Forschende Frauen 2019

Die FORSCHEnden Frauen fanden sich am 04. Juni 2019 unter dem Thema "sprache macht gesellschaft" zusammen.


Das 12. Kolloquium der Frauenbeauftragten für Nachwuchswissenschaftlerinnen besticht durch Gesellschaftsbezug und Aktualität. „Querverbindungen zwischen Themen begegnen uns oft dort, wo wir sie am wenigsten erwarten“ weiß eine der Frauenbeauftragte der Universität Bamberg, Professorin Dr. Astrid Schütz, gleich zu Beginn des Kolloquiums aus ihrem Erfahrungsschatz zu berichten und stellt fest, dass interdisziplinäre Veranstaltungen einen der besten Orte zum Vernetzen darstellen. Das Kolloquium der forschenden Frauen vernetzt seit 12 Jahren Wissenschaftlerinnen der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, in diesem Jahr zum gleichsam zeitlosen wie brandaktuellen Thema „sprache macht gesellschaft“. Die sieben Teilnehmerinnen präsentierten dem reichlich erschienenen Gästen anschaulich dargestellt ihre Forschungsergebnisse zur Wirkweise von Sprache auf die Gesellschaft und vice versa.

 

Caroline Kreutzer - Die Darstellung der Lucretia bei Livius – zwischen patriarchalischer Gesellschaft und persönlicher Macht

Caroline Kreutzer ist Mitglied des Lehrstuhlteams der alten Geschichte und referierte über das Thema „Die Darstellung der Lucretia bei Livius – zwischen patriarchalischer Gesellschaft und persönlicher Macht“.  Lucretia, eine bedeutende Frauenfigur der mythischen Frühzeit Roms, galt in der römischen Literatur als herausragendes Beispiel weiblicher Keuschheit und Reinheit, die der Gesellschaft immer wieder als Spiegel vorgehalten werden konnte. Zu den beachtenswertesten Überlieferungen der Lucretia-Erzählung gehören die Darstellungen des Historikers Livius, der in der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. tätig war. In ihrem Vortrag zeigte Caroline Kreutzer mittels einer philologischen und strukturellen Untersuchung der livianischen Textpassage die auffällige Dominanz der Frau auf, die durch eine fulminante und pathetische Rede als aktiv handelnde Person hervortritt und sich über die allgegenwärtige männliche Vormacht hinwegzusetzen vermag.

 

Lisa Dücker – Kleinschreibung von Frauen als Abwertung in Hexenverhörprotokollen

Lisa Dücker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für deutsche Sprachwissenschaft. Ihre Forschung beinhaltet unter anderem das Zusammenspiel von Belebtheit, semantischer Rolle und syntaktischer Funktion bei der Entwicklung der satzinternen Großschreibung im Deutschen. Empirisch untermauert wird dies von einer korpuslinguistischen Analyse von frühneuhochdeutschen Hexenverhörprotokollen aus Mitte des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts. In ihrem Vortrag legt Lisa Dücker dar, dass die Großschreibung Ehrbietung und Hervorhebung markieren soll. In den Verhörprotokollen jedoch sind ausschließlich Frauennamen klein geschrieben und nie mit Beruf benannt. Ein weiterer Forschungsansatz von Schnee fügt hinzu, dass es eine positive und negative Rollenzuweisung gibt, da ein Frauenname großgeschrieben wird, wenn die entsprechende Frau eine positiv bewertete Rolle zugesprochen wird und andersherum. Bei Männernamen wird hingegen kein Unterscheid gemacht. Dies weist daraufhin, dass Frauen Belebtheit abgesprochen wurde zu dieser Zeit.

 

Kerstin-Anja Münderlein – Trauma in the poetry of the Great War: Vera Brittain and the language of gender equality

Kerstin-Anja Münderlein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Englische Literaturwissenschaft und ihre Forschung beschäftigt sich mit dem Rahmen und der Gattung Gotischer Parodien. Ihr Vortrag thematisiert die Werke von Vera Brittain, eine englische Schriftstellerin aus dem 20. Jahrhundert, welche ihre eigenen Erfahrungen an der Front im ersten Weltkrieg und ihren Wandel zur Pazifistin in Gedichten niederschrieb. Kerstin-Anja Münderlein legt dar, wie traumatisierten Kriegsrückkehrern keine Stimme und keinen Platz in der Gesellschaft gegeben wurde. Als Kriegsrückkehrerinnen wurden Frauen hingegen als Autorität herangezogen, um eine für die Mehrheit der Gesellschaft gültige Haltung darzustellen. Für Frauen, die nicht in den Krieg mitgezogen sind, bedeutete oft der Abschied es Mannes teilweise Freiheit aus viktorianischen Zwängen. Es herrscht ein Genderkonflikt, den man aus der Gedichtsprache herauslesen kann.

 

Sophie Stackmann und Svenja Hönig – [W]ort der lebendigen Geschichte – Die sprachliche Produktion des polnisch-jüdischen Erbes im POLIN-Museum in Warschau

Sophie Stackmann und Svenja Hönig sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien. Ihr Vortrag thematisiert die Macht von Sprache, Erbe zu konstruieren am Beispiel des POLIN-Museums der Geschichte der polnischen Juden in Warschau. Das Museum steht auf dem ehemaligen jüdischen Viertel, das heißt, dass die Geschichte der polnischen Juden nur mit dem Mittel der Sprache erzählt wird und nicht mehr gezeigt werden kann. Die Vortragenden kritisieren, dass die Besucher und Besucherinnen des Museums somit nicht mehr zwischen Fakt und Fiktion selbst unterscheiden können. Sie konstatieren, dass Sprache auch viele Dinge „nicht“ sagen kann und das Museum wohl eher ein Ort der Erziehung, als ein Ort der Erinnerung darstellt.

 

Theresa Körner und Sophie Winkler – Eine Typologie deutscher Twitter-Bots im Journalismus

Theresa Körner und Sophie Winkler sind beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Kommunikationswissenschaften und ihr Vortrag behandelte das Thema „Was sind Bots und wie werden sie genutzt?“. Ein Bot ist eine Automatisierung in Form eines Algorithmus, welches eine eindeutig definierte Handlungsvorschrift ist. Die Rednerinnen analysieren die Twitter-Accounts mehrerer großer Zeitungen, welche oft einfach aus Bots oder Cyborgs bestehen, welches eine Mischform zwischen automatisierten Inhalten und händischer Ausführung sind. Die unterliegende Frage wird aufgeworfen, wie Journalismus Meinungsbildner sein können, wenn Sprachinhalte auf sozialen Medien automatisiert werden?

 

Vera Katzenberger und Ina von der Wense – Der Fall Claas Relotius. Eine erste Bestandsaufnahme der Berichterstattung in Print- und Onlinemedien

Vera Katzenberger und Ina von der Wense sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Kommunikationswissenschaften und stellten in ihrem Vortrag den Fall von Claas Relotius vor. Claas Relotius war Redakteur beim deutschen Nachrichtenmagazin SPIEGEL und hat dort gefälschte Artikel und Beiträge veröffentlicht. Nach der Betrugsoffenlegung wurde 2018 ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Grundlage für diese Untersuchung bildete der Framing-Ansatz von Robert Entman. Framing ist der Prozess einer Einbettung von Ereignissen und Themen in Deutungsraster, die systematisch genutzt werden können. Komplexe Informationen werden dadurch selektiert und strukturiert aufbereitet, sodass eine bestimmte Problemdefinition, Ursachenzuschreibung, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung in der jeweiligen Thematik betont wird. Die beiden Rednerinnen haben sieben Framingstrategien in der Berichterstattung identifiziert und weisen auf eine Skandalisierung des Falles hin. Ihr Forschungsansatz zeigt deutlich wie die Sprache und Wortwahl die gesellschaftliche Meinung beeinflussen kann.

 

Eleonore Schmitt- kinderlose Akademikerinnen, kinderlose Frauenrechtlerin. Subtiler M/Othering durch Verwendungskontexte des Adjektivs kinderlos

Eleonore Schmitt ist Teil Lehrstuhlteams der deutschen Sprachwissenschaft an der Universität Bamberg und ihr Forschungsschwerpunkt ist Typologisierung und Prozessierung von Systemabweichungen. Ihr Vortrag thematisiert die „Vermutterung“ der Frau als kultureller Prozess und die Abwertung und Funktionalisierung von neutralen Begriffen. Mutterschaft gilt als gesellschaftlich konstruierte Norm, denn sobald man kinderlos ist, dies als spezifisch induktive Annotation häufig genutzt wird. Der gesellschaftlich anerkannte Sprachgebrauch weist hier klare Lücken auf, da der kinderlose Mann keine soziale Kategorie ist und dies als Ausdruck dem landläufigen Ohr fremd ist.

 

Dieser Bericht wurde verfasst von Sarah Siemeister.