Abschlussbericht

[see English version below]

In der christlichen Theologie wird Jesus von Nazareth mit seiner Botschaft von der Königsherrschaft Gottes als Christus, Messias und Heilsbringer bzw. -mittler verstanden. Dieses Glaubensbekenntnis erörtern die zwei theologischen Disziplinen der Christologie und der Soteriologie.

Traditionell steht bei der Heilsbedeutung des Christusbekenntnisses der Mensch, seine Freiheit im Verhältnis zu Gott und zu den anderen Menschen im Blick. Die Menschwerdung Gottes fokussiert jene Menschlichkeit, zu der alle Menschen berufen sind. Allerdings blendet die herkömmliche Herangehensweise die Frage nach inhumanen globalen Strukturen, deren Humanisierung und damit die Gestaltung der globalen Gemeinschaft als Inhalt und Zielpunkt christologischer bzw. soteriologischer Überlegungen aus. Der fehlende Bezug auf die ungerechten globalen Strukturen verhindert letztlich, die Frage nach dem von Gott zugesagten Heil realistisch beantworten zu können.

Um eine solche noch ausstehende strukturale und gemeinschaftsbasierende Christologie zu erarbeiten, greift das Projekt die Überlegungen des argentinisch-mexikanischen Befreiungstheologen und -philosophen Enrique Dussel auf. Dieser fragt in einem ersten Schritt nach den Grundprinzipien einer »Ethik der Gemeinschaft«, die fundamental auf der Achtung der Würde ›des Anderen‹ basiert. In einem zweiten Schritt erkennt Dussel diesen Anderen nicht nur in dem individuellen Nächsten, sondern auch im globalen Mit-/Gegeneinander von Völkern, Kulturen und Nationen. Auf dem Feld kapitalistischer Ökonomie versucht er mit Hilfe der Ökonomiekritik von Karl Marx diese Gemeinschaftsethik auf den globalen Kapitalismus anzuwenden sowie auszuweiten und in der Ausbeutung der lateinamerikanischen Kulturen und Nationen diesen ausgebeuteten Anderen zu entdecken, der bereits in der Ausbeutung der ›lebendigen Arbeit‹ bei Marx zu finden ist.

Während Dussel keine gemeinschaftsethische bzw. strukturale Christologie ausgearbeitet hat, wendet dieses Forschungsprojekt Dussels Überlegungen auf den Bereich der Christologie an. So wird in der Tradition befreiungstheologischen Denkens die Menschwerdung Gottes v.a. als Menschwerdung in den Armen verstanden, wodurch Gott nicht nur abstrakt Mensch wird, sondern v.a. als ein unter herrschenden Systemen konkret Leidender benennbar wird. Der Bezug auf Gott stellt eine Außenperspektive auf die irdischen Unterdrückungs-Systeme her, der sie als das entlarvt, was sie sind. Gerade die offenbarungstheologische bzw. inkarnationschristologische Begründung konkretisiert den weltlichen Gehalt einer Gemeinschaftsethik: Der Arme ist nicht nur einfach Ausgebeuteter im System, sondern wird über die Menschwerdung Gottes als jemand qualifiziert, der über das System hinausweist: seine Menschlichkeit und Würde bilden den kritischen Maßstab des Reiches Gottes für die Welt. Von dieser Erkenntnis her zielt Christologie auf eine Praxis der konkreten Befreiung aus Unterdrückung und erhält damit eine gleichermaßen realistische wie soteriologische Kontur.


Final Report

In Christian theology, Jesus of Nazareth with his message of the kingdom of God is understood as Christ, Messiah and bringer or mediator of salvation. This creed is discussed in the two theological disciplines of Christology and soteriology.

Traditionally, the salvific meaning of said creed focuses on human beings and their freedom in relation to God and other human beings. The incarnation of God focuses on the humanity to which all human beings are called. However, the conventional approach ignores the question of inhumane global structures, their humanisation and thus the shaping of the global community as the content and goal of Christological or soteriological considerations. The lack of reference to the unjust global structures ultimately prevents a realistic answer to the question what the salvation that is promised by God means.

In order to elaborate such a structural and community-based Christology, which is still outstanding, the project takes up the reflections of the Argentinean-Mexican liberation theologian and philosopher Enrique Dussel. In a first step, Dussel asks for the basic principles of an "ethics of community" that is fundamentally based on respect for the dignity of "the other". In a second step, Dussel recognises this Other not only as an individual neighbour, but also in the global relationships of peoples, cultures and nations. In the field of capitalist economy, he tries to apply and extend this ethic of community to global capitalism with the help of Karl Marx's critique of economy. The aim is to discover this exploited Other in the exploitation of Latin American cultures and nations, which can already be found in Marx's explanation of exploitation.

While Dussel did not elaborate a community-ethical or structural Christology, this project applies Dussel's reflections to the field of Christology. In the tradition of liberation theology, the incarnation of God is understood primarily as the incarnation of God in the poor, whereby God not only becomes human in an abstract way, but can also be identified with the concrete sufferer under prevailing systems. The reference to God creates an external perspective on the earthly systems of oppression, exposing them for what they are. It is precisely the revelation-theological or incarnation-Christological justification that concretises the content of an ethic of community: The poor cannot be reduced to the role of the exploited inside the system, but are also qualified as someone beyond the system which is made possible through the incarnation of God. Their humanity and dignity form the critical standard of the Kingdom of God for the world. Thus, Christology aims at a practice of liberation from oppression and receives a contour that is both realistic and soteriological.