▼ Professorin Dr. Bärbel Kerkhoff-Hader [1999]
\\ PROFESSORINNEN AN DER UNIVERSITÄT BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 1999
"Heute, auf den Tag genau, am 28. Februar 2000, sind es - erst - 100 Jahre, daß sich Frauen in Deutschland an der Universität immatrikulieren können."
Könnten Sie uns bitte Ihre berufliche Laufbahn vorstellen?
Ich habe das Interview in der letzten Ausgabe der kUNIgunde mit meiner Kollegin, Frau Bollée, gelesen. Man kann sie beglückwünschen, daß ein so gerader Weg zum Ziel führte. Doch glaube ich, daß ich für unsere Generation der typischere Fall bin. Erst in der nachfolgenden "Generation der Professorinnen" sind diejenigen in der Mehrzahl, die ein Studium absolvierten, promovierten, sich habilitierten, um sich dann um eine Professur zu bewerben. Für meine Generation lag eine solche Perspektive fern, wenn man nicht, wie meine Kollegin, aus einer Professorenfamilie stammte. Vorbilder, weibliche, gab es nur höchst vereinzelt und lagen schon deshalb nicht im Blickfeld. Ich hatte gute Startchancen. Wir waren drei Töchter und haben alle das Abitur gemacht. Das war in den fünfziger und sechziger Jahren absolut nicht selbstverständlich. Danach habe ich zunächst das Lehramtsstudium für Grund- und Hauptschulen mit Kunst als Schwerpunkt mit der ersten und zweiten Staatsprüfung abgeschlossen. Neben dem Schuldienst erweiterte ich in Düsseldorf meine Lehrbefähigung im Sektor Kunst und betreute an der Schule zusätzlich zukünftige LehrerInnen, die in einem Kurzstudiengang - es herrschte Lehrermangel - mit hohem Praxisanteil ausgebildet wurden. Es gab also viel zu tun. Nach fünf Jahren wurde ich aus dem Schuldienst beurlaubt und an die Pädagogische Hochschule in Bonn abgeordnet, wo ich als wissenschaftliche Hilfskraft pro Semester eine ganze Reihe von Übungen abhielt, hunderte von Prüfungen protokollierte und noch für andere Aufgaben zuständig war. In dieser Zeit habe ich ein zweites Studium in Volkskunde, Kunstgeschichte, klassischer Archäologie und Erziehungswissenschaften begonnen, meine Dissertation, eine umfangreiche empirische und historische Forschungsarbeit, fertiggestellt. Ich war dann wissenschaftliche Assistentin an der Pädagogischen Hochschule Bonn, ehe ich nach zwei Jahren zur Akademischen Rätin mit dem Schwerpunkt Kulturgeschichte der Textilien, Gestaltungslehre und Museologie ernannt wurde. Später war ich über Jahre an der Universität zu Köln in dieser Position im Seminar für Kunst und ihre Didaktik tätig. Gleichzeitig habe ich auf volkskundlichem Feld weiter geforscht und veröffentlicht, habe mit Studierenden Ausstellungen konzipiert und durchgeführt, war auf Tagungen und Kongressen, habe mich um Professuren beworben, Listenplätze erhalten, ehe ich den Ruf an die Bamberger Universität erhielt. Seit 1994 habe ich hier als C4-Professorin den Lehrstuhl für Heimat- und Volkskunde inne, der seit Beginn dieses Jahres nun den Namen Lehrstuhl für Volkskunde/Europäische Ethnologie trägt.
Das klingt ja alles sehr abenteuerlich!
Ja - oder eher: nicht vorhersehbar. Wenn man aber die Biographien von Kolleginnen in meinem Alter und in vergleichbaren Positionen durchgeht, ist dieser Weg sukzessiver Möglichkeiten und Entscheidungen nicht untypisch. Heute, auf den Tag genau, am 28. Februar 2000, sind es - erst - 100 Jahre, daß sich Frauen in Deutschland an der Universität immatrikulieren können. Insofern ist das Interviewdatum passend, weil es eine lange, langsame Entwicklung für Frauen war, überhaupt zum Studium zugelassen zu werden und in Führungspositionen, auch in Forschung und Lehre, zu kommen.
In Bamberg haben wir einen Professorinnenanteil von ca. 12%, was vergleichsweise eher gute Verhältnisse darstellt.
Naja, 12% kann ich nicht gut nennen. Die Situation ist in Bamberg zwar besser als an anderen Universitäten, aber bayernweit sind es nur 6,5%. Der Bundesdurchschnitt liegt höher, der Anteil von C4-Professorinnen dann wieder bei rund6%, wenn ich richtig informiert bin. Das gute Abschneiden der Bamberger Universität liegt wohl daran, daß es relativ viele Professorinnen im Fachbereich Soziale Arbeit und in den Philologien gibt. C4-Professorinnen sind auch bei uns eine Rarität. An meiner Fakultät, der Fakultät Geschichts- und Geowissenschaften, bin ich zugleich auch die einzige Professorin.
Wie beurteilen Sie die zukünftige Entwicklung, glauben Sie, daß der Frauenanteil sich erhöhen wird? Im akademischen Mittelbau scheint es ja so zu sein, daß momentan relativ viele Frauen promovieren.
Ich hoffe, daß es mehr werden. Aber der Weg dorthin wird aus unterschiedlichen Gründen schwierig sein. In den nächsten 100 Jahren sollten mehr als weitere 10% Professorinnen hinzukommen. Wenn es sich einmal um ein Drittel an Professorinnen handeln sollte, dann wird sich zeigen, ob der Widerstand nicht wieder größer werden wird. Das aber will ich nicht prognostizieren, sondern ich hoffe, daß es mehr werden.
Um auf Ihren beruflichen Werdegang noch einmal zurückzukommen, erhielten Sie irgendeine Form von Unterstützung, zum einen finanzieller Art und zum anderen ideeller Art durch die Familie?
Mein Interesse an Fragen von Kunst und Kultur, das für meinen beruflichen und wissenschaftlichen Werdegang in allen Phasen prägend ist, hatte - zurückblickend ist es deutlich erkennbar - in meinem Elternhaus eine begünstigende Voraussetzung. Aber es gab kein Leitbild als Entscheidungshilfe, auch keine Berufsberatung in dieser Hinsicht. Das erste Studium haben meine Eltern bezahlt. Alle weiteren Qualifikationen habe ich selbst finanziert.
Das war mit Sicherheit eine ziemlich große Belastung, oder?
Im Prinzip: ja. Aber wenn man offen für Neues, flexibel und voller Energie ist, tritt eine solche Frage in den Hintergrund. Die Schwierigkeit kann eher darin bestehen, Chancen zu erkennen und zu ergreifen. Dazu gehören auch das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und Menschen, die der möglichen Situation positiv gegenüberstehen und zustimmen.
Ließ sich Ihr beruflicher Werdegang mit familiären Plänen in Einklang bringen, oder mußten Sie sich vor die Wahl stellen Familie oder Beruf?
Das ist eine beliebte Frage bei Professorinnen. Sie wird einem Kollegen nicht gestellt. Ich habe einen Ehemann, der mich sehr gestützt hat, weil er sich über meine Erfolge gefreut hat. Sein Berufsweg ist ein völlig anderer. Wir ,konkurrieren" nicht. Aber wir haben beide Berufe, in denen man flexibel in der räumlichen Orientierung sein muß. Das bedarf nicht nur eines beiderseitigen Organisationstalentes.
Hatten Sie jemals das Gefühl, daß Sie im Vergleich zu Ihren männlichen Kollegen mehr leisten mußten als diese, um die gleiche Anerkennung zu bekommen?
Über die Jahrzehnte hin ist mir aufgefallen, daß man Kollegen auf allen Stufen den Erfolg eher zugetraut hat. Er ist selbstverständlicher, und Leistungen werden eher, d.h. schon im Vorfeld einer Entscheidung, als potentielles Qualifikationsmerkmal wahrgenommen. Ein ausgeprägtes Leistungsprofil ist deshalb sicher für Frauen notwendiger. Diese Frage belegt indirekt existierende Vorurteile in der Gesellschaft, die verhindern, daß Frau wie Mann „ganz normal“ ihren Gang durch die Institutionen machen kann. Doch ich meine, daß es besser wird. Je mehr Frauen in der Universität, in der Wirtschaft oder in der Politik präsent sind, um so normaler wird es empfunden. Doch solange Entscheidungsgremien fast hundertprozentig männlich besetzt sind, bleibt es für Frauen nach wie vor schwierig, eine höhere oder herausragende Position zu erreichen. Die normale Erwartungshaltung ist eben, daß Mann „es packt“. Bei einer Frau hingegen wird die Situation nach wie vor sehr viel kritischer betrachtet. Das dies nicht nur ein Klischee ist, wird gerade jetzt wieder einmal am Gerangel um Parteiposten in der jüngsten Politik deutlich.
Wie beurteilen Sie die These, daß Frauen eher durch ihren Charme als durch Ihre Kompetenz weiterkommen?
Das ist eine sehr gewagte These. Im übrigen: auch Männer wirken auf Frauen mehr oder weniger sympathisch usw.. Daß das in Fragen der Kompetenz bei Männern nicht ebenso gefragt werden kann, liegt vor allem zunächst am geringeren Entscheidungsrahmen der Frauen. Daß der Aufmerksamkeitsgrad in Entscheidungssituationen generell Frauen gegenüber größer ist, liegt wohl daran, daß das zahlenmäßige Verhältnis von Männern zu Frauen beispielsweise in Gremien oder Berufungsverfahren so unausgewogen ist. Deshalb fällt allein schon z.B. die weibliche Stimmlage auf. Doch hoffe ich, daß es bei Männern wie Frauen in gleicher Weise in erster Linie um fachliche Kompetenz geht. Alles weitere zielt ein bißchen auf Chauvinismus, der zwar existiert, den ich Kollegen aber natürlich nicht unterstelle.
Eine Frage speziell zu Ihrem Fach, studieren in Volkskunde eher mehr Frauen oder mehr Männer, und wenn man da eine Tendenz verzeichnen kann, was sind dann Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Die liegen im Allgemein-Gesellschaftlichen begründet. Es ist tatsächlich so, daß wir im Fach Volkskunde/Europäische Ethnologie mehr weibliche als männliche Studierende haben. Für Frauen ist es erst seit einer kurzen Zeitspanne möglich, sich in akademischen Berufsfeldern zu etablieren. In vielen Bereichen ist es für sie heute noch absolut schwierig, z.B. in die Chefetage einer Bank oder in einen Aufsichtsrat vorzudringen. Aber es gibt Berufsfelder, in denen sich eine soziale Wende männlich/weiblich beobachten läßt, oder zumindest eine Öffnung. Frauen scheinen zu glauben, eher in den Kultur- und Sprachwissenschaften eine Chance und ein adäquates Feld für ihre Interessen zu haben. Die Volkskunde war beispielsweise bis in die jüngere Vergangenheit ein fast ausschließlich männlich besetztes Berufsfeld. Das hat sich sehr geändert. In den Sprachwissenschaften liegt die Ursache hauptsächlich im hohen Anteil zukünftiger Lehrerinnen für Sprachen begründet. Männliche Studierende entscheiden sich eher als junge Frauen für Informatik, Volks- oder Betriebswirtschaft. Vielleicht werden sie bei einer solchen Entscheidung nicht in ausreichendem Maße unterstützt und gefördert. Außerdem fehlt die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit des Zutrauens. Hier schließt sich der Kreis.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sabine Pichler.