Diskriminierung mit der Schrift – von der Hexenverfolgung bis heute
„Frauen werden doch heute nicht mehr diskriminiert“. Dieser Satz ist oft zu hören, aber alle, die Renata Szczepaniaks Vortrag gehört haben, werden wiedersprechen. Genderstereotype schlagen sich in der Sprache und somit auch in der Schrift nieder. Dies zeigt sich durch Groß- bzw. Kleinschreibung von Wörtern, sowie in der Verwendung verschiedener Bezeichnungen für „Mann“ und „Frau“, denen unterschiedliche Wertungen zugeschrieben werden. Zudem wird Diskriminierung am häufigsten mit dem Adjektiv „sexuell“ verbunden, was uns Professorin Renata Szczepaniak in einer Wortwolke (eng. ‚wordcloud‘) aufzeigte. Damit leitete sie ihren Vortrag „Diskriminierung mit der Schrift – Schriftlicher Niederschlag der Genderstereotype in der Frühen Neuzeit“ ein, der unter anderem als Einleitung des Themas „sprache macht gesellschaft“ diente, zu dem am 04. Juni 2019 das Kolloquium der FORSCHEnden FRAUEN stattfand.
In einer ersten Fallstudie wurde der Prozess der Pejorisierung (eine linguistische Bedeutungsverschlechterung / Abwertung) von Frauenbezeichnungen im Verlauf des 14. bis 17 Jahrhunderts thematisiert. Die Worte „Frau“ und „Weib“ („frouwe“ und „wîb“) wurden zu Anfang noch recht gleich verwendet, allerdings änderten sich die damit verbundenen Adjektive, sodass Frau eher eine Bezeichnung für (Ehe-)Frau wurde und Weib sich zum Schimpfwort wandelte.
Ein weiteres Beispiel zur Diskriminierung mit der Schrift sind Hexenverhörprotokolle aus der Zeit der europäischen Hexenverfolgung (1450-1750). Der Höhepunkt der Hexenverfolgung zwischen 1550 und 1650 war auch der Zeitpunkt, als die Bezeichnung „Weib“ abgewertet und „Frau“ zur Normalbezeichnung wurde. In den Niederschriften der Verhöre fällt auf, dass Frauenbezeichnungen fast ausschließlich kleingeschrieben wurden, mit einer Ausnahme des Wortes „Mutter“. Im Gegensatz dazu wurden Männerbezeichnungen fast immer großgeschrieben. Ebenfalls auffällig ist die Tatsache, dass Frauenbezeichnungen nicht nur kleingeschrieben, sondern auch häufig als Possessivbegleiter an den Namen des aussagenden Mannes angehängt wurden (z.B. „Max Mustermanns Frauwe“).
Wirft man heutzutage einen Blick auf die Repräsentation von Frauenbezeichnungen in Wörterbüchern, in diesem Falle den Duden, fällt auf, dass der Eintrag des Wortes „Frau“ deutlich kürzer ausfällt als der des Wortes „Mann“. Auffallend ist auch wieder die Verknüpfung der Worte mit Adjektiven: im Eintrag zu „Frau“ finden sich viele Adjektive, die das Körperliche beschreiben, wohingegen im Eintrag zu „Mann“ Adjektive wie berühmt und gestanden Verwendung finden. Diese drei anschaulichen Beispiele regten zum Nachdenken an und weckten im Publikum das Interesse, die gleichen Untersuchungen für die Wörter „Herr“ und „Mann“ durchzuführen, um festzustellen, ob auch dort eine Pejorisierung stattgefunden hat.
Wir danken unserer Frauenbeauftragten Renata Szczepaniak herzlich für diesen sehr interessanten Beitrag und freuen uns auf weitere Forschung und Vorträge zu diesem Thema in der Zukunft.
Meike Lober