Ringvorlesung 2021 „Sprache.Macht.Geschlecht. Wie bestimmen Geschlecht und Gender das soziale Miteinander, die sprachliche Interaktion und das private wie berufliche Leben – und umgekehrt?“
Die Ringvorlesung widmet sich der Alltagskategorie "Geschlecht", die es aus linguistischer, soziologischer, psychologischer und kultureller Perspektive zu beleuchten gilt. Das Ziel ist es, die Kategorie vom Standpunkt einzelner Disziplinen aus zu definieren und ihre Bedeutung für die sprachliche und soziale Interaktion, auf das Kulturleben sowie auf das private und berufliche Leben zu erfassen. Das Thema ist ständigem Wandel unterworfen – damit ist die Vorlesungsreihe von hoher gesellschaftlicher Aktualität.
Sie richtet sich an die breite Öffentlichkeit sowie an Studierende aller Fächer, insbesondere an Studierende der Germanistik sowie aller Lehramtsstudiengänge. Die Ringvorlesung ist eine Kooperation des Frauenbüros, des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwissenschaft und der Projekte KulturPLUS und WegE (Qualitätsoffensive Lehrerbildung).
Programm der Ringvorlesung "Sprache. Macht. Geschlecht."
13.04.21 Einführung: Sprache, Denken, Handeln und Wirklichkeit – „Geschlecht“ aus linguistischer Sicht (Renata Szczepaniak)
Die Beziehung zwischen Sprache, Denken und Wirklichkeit beschäftigt die Linguistik seit Langem. Bezogen auf die Alltagskategorie „Geschlecht“ geht es dabei um die Fragen: Wie und warum wirkt sich die Wahl der sprachlichen Form, mit der wir über Personen Aussagen treffen, auf die Darstellung einer Situation oder die Argumentation? Was beeinflusst wiederum uns bei unserer Wahl der sprachlichen Ausdrücke? Wie schlägt sich stereotypes Denken in der Sprache nieder? Welche Rolle spielt die gewählte sprachliche Form für die Wahrnehmung der dargestellten Wirklichkeit? Hat das Konsequenzen für unsere Gesundheit und für unser privates Leben? In diesem Vortrag, der in die Ringvorlesung einführen wird, wird anhand von Beispielen aus der Vergangenheit und Gegenwart gezeigt, dass sprachliches Handeln weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen hat und aufs Engste mit unseren Grundbedürfnissen nach Gesundheit, glücklichem und erfülltem Leben und sozialem Erfolg verbunden ist.
Wer: Prof. Dr. Renata Szczepaniak, Universität Bamberg, Deutsche Sprachwissenschaft
Wann: 13.04.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
20.04.21 Neuere Forschungen zur Genderlinguistik (Damaris Nübling)
Der Vortrag berichtet von aktuellen genderlinguistischen Forschungen zum Deutschen, die teilweise aus DFG-Projekten resultieren. Dabei sollen verschiedene Zugänge zu einer „historischen Soziogrammatik“ vorgestellt werden. So zeigen rezente Studien, dass die Verbindung zwischen Genus (Femininum bzw. Maskulinum) und Geschlecht (weiblich bzw. männlich) weitaus enger sind als bislang bekannt und dass vor diesem Hintergrund grammatische ‚Fehlklassifikationen‘ (die Tunte, der Vamp, das Mensch) soziales ‚Fehlverhalten‘ ausstellen. Aus dem Bereich der Syntax werden sog. Binomiale (z.B. Männer und Frauen, Mütter und Väter) und deren Serialisierungsveränderungen im Laufe der letzten 70 Jahre dokumentiert, die Rückschlüsse auf gesellschaftlichen Wandel erlauben. Ein dritter Zugang beleuchtet den Vornamenwechsel von Transpersonen und wirft auch einen Blick auf Benennungspraktiken nicht-binärer Personen.
Wer: Prof. Dr. Damaris Nübling, Universität Mainz, Historische Sprachwissenschaft
Wann: 20.04.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
27.04.21 Geschlechtergerechtigkeit? Stabilität und Wandel des Geschlechterverhältnisses in Deutschland (Norbert Schneider)
Die öffentlichen Diskurse über die Geschlechterordnung und die Tendenzen ihres Wandels werden in Deutschland seit langem kontrovers geführt. Während einige betonen, Fortschritte hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit seien unübersehbar und die Diskriminierung von Frauen gehöre zunehmend der Vergangenheit an, verweisen andere auf die nach wie vor bestehende Benachteiligung von Frauen infolge kaum veränderter Strukturen und stabiler kultureller Leitbilder.
Als Beitrag zu dieser Debatte werden im Vortrag aktuelle Daten und Befunde zur geschlechtsdifferentiellen Teilhabe an bezahlter Erwerbs- und oftmals unbezahlter Familien- und Fürsorgearbeit vorgestellt und mit Bezug zur Frage „Wie bestimme Geschlecht und Gender das soziale Miteinander in Deutschland?“ interpretiert.
Wer: Prof. Dr. Norbert Schneider, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Soziologie
Wann: 27.04.21; 18.15–19.45 Uhr
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04.05.21 Wenn Päpste über Frauen reden. Die subkutane Genderdebatte in der Katholischen Kirche (Thomas Weißer)
Die römisch-katholische Kirche zeichnet sich in besonderer Weise durch den Umstand aus, dass Frauen qua Geschlecht keine höheren Leistungspositionen übernehmen können. Dieser androzentrischen Ordnung zum Trotz sind Frauen immer wieder Gegenstand päpstlichen Sprechens. Vor allem seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde so ein Genderdiskurs geprägt, der sich bis in die alltägliche Lebenspraxis von Katholik*innen ausgewirkt hat. Der Vortrag entschlüsselt in systematischer Absicht, wie ‚die‘ Frau bzw. Frauen in den lehramtlichen Texten thematisiert, ihre Rollen definiert und sie zugleich zum Verschwinden gebracht werden. Dadurch lassen sich zugleich Kontinuitäten und Divergenzen dieses Machtdiskurses aufzeigen.
Wer: Prof. Dr. Thomas Weißer, Universität Bamberg, Theologische Ethik
Wann: 04.05.21; 18.15–19.45 Uhr
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11.05.21 Gender und Sex als Denk-Kategorien in der Antike (Sabine Vogt)
Bereits in der frühgriechischen Naturphilosophie des 6. Jh. v. Chr. wurden die Phänomene der Welt gerne in binären Oppositionen beschrieben und analysiert. Dabei werden an sich wertneutrale Gegensatzpaare wie ‘rechts – links’, ‘oben – unten’, ‘trocken – feucht’, ‘hart – weich’ und eben auch ‘männlich – weiblich’ schon früh mit Werturteilen wie ‘stark – schwach’ oder ‘gut – böse’ korreliert. Aristoteles führte im 4. Jh. v. Chr. in seinen umfangreichen Schriften zu Zoologie, Biologie und Physiologie die Kategorien ‘männlich’ und ‘weiblich’ auch zur Beschreibung von Charaktereigenschaften ein – besser gesagt: von anthropozentrischen Charakter-Zuschreibungen. Nach dieser Vorstellung kann es beispielsweise in der Tierwelt „männliche Löwenweibchen“ und „weibliche Panthermännchen“ geben und ebenso unter den Menschen „weibliche Männer“ und „männliche Frauen“. Damit finden wir bei ihm erstmals eine neue Denk-Kategorie mit weitreichenden Folgen: das gesellschaftsbestimmte ‘gender’ im Kontrast zum biologischen ‘sex’.
Wer: Prof. Dr. Sabine Vogt, Universität Bamberg, Klassische Philologie, Schwerpunkt Gräzistik
Wann: 11.05.21; 18.15–19.45 Uhr
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18.05.21 Anti-Diskriminierung durch geschlechtergerechte Sprache? (Sabine Sczesny)
Welche mentalen Bilder von Frauen und Männern entstehen bei der Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Formulierungen? Wie und mit welchen Konsequenzen werden durch Sprache mentale Repräsentationen von Frauen und Männern beeinflusst? Im Vortrag wird aktuelle Forschung vorgestellt, die Auskunft darüber gibt, inwiefern der Sprachgebrauch die Selbst- und Fremdbeurteilungen von Frauen und Männern beeinflusst und inwieweit Sprachstrukturen und -gebrauch mit der erreichten gesellschaftlichen Gleichstellung der Geschlechter übereinstimmen.
Wer: Prof. Dr. Sabine Sczesny, Universität Bern, Soziale Neurowissenschaft und Sozialpsychologie
Wann: 18.05.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
Mittwoch, 26.05.21 Richtig gendern (Gabriele Diewald)
Gendern wird hier verstanden als die Anwendung geschlechtergerechter Sprache. Im Vortrag geht es um die verschiedenen sprachlichen Möglichkeiten und Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung dieses Anspruchs. Schwerpunkte sind die Diskussion um das sogenannte generische Maskulinum sowie Formen und Ausdrucksweisen, die im Kontext neuerer gesellschaftlicher Entwicklungen (v.a. die Diskussion um nicht-binäre Geschlechtermodelle) vorgeschlagen werden. Es werden sowohl systemlinguistische wie auch pragmatische Faktoren in den Blick genommen.
Wer: Prof. Dr. Gabriele Diewald, Universität Hannover, Germanistische Linguistik
Wann: Mittwoch, 26.05.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom (Link zur Veranstaltung)
01.06.21 Does gender matter? Zum Zusammenhang von Geschlechtsstereotypen mit der domänenspezifischen Kompetenzentwicklung (Ilka Wolter)
Geschlechtsstereotype werden definiert als sozial geteilte Annahmen darüber, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen Frauen und Männer aufweisen oder zeigen sollten. Es existieren beispielsweise Geschlechtsstereotype über akademische Domänen, nach denen Mädchen und Frauen oder Jungen und Männern eine höhere Kompetenz zugeschrieben werden. Ein wichtiger Aspekt der Vermittlung von Geschlechtsstereotypen sind bedeutsame Sozialisationspersonen, wie Eltern, Peers oder auch Lehrpersonen. In dem Vortrag werden zunächst Modelle der Entwicklung von Geschlechtsstereotypen dargestellt und deren Einfluss auf die Kompetenzentwicklung von Mädchen und Jungen im Schulalter herausgearbeitet. Darüber hinaus werden Befunde zur Persistenz von Geschlechtsstereotypen in der Entwicklung domänenspezifischer Kompetenzen bis ins Erwachsenenalter dargestellt. Abschließend werden die Rolle von Lehrpersonen und die Relevanz von Lernumwelten für geschlechtsspezifische Bildungsprozesse diskutiert.
Wer: Dr. Ilka Wolter, LifBi/BAGGS Bamberg, Bildungsforschung
Wann: 01.06.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
08.06.21 Wie geschlechtersensibel sind Bildungsmedien? Eine Frage des Maßstabs (Christine Ott)
Welcher Umgang mit 'Geschlecht' und geschlechtsbezogenen Repräsentationen in Text und Bild als geschlechtersensibel gilt, wird unterschiedlich beantwortet. Am Beispiel von zeitgenössischen deutschen Bildungsmedien wird gezeigt, welche Positionen im Geschlechterdiskurs aufeinanderprallen und welche Repräsentationen von Geschlecht jeweils als akzeptabel bis wünschenswert gelten. Im Fokus stehen die Diskursarena Schulbuch und die Diskursarena zulassungsfreie Lernhilfen mit den dort verhandelten Gleichberechtigungsverständnissen.
Wer: Dr. Christine Ott, Universität Würzburg, Germanistik und Komparatistik
Wann: 08.06.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
15.06.21 Gender in der Informatik – von blassen Nerds und fleißigen Lieschen (Ute Schmid/Kai Fischbach)
Zahlreiche Studien zeigen, dass Stereotype über das Berufsbild Informatik wesentlich dazu beitragen, dass sich Mädchen und Frauen nicht für ein Studium in diesem Bereich interessieren. Informatik wird als männlich geprägt, dominiert von blassen, einsamen Nerds aber auch von charismatischen Genies gesehen. Die meisten Studien zum Image der Informatik basieren auch Befragungen von Personen außerhalb der Informatik. Insbesondere werden häufig Studierende anderer Fächer nach ihrer Einschätzung von Eigenschaften und Fähigkeiten von Informatikstudierenden befragt. An der Universität Bamberg haben wir über mehrere Jahre Daten erhoben, bei denen Studierende der Informatik und Wirtschaftsinformatik nach ihrer Einschätzung der Mitstudierenden des gleichen oder anderen Geschlechts befragt wurden. Im Vortrag präsentieren wir zunächst Theorien und Befunde zum Thema Gender-Stereoptype in der Informatik und stellen dann eigene Forschungsergebnisse vor.
Wer: Prof. Dr. Ute Schmid und Prof. Dr. Kai Fischbach, Universität Bamberg, Kognitive Systeme
Wann: 15.06.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
22.06.21 Gender – humorlinguistisch (Helga Kotthoff)
Auch Humor, Lachen und Komik sind beteiligt an der Ausformung von gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen. Traditionell genossen Männer auf dem Gebiet der komischen Kommunikation viel größere Freiheiten als Frauen. Das Spiel mit Deformation, Doppelbödigkeit und der Umkehr von Normen setzt ein Subjekt voraus, das sich über die Verhältnisse erhebt. Die mit ihm lachen, schwingen sich gleichfalls auf die Meta-Ebene der Distanz und des Amüsements. Für Frauen war ein solches Ausmaß an Souveränität über Jahrhunderte hinweg nicht vorgesehen; inzwischen können wir sowohl in der alltäglichen als auch in der massenmedialen Lachkultur große Veränderungen beobachten, deren Konturen ich mit Beispielen skizzieren werden.
Wer: Prof. Dr. Helga Kotthoff, Uni Freiburg, Germanistische Linguistik
Wann: 22.06.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
29.06.21 Männlichkeit und Gesundheit (Monika Sieverding)
Geschlechterrollen gelten als wesentliche Ursache für Geschlechterunterschiede in gesundheitsrelevantem Verhalten, auch für die höhere Bereitschaft von Männern zu Risikoverhalten und ihr durchschnittlich geringeres Engagement in präventiven Verhaltensweisen. In dem Vortrag wird ein Modell vorgestellt, wie Geschlechterrollen das individuelle Verhalten beeinflussen können, wobei das Geschlechtsrollen-Selbstkonzept eine zentrale Rolle einnimmt. Es werden exemplarische Ergebnisse aus der eigenen Forschung vorgestellt, in der psychologische Einflüsse auf gesundheitsrelevantes Verhalten im Geschlechtervergleich untersucht wurden, u.a. zu den Themen Stressbewältigung, Alkoholkonsum und Krebsfrüherkennung.
Wer: Prof. Dr. Monika Sieverding, Universität Heidelberg, Genderforschung und Gesundheitspsychologie
Wann: 29.06.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
06.07.21 Geschlechter(de)konstruktion in und durch Film und Fernsehen (Johannes Weber)
Durch Netflix u.a. erfahren Film und Fernsehen einerseits einen Wandel, andererseits in Teilen eine Renaissance. Bereits die frühe feministische Filmtheorie hat audiovisuelle Erzählformen als wirkmächtige kulturelle Praktiken zur (Re-)Produktion von Körperbildern des Männlichen und Weiblichen sowie zur Konstruktion von sexueller Differenz bezeichnet.
Der Vortrag zeigt auf, wie und warum Film und Fernsehen zu Identifikationsorten für Geschlechterrollen werden und diskutiert hierbei neben den spezifischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen auch die Rolle von Filmschauspielern und -genres.
Ein kurzer Streifzug durch Klassiker des Queer und New Queer Cinema stellt vor, wie es diesen Filmen erzählerisch sowie formal gelingt, nicht-heterosexuelle Subjektivitäten herzustellen. Zum Abschluss werden bei Kindern und Jugendlichen aktuell beliebte Filme und Fernsehsendungen auf ihre geschlechterrollenprägenden Eigenschaften hin untersucht.
Wer: Dr. Johannes Weber, Universität Bamberg, Anglistik/ Projekt WegE/ ZLB
Wann: 06.07.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom
13.07.21 Fazit und Ausblick
Wann: 13.07.21; 18.15–19.45 Uhr
Wo: Zoom