, ist, dass man sich bewusst macht, dass wir keine Behörde, sondern ein Wissenschaftsbetrieb sind. Hier werden stetig neue Erkenntnisse gesucht, - die Arbeit an der Uni ist deshalb durch ständige Veränderung und ständigen Wandel geprägt. Daher muss man auch selbst beweglich und mobil sein. Man arbeitet nicht in einer strengen Hierarchie, und auch die Kontakte sind äußerst differenziert. So hat ein Student ganz andere Ansprüche und Interessen, als beispielsweise ein Hochschullehrer, und man muss sich bewusst machen, dass man sehr viele verschiedene Ansprechpartner hat. Grundsätzlich wichtig ist aber, dass man sich eine Stelle sucht, für die man geeignet ist und die den eigenen Fähigkeiten entspricht. Nur dann kann man sich wohl fühlen und mit Freude arbeiten. So gesehen sollte man aktiv und kommunikativ sein und mit Freude an die Arbeit gehen.
Wie kamen Sie zu Ihrer Stellung? Welchen Führungsstil verfolgen Sie?
Die Stellung als Kanzlerin in Bamberg bekam ich dadurch, dass ich den normalen Auswahlprozess durchlaufen habe. Nachdem ich bereits Vizekanzlerin in Bayreuth war, ich in Thurnau, also in räumlicher Nähe zu beiden Universitäten Bayreuth und Bamberg wohne, habe ich die freie Stelle des Kanzleramtes in Bamberg als Chance erkannt und mich dem Auswahlverfahren gestellt. Mit meinem Führungsstil will ich meine Mitarbeiter nicht nur für die jeweiligen Aufgaben der Abteilungen begeistern, nicht als Ab-Arbeiter von bestimmten Einzeltätigkeiten einsetzen, sondern als Teilhaber am gesamten Geschehen gewinnen. Die Arbeit, die von der gesamten Universität und auch von der Universitätsverwaltung - als Teil davon - erbracht werden muss, ist mehr als die Summe der Einzelaktivitäten. Ich möchte, dass sich meine Mitarbeiter auch für die Dinge interessieren, die neben ihren individuellen Tätigkeiten geschehen, dass sie aufmerksam werden, für alles, was die Universität betrifft. Aus diesem Grund lege ich großen Wert auf ein umfängliches Kommunikations- und Informationsverhalten. Umso mehr die Menschen über eine Sache wissen, desto mehr können sie sich, sofern sie - wie vorher schon erwähnt - proaktiv sind, dafür begeistern. Die Motivationsstärke für eine Aufgabe leitet sich meines Erachtens direkt vom Identifikationsgrad mit der übergeordneten Sache ab. Es gibt - wie ich meine - keinen bestimmten einzelnen richtigen Führungsstil. Der praktizierte Führungsstil sollte zudem niemals vom Vorgesetzten gesetzt sein, sondern sollte sich immer an der inneren Bereitschaft und an den Fähigkeiten des einzelnen Mitarbeiters bzw. der einzelnen Gruppe oder Abteilung orientieren. Weil alle Mitarbeiter unterschiedlich sind und auch unterschiedliche mehr oder weniger auf ihre Talente passende Aufgaben haben, gibt es genauso viele Führungsstile. Zumindest strebe ich diese situative Führungsarbeit an. Meine Mitarbeiterorientierung richtet sich nach der beruflichen und der aufgabenspezifischen Reife des Mitarbeiters. Dazu muss das eine Mal streng, autoritär und akkurat genau angeben werden, was zu tun ist, ein anderes Mal kann dem gleichen Mitarbeiter, weil er für diese andere Aufgabe die höhere Kompetenz und den Überblick bereits erworben hat, in kooperativer Vereinbarung eine Aufgabe delegiert werden. Dazwischen bemühe ich mich, den Mitarbeitern und vor allem deren individuellen Fähigkeiten zu entsprechen, ihnen gerecht zu werden und den richtigen, stets situativ zu wählenden Führungsstil zwischen den Extremen des Diktats und des Delegats immer auf ́s Neue zu finden. Im Mittelpunkt soll aber immer der informierte und interessierte Mensch und nicht der unbeteiligte Arbeiter stehen.
Würden Sie mit dem Wissen, das Sie heute haben, etwas an Ihrem beruflichen Werdegang ändern?
Im Wesentlichen nichts, denn aus allem was ich bisher gemacht habe, konnte ich viel lernen und für die jeweils neue Aufgabe immer wieder anwenden. Mein beruflicher Werdegang war nicht geplant, ich strebte nach dem Studium ja nicht das Ziel an, Kanzlerin einer Universität zu werden, sondern ich nahm immer das, was mir gerade als richtig erschienen ist, an und versuchte, daraus das Beste zu machen. Ich wusste immer, was ich nicht mochte, das nahm ich auch nie in die engere Auswahl, aber für alles andere war ich immer offen und neugierig, flexibel und mobil genug, um mich dafür zu interessieren, - von daher gibt es nichts zu korrigieren. Korrekturen sind nur bei geplantem Vorgehen zulässig. Über die Dinge, die einem zufallen, kann man wohl keinen Korrekturmaßstab anlegen. Bei den beabsichtigten und planbaren Ausbildungsstationen würde ich heute allerdings den Auslandsaufenthalt stärker in den Mittelpunkt rücken. Ich war zwar für kurze Zeit im Ausland, würde diese Zeit aber im Nachhinein - auch auf die Gefahr, ggf. länger für das Studium zu brauchen -, verlängern und intensivieren. Das ist auch eine Empfehlung meinerseits an die aktuell Studierenden, die vielen Möglichkeiten, die inzwischen geboten werden, zu nutzen und für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Studieren heißt heute mehr denn je, nicht nur Wissen aufzusaugen, sondern weiter zu reifen und sich als Mensch weiterzuentwickeln. An der Universität Bamberg werden ja schon in erfreulich hohem Maße Auslandsaufenthalte von unseren Studierenden genutzt. Die Universität will mit den vielen Kooperationen und Auslandsangeboten dazu auch Ihren Teil beitragen, nicht nur Fachkompetenz zu vermitteln sondern auch die Persönlichkeit zu stärken, und die kann man nicht in Vorlesungen oder aus Büchern erlernen. Das, was ich in meinem Beruf heute vor allem brauche, ist nicht das, was ich in der juristischen Ausbildung gelernt habe, sondern das, was ich durch meine verschiedenen Tätigkeiten, nicht zuletzt auch im Ausland und durch die notwendigen Jobs in den Semesterferien erlebt und erfahren habe.
Welche Pläne gibt es hinsichtlich der Kinderbetreuung an der Universität Bamberg? Welche Pläne verfolgen Sie generell im Bezug auf die Erweiterung der Universität?
Was die Kinderbetreuung betrifft, so kann ich sagen, dass ich mit allen beteiligten Entscheidungsträgern gesprochen habe und wir über ein super Konzept verfügen. Alle Altersgruppen sind vertreten, daher hat unser Konzept Modellcharakter. Aber gerade der Umfang dieses Konzeptes hat sich in Gesprächen als sehr anspruchsvoll herausgestellt. Entweder gibt es kein passendes Förderprogramm oder aber die Finanzierung bereitet Schwierigkeiten und lässt sich mit den Richtlinien und Bedingungen der Beteiligten nicht vereinbaren. Als Betreiber würde die Diakonie gerne aktiv werden, allerdings ermangelt es uns noch an einer Räumlichkeit. Das Projekt ist in seiner bisherigen Gestalt zu komplex, daher ist meiner Meinung nach wichtig, das Konzept ein Stück weit zu reduzieren, so beispielsweise den Hort herauszunehmen. Dies empfiehlt sich auch, da die größte Nachfrage im Krippen- und Kindergartenbereich liegt. Eine geeignete Räumlichkeit müsste auf Grund und Boden stehen, der dem Freistaat Bayern gehört. Ich möchte die Möglichkeit nutzen, an dieser Stelle darauf hin zu weisen, dass eine Verbesserung der Kinderbetreuung für die Universitätsleitung von hoher Priorität ist. Wir arbeiten intensiv daran. Für die Zwischenzeit sollten wir Belegplätze anbieten, das heißt also vorreservierte Plätze für Kinder von Studierenden und Mitarbeitern. Gemeinsam mit unserem Eltern-Service-Büro versuchen wir baldmöglichst entsprechende Kooperationsverträge mit Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen abzuschließen. Was die Erweiterung der Universität betrifft, so müssen wir uns vor allem räumlich erweitern, aber da hat sich im letzten Jahr glücklicherweise auch schon vieles getan. So haben wir den ersten und zweiten Bauabschnitt Markusgelände und umfangreiche Anmietungsmöglichkeiten in einem Bestellbau genehmigt bekommen. Ansonsten gibt es vieles, was wir noch erreichen wollen: Mehr Stellen, sowohl im wissenschaftlichen als auch im nicht-wissenschaftlichen Bereich, sukzessiver barrierefreier Ausbau unserer Universität, ein Studierendenservicezentrum, um nur einzelne Stichworte zu nennen.
Vielen Dank Frau Dr. jur. Steuer-Flieser! Das Gespräch führten Sophie Strauß und Rosemarie Fleck.
Akademische Laufbahn und beruflicher Werdegang
- 1982-1988: Jura-Studium in Regensburg und München
- 1991: Auslandsaufenthalt an der Deutschen Botschaft in Helsinki
- Juli 1991: Abschluss des Zweiten Juristischen Staatsexamens
- 1996-1998: Lizentiatsstudium Kanonisches Recht in Münster
- 1988-1991: Nebentätigkeit in oberbayerischer Anwaltskanzlei
- 1991-1997: Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtsphilo- sophie und Kirchenrecht an der Universität Bayreuth
- WS 1997/98: Promotion zum Dr. jur. („summa cum laude“)
- Juli 1998: Rechtsanwältin in Kulmbach
- 1997-2006: Dozententätigkeit an der Thüringer Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung und Lehraufträge an den Universitäten Bayreuth und Münster
- April 2000-Januar 2008: Abteilungsleiterin für Akademische Angelegenheiten einschließlich Studienangelegenheiten/ Umsetzung des Bologna-Prozesses, Qualitätssicherung, Hoch- schulrecht und Bauangelegenheiten an der Universität Bayreuth
- Februar 2002-Januar 2008: zugleich Ständige Vertreterin des Kanzlers der Universität Bayreuth
- seit Februar 2008: Kanzlerin der Otto-Friedrich-Universität Bamberg