▼ Lehre im Notbetrieb
\\ WISSENSCHAFTLERINNEN DER UNIVERSITÄT BAMBERG
\\ INTERVIEW VON 2020
Die Universität ist für Publikumsverkehr geschlossen und die komplette Lehre wurde ins Online-Format umgestellt. Was bedeutet das für Lehrende und Studierende? Was sind Hürden und Chancen? kUNIgunde hat bei verschiedenen Wissenschaftlerinnen nachgefragt.
Linda Ruppert ist aktuell eine der studentischen Vertreterinnen für den Frauenbeirat und teilt ihre Meinung zu der Lage der Studierenden in der aktuellen Situation.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Studierenden ein?
LR: Diese Frage kann man natürlich kaum pauschal beantworten. Während es für den einen Teil der Studierenden die größte Herausforderung darstellt, sich mit den neuen, digitalen Formen der Lehre zu arrangieren, steht ein anderer Teil vor Fragen existenzieller Art, da zum Beispiel der Nebenjob weggebrochen ist und sich ihnen die Frage stellt, wie sie weiterhin ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen. Die staatlichen Hilfemaßnahmen für Studierende, die durch das BMBF beschlossen wurden, können das nicht komplett abfangen. Außerdem ist ein Auslandsaufenthalt in einigen Studiengängen integraler Bestandteil, in anderen ist er zumindest im Studienverlauf vorgesehen oder liegt im Interesse der Studierenden – hier mangelt es aktuell an Planungssicherheit darüber, ob (und wenn ja, wann) ein solcher angetreten werden kann. Besonders schwierig gestaltet sich die Lage zudem für Studierende aus dem Ausland.
Haben Sie bereits Rückmeldungen erhalten, wie die Studierenden das Semester erleben? Hat Sie dabei etwas überrascht?
LR: Hier muss ich zuerst an diejenigen denken, die in diesem Semester neu ihr Studium an der Uni aufgenommen haben – schon in Präsenz sind das viele neue Eindrücke, die es zu verarbeiten gilt. In der aktuellen Situation kommt dann hinzu, dass man Kommilitoninnen und Kommilitonen und Dozierende im besten Fall digital kennenlernen kann – das gemeinsame Bier in der Kneipe bleibt aber in jedem Fall aus. Überrascht hat mich, dass es neben der Mehrzahl an Eltern, die durch die Kita- und Schulschließungen mit einer kritischen Doppelbelastung konfrontiert sind, auch Studierende gibt, für welche sich durch das Aussetzen der Präsenzlehre die Kinderbetreuung nun einfacher als zuvor gestaltet. Außerdem können jene Studierende, die nicht in Bamberg wohnen, die Zeit, die eigentlich das Pendeln zur Uni konsumiert, effizienter nutzen.
Denken Sie, dass Inhalte in der Online-Lehre im gleichen Maße an Studierende vermittelt werden können wie im Präsenzbetrieb?
LR: Ich bin davon überzeugt, dass die Online-Lehre ganz neue Möglichkeiten eröffnet, die sich auch positiv auf den Lernertrag auswirken können. Insgesamt muss man aber sagen, dass die Situation für alle eine Herausforderung darstellt und die erfolgreiche Umsetzung sowohl vom Engagement der Lehrenden als auch dem der Studierenden abhängt – ich erlebe hier auf beiden Seiten Positiv- wie Negativbeispiele. In diesem Semester wird natürlich mehr als ohnehin schon Selbstorganisation und -management von den Studierenden gefordert – das kann auf Einzelne auch überfordernd wirken. Anders verhält es sich bei Lehrveranstaltungen, die auf die Präsenz der Teilnehmenden angewiesen sind – diese können aktuell nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden; das zieht natürlich wiederum Konsequenzen für die Studienplanung nach sich.
Wie könnte man die Online-Lehre Ihrer Meinung nach verbessern?
LR: Zunächst gilt es, die Tools zur digitalen Lehre, die aktuell zum Einsatz kommen, hinsichtlich der Einhaltung von Maßstäben zum Schutz der Privatsphäre zu überprüfen. Auch innerhalb der Lehrveranstaltungen muss in diesem Semester eine verstärkte Evaluation durchgeführt werden, da je nach Ziel und Inhalt der Einsatz unterschiedlicher Methoden (z.B. synchrone/asynchrone Lehre) sinnvoll sein kann und insgesamt auch der Arbeitsaufwand, der sich für Lehrveranstaltungen ergibt, erfasst werden muss. Perspektivisch ist diese Evaluation auch notwendig im Hinblick darauf, dass aktuell nicht absehbar ist, wann in den Präsenzbetrieb zurückgekehrt werden kann.
Wir danken uns ganz herzlich bei Linda Ruppert für das spannende Interview.
Sarah Siemeister