„Und Gott sah, dass es gut war…“: Schöpfung und Endlichkeit im Zeitalter der Klimakatastrophe
Tagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie vom 16. bis 18. Februar 2009 in Hofgeismar
Dieses Mal wandte sich die Tagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie der Klimakatastrophe als theologischem Thema zu. Auf der Tagung wurde dabei diskutiert, wie man auf die Klimakrise reagieren sollte - dass Handlungsbedarf besteht, wird ja von niemandem mehr geleugnet, aber was man tun soll, ist sehr umstritten. Zugleich bot die Tagung aber auch eine Rückschau auf die bisherigen Bemühungen um eine neue ökologische Schöpfungstheologie, die seit den 80er Jahren maßgeblich von Mitgliedern der Gesellschaft für Evangelische Theologie mitgeprägt wurde.
Nach der Begrüßung der Tagungsmitglieder durch den Vorsitzenden der Gesellschaft für Evangelische Theologie, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, eröffnete Prof. Dr. Dr. Michael Welker (Heidelberg) die Tagung mit einem Vortrag unter dem Titel "Schöpfung und Endlichkeit. Theologische und naturwissenschaftliche Perspektiven". Wir brauchen mehr als ein "Ethos der Unterlassung", betonte er, und wies darauf hin, dass auch die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt auf weltanschaulichen Grundlagen beruhe. Dann entfaltete Prof. Welker Grundlagen der biblisch-theologischen Rede von der Schöpfung. Eine "Schöpfungsromantik" sei theologisch fehl am Platz - nicht nur wegen der Sünde. Während ein ausschließlicher (und brutaler) Anthropozentrismus zu kritisieren ist, so Prof. Welker, darf doch andererseits keineswegs die Verantwortung des Menschen innerhalb der Schöpfung ganz heruntergespielt werden.
An den systematisch-theologischen Eröffnungsvortrag schloss sich eine Bestandsaufnahme zum Stand der globalen Klimaforschung an. Dr. Dieter Gerten (Potsdam) sprach zum Thema "Natur aus der Balance" aus geographischer und klimatologischer Sicht - ein naturwissenschaftlicher Kontrapunkt zum theologischen Eröffnungsvortrag. Dr. Gerten stellte dar, dass es zwar inzwischen nicht mehr möglich sei, Klimaveränderungen ganz zu vermeiden, dass aber noch die Möglichkeit gegeben ist, eine "Klimakatastrophe" zu vermeiden. Mit eindrücklichen Beispielen wies er auf, wie viel Wasser jeweils nötig ist, bis eine Tasse Kaffee oder ein Steak konsumierfertig ist.
Am Abend fand ein Implusreferat von Prof. em. Dr. Christian Link (Bochum) und daran anschließend ein Podiumsgespräch mit Mitgliedern der Gesellschaft für Evangelische Theologie statt, die sich besonders in der Schöpfungstheologie engagiert haben: Dr. Gerhard Liedke und Pfarrer i.R. Klaus Bretschneider (Moderation: Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm).
Am 17. Februar standen zunächst zwei exegetische Vorträge auf dem Programm: Prof. Dr. Michaela Bauks (Koblenz) sprach zum Thema „Um die Bewahrung der Schöpfung muss gestritten werden - Fallbeispiel Hiob“ und PD Dr. Claudia Janssen (Hofgeismar) sprach als Neutestamentlerin zum Thema "Sehen lernen. Auferstehung und Schöpfung bei Paulus".
Prof. Bauks betonte, dass die Antworten Gottes am Ende des Hiobbuches den Anthropozentrismus kritisieren - und dass gerade darin ihre entlastende Funktion auch für Hiob bestünde. Gott weist Hiob darauf hin, wie vielfältig seine Schöpfung ist, und dass der Mensch nur eine sehr begrenzte Einflussmöglichkeit auf die Schöpfung hat. Das ist auch für gegenwärtige Schöpfungstheologie von Bedeutung, so Prof. Bauks: Der Respekt für die Schöpfung, und dafür, dass sie in Gottes Hand liegt, müsse neu gestärkt werden (rechts sehen Sie William Blakes Darstellung der Rede Gottes, und seines Hinweises auf den Behemoth und den Leviathan).
Frau PD Janssen konzentrierte sich in ihrem Vortrag zur (Neu-)Schöpfung bei Paulus besonders auf den 1. Korintherbrief. Sie bezog die Aussagen über die Schöpfung in 1Kor 15,36-41 auf Psalm 8 und schlug auf dieser Grundlage vor, das Wort "doxa" im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefs als "Schönheit" zu übersetzen. Damit sei die sinnlich-materielle Konnotation der verschiedenen von Paulus genannten Geschöpfe in Erinnerung gerufen. PD Janssen betonte, dass den Geschöpfen dabei unterschiedliche Arten von Schönheit zugesprochen würden - eine Schönheit, die ihnen auch aus der Erfüllung des ihnen zugesprochenen Ortes innerhalb der Schöpfung zukomme.
Nach den beiden exegetischen Vorträgen folgte ein Beitrag zur Schöpfungsethik aus ökumenischer Sicht. Prof. Dr. Christoph Stückelberger (Basel/Genf) sprach zum Thema "Für eine zukunftsorientierte Gestaltung der Schöpfung. Strategien der ökumenischen und interreligiösen Bewegungen". Prof. Stückelberger, der innerhalb des von ihm gegründeten globalen Ethikernetzwerks "globethics" aktiv ist, stellte konkrete "Strategien" zur Diskussion. Er wies etwa darauf hin, dass die Klimakatastrophe die Theologie vor die Herausforderung stellt, eine trinitarisch und eschatologisch begründete "Ökospiritualität" zu ermöglichen. Er rief dazu auf, sich aufseiten der Kirchen und der akademischen Theologie vor "überraschenden" Koalitionen nicht zu "fürchten", besonders mit der Privatwirtschaft. Statt von "Globalisierung" solle die Theologie für die "Oikolosierung" eintreten: "globus" ist die betont säkulare Bezeichnung der Erde, während "oikos" die Verantwortung für die gemeinsam bewohnte Schöpfung Gottes in den Mittelpunkt stellt. In der anschließenden Diskussion wurde besonders eine These von Prof. Stückelberger kritisch aufgenommen: Die Klimakatastrophe sei inzwischen so weit fortgeschritten, dass man auch aus theologischer Sicht zu fragen gezwungen ist "Who dies first, whom do we sacrifice first?". Seiner Aufforderung, besonders mit den Kirchen in Asien wegen der Klimakatastrophe Kontakt zu suchen, wurde zugestimmt - und zugleich wurde dabei festgehalten, dass damit ein Eintreten für die Menschenrechte untrennbar verbunden bleiben muss.
Am Nachmittag des 17.2. fanden sieben verschiedenen Arbeitsgruppen statt, die Möglichkeit zum Austausch in der kleineren Gruppe boten. Sie wurden geleitet von PD Dr. Dirk Evers ("Intelligent Design"), Prof. Dr. Michaela Bauks und PD Dr. Claudia Janssen ("Schöpfung in der Bibel"), Dr. Sabiha El-Zayat und Dr. Gerdi Nützel ("Interreligiöse Problemstellungen"), Prof. Dr. Michael Fricke ("Religionspädagogische Zugänge"), Prof. Dr. Christoph Stückelberger ("Ökumenische Perspektiven zur Schöpfungstheologie und -ethik"), Dr. Dieter Gerten ("Klimawandel als Herausforderung politischer Ethik") und Prof. Dr. Hans Diefenbacher ("Klimaschutzprojekte in der EKD").
Am Abend kam es zu einem Gespräch mit dem Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Martin Hein. Danach wurde die Austellung „Klima der Gerechtigkeit“ eröffnet, eine Initiative der Vereinten Evangelischen Mission (nähere Informationen dazu; ein Klicken auf das Bild dort führt zu weiteren Bildern).
Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion mit Politikern (Moderation: Prof. Dr. Bedford-Strohm) und die Plenumsdiskussion der Tagungsteilnehmenden (Moderation: Prof. Dr. Link).
Das Podium zum Thema "Leben im Einklang mit der Natur. Einsichten aus Kirche, Politik und Sozialwissenschaft" setzte sich zusammen aus:
- Ulrich Kelber, MdB, Stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD
- Bärbel Höhn, MdB, Stellv. Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
- Prof. Dr. Udo Kuckartz, Marburg
- Prof. Dr. Hans Diefenbacher, Umweltbeauftragter der EKD, Heidelberg
Dann trafen sich die Tagungsteilnehmenden zum gemeinsamen Gottesdienst in der Kirche der Evangelischen Akademie Hofgeismar (Gottesdienstgestaltung: Dr. Gerdi Nützel, Pfarrerin Ulrike Bundschuh, Ruth Huppert; Predigt: Propst i. R. Dr. Heino Falcke, verlesen von Pfarrer Ludger Gaillard, Göttingen). Gebetet wurde ein Psalm aus Südafrika (Weltgebetstag 2006): "All ihr geschaffenen Dinge, lobet Gott..."
Die "Hessische/Niedersächsische Allgemeine" berichtete am 20. Februar 2009 über die Tagung.
Bilder von der Tagung: Dietmar Kehlbreier; Bericht: Dr. Eva Harasta