Bonhoeffer Lectures 2007 am Union Theological Seminary, New York City: "Ending Poverty"

Prof. Bedford-Strohm wurde als einer von zwei "Distinguished Guest Lecturers from Germany" zu den diesjährigen Bonhoeffer-Tagen am Union Theological Seminary eingeladen. Sie haben vom 10. bis 12. Oktober 2007 stattgefunden.

Die "Bonhoeffer Lectures" erinnern seit 1993 alljährlich daran, dass Dietrich Bonhoeffer 1930/31 ein prägendes Jahr am Union Theological Seminary verbracht hat. Das Union Theological Seminary veranstaltet die Vorträge in Zusammenarbeit mit der Stiftung Bonhoeffer-Lehrstuhl; die Lectures behandeln ethische und zivilgesellschaftliche Themen, die Dietrich Bonhoeffer beschäftigt haben - oder ihn heute wahrscheinlich beschäftigen würden.

Das Thema für 2007 lautete: "Ending Poverty" - "Armut Beenden". Das Union Theological Seminary setzt damit seine sozialethische und befreiungstheologische Tradition fort.

Zu den Vortragenden gehören neben Herrn Bedford-Strohm:

Weitere Informationen zu den Union Days 2007 und den Bonhoeffer Lectures finden Sie auf der Homepage des Union Theological Seminary, klicken Sie einfach hier.

Katrin Meyerhöfer von der Pressestelle der Universität Bamberg hat nach den Bonhoeffer Lectures mit Herrn Bedford-Strohm gesprochen. Im folgenden finden Sie das Interview, das auch als Uni Bamberg News vom 12.11.2007 erschienen ist. Herr Bedford-Strohm spricht darin über seinen Zugang zum Thema der diesjährigen Bonhoeffer Lectures und über seine Erfahrungen während der Union Days, im Zuge derer sein Vortrag stattfand.
(Bildquelle des Fotos rechts: Union Theological Seminary)


Das diesjährige Thema der „Bonhoeffer Lectures“ lautete „Ending Poverty – World Poverty & Moral Responsibility“. Sie haben sich schon im Rahmen ihrer Promotion mit dem Thema Armut befasst. Liegt dieses Problem Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Ja, auf jeden Fall. Das Thema hat mich eigentlich seit meinem Studium intensiv begleitet. Ich habe als Student zum Beispiel in einer Wärmestube für Obdachlose gearbeitet und mich auch politisch für soziale Gerechtigkeit engagiert. Deshalb war das ein Thema, das auch in Hinblick auf die akademische Reflexion absolut spannend für mich war. Außerdem habe ich mich in den letzten Jahren aufgrund meiner Mitarbeit an der Armutsdenkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland noch einmal besonders intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Das ist dann natürlich auch alles mit eingeflossen in meinen Vortrag.

Worüber haben Sie gesprochen?

Ich habe über das Thema „Poverty and Public Theology“, also Armut und öffentliche Theologie, referiert. Die Fragestellung war: Wie kann eigentlich der Beitrag von Theologie und Kirche zum öffentlichen Diskurs über Armut aussehen? Wie kann die Kirche sich konstruktiv in die Politik einmischen, so dass die Situation der Armen und Schwachen verbessert wird? Meine Meinung ist, dass das Modell der öffentlichen Theologie die angemessene Antwort auf diese Frage ist. In meinem Vortag bin ich mit Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther auf zwei Theologen eingegangen, die in der Kirchengeschichte etwas ganz Ähnliches vertreten haben. Anschließend habe ich herausgearbeitet, warum ich selbst ein Anhänger des Modells der öffentlichen Theologie bin. Es versucht die Quellen, von denen die Kirche spricht – also die biblische und theologische Tradition – offen zu legen und dann in einem zweiten Schritt mit den Mitteln der praktischen Vernunft deutlich zu machen, warum das für alle Menschen plausibel gemacht werden kann. Ich habe also eine Zweisprachigkeit beschrieben. Es muss eine klare theologische Basis da sein, aber gleichzeitig muss etwas auch in die Sprache der Welt übersetzbar sein. So kann die Kirche dazu beitragen, dass das Thema Armut deutlicher ins öffentliche Bewusstsein gerät.

Wie waren die Reaktionen auf das Modell der öffentlichen Theologie?

Ich zögere natürlich ein wenig, darüber sozusagen in eigener Sache zu reden. Nur soviel: Das Echo auf den Vortrag war sehr großzügig. Viele Beziehungen sind in diesen Tagen gestärkt worden und neue Beziehungen haben sich eröffnet. Der Präsident vom Union Seminary hat mir im Nachhinein einen Brief geschrieben, in dem es hieß: „We thank you so much for this extraordinarily strong lecture.“

Das Modell der „Public Theology“ ist in der Theologie weltweit ein Paradigma der Zukunft, das ich auch hier in Deutschland vorantreiben möchte. Im Mai habe ich in Princeton an der Gründungskonferenz des „Global Network of Public Theology“ teilgenommen. Hier in Bamberg habe ich bei unserer Universität die Errichtung einer „Dietrich Bonhoeffer-Forschungsstelle für öffentliche Theologie“ beantragt. Die erweiterte Unileitung hat das schon befürwortet. Ich hoffe, dass auch der Senat bei seiner nächsten Sitzung zustimmt. Wenn diese Forschungsstelle genehmigt wird, dann kann ich mein weltweites Netzwerk wunderbar in den Bamberger Kontext einbringen. Dadurch eröffnen sich auch für meine Arbeit hier am Lehrstuhl in Bamberg viele Möglichkeiten.

Um noch einmal auf die „Bonhoeffer Lectures“ zurückzukommen: Wie haben Sie die Veranstaltung erlebt?

Ich habe schon mehrfach an den „Bonhoeffer-Vorlesungen“ teilgenommen. Die Lectures in diesem Jahr, würde ich sagen, waren ein Höhepunkt. Es waren vielleicht 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anwesend – davon eine Menge wirklich einschlägige und in der Sache sehr engagierte Leute. Deshalb war auch die Kompetenz des Auditoriums außerordentlich hoch. Das Programm war exzellent besetzt. Was ich in den Referaten inhaltlich mitnehmen konnte, hat meine Erwartungen noch übertroffen.

Gab es einen Vortrag, der Sie besonders beeindruckt hat?

Ja, der Vortag von Jeffrey Sachs, einem der bekanntesten Ökonomen weltweit. Er ist der Direktor des Millennium Programms der Vereinten Nationen, lehrt an der New Yorker Columbia University, war Chefökonom der Weltbank und hat fast alle Regierungen der Welt beraten. Sachs hat in großer Eindringlichkeit deutlich gemacht, wie leicht es ist, weltweit Armut zu bekämpfen und damit Menschenleben zu retten, wenn nur der Wille wirklich da ist. Das hat eigentlich alle Zuhörer tief beeindruckt, weil das ein Mensch mit großem Sachverstand ist und nicht irgendjemand, den man einfach als naiven Moralisten abqualifizieren kann. Sondern jemand, der einfach möchte, dass die Menschen leben. Einer, der gegen den Skandal der weltweiten Armut protestiert und gangbare Wege aufzeigt, wie diese Armut wirklich bekämpft werden kann. Wer ihn erlebt hat, kann eigentlich nicht mehr in den gewohnten Bahnen weiterleben, ohne etwas zur Bekämpfung von Armut zu tun. Sein Vortrag war nicht nur ein akademisches Glasperlenspiel, das war eine Verbindung von bester akademischer Reflexion mit einem kraftvollen Engagement gegen Armut!

Sehr eindrucksvoll war gegen Ende auch die Vorstellung von verschiedenen Initiativen gegen Armut, die von Betroffenen selbst in Gang gesetzt wurden. Es ist entscheidend, dass der Kampf gegen die Armut nicht paternalistisch auf der Basis von bloßem Mitleid geführt wird, sondern ein Kampf für Gerechtigkeit ist. Und Gerechtigkeit heißt, dass alle, auch die schwächeren Glieder an der Gesellschaft teilhaben und dadurch selbst Verantwortung übernehmen können.

Herr Bedford-Strohm, vielen Dank für das Gespräch!