„Nur wer arbeitet, soll auch essen“? Menschenbild und Erwerbsarbeit im Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens
Die Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für Öffentliche Theologie veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Bildungswerk Bamberg am 29.04.2008 zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion.
Auf dem Podium diskutierte der Leiter der DBFÖT, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm mit Dr. Manfred Böhm, Leiter der katholischen Betriebsseelsorge (Bamberg) und Dr. Hans-Gerhard Koch, Leiter i.R. der Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt Bayern (Fürth). (Unter dem Portrait von Dietrich Bonhoeffer sehen Sie rechts ein Bild des Podiums mit - von links - Dr. Böhm, Prof. Dr. Bedford-Strohm und Dr. Koch. Bild: Pressestelle Uni Bamberg.)
Kann man mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle die gegenwärtigen sozialen Probleme in Deutschland lösen?
Was sich auf den ersten Blick wie eine Utopie anhören könnte - keine Arbeit mehr, sondern sorgloses Verfolgen der eigenen Interessen dank finanzieller Unabhängigkeit - wird zur Zeit von sehr unterschiedlichen politischen Lagern als reale Möglichkeit diskutiert: Einkommen ohne Arbeit.
So haben die Grünen, die Linkspartei, der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus von der CDU oder die FDP das bedingungslose Grundeinkommen auf ihre Fahnen geschrieben. Allerdings in sehr unterschiedlicher Weise und mit sehr verschiedenen Zielen!
Die Veranstaltungsreihe von DBFÖT und Evangelischem Bildungswerk Bamberg besteht aus zwei Podiumsdiskussionen und einem Vortrag von Prof. Götz Werner. Damit soll die komplexe Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen erhellt werden.
Im Mittelpunkt der ersten Veranstaltung am 29.04. stand die grundsätzliche Klärung des Grundeinkommens. Am 29.05. wird die Finanzierungsfrage erörtert - wie stellen es sich die unterschiedlichen Modelle vor, dass einj Grundeinkommen für alle Bürger und Bürgerinnen bezahlt werden kann? - und am 03.07. wird mit Prof. Götz Werner ein prominenter Vertreter des Bedingungslosen Grundeinkommens in Bamberg zu Gast sein.
Dr. Hans-Georg Koch eröffnete seine Ausführungen am 29.04. mit dem Hinweis, dass er im Ruhestand ja eigentlich bereits eine Art "bedingungsloses Grundeinkommen" beziehe. Doch wandte er zugleich kritisch gegen ein allgemeines bedingungsloses Grundeinkommen ein, dass die materielle (Mindest-)Versorgung kein Ersatz für soziale Teilhabe sei. Sollen etwa mit dem bbedingungslosen Grundeinkommen einfach die sozial Schwachen Glieder der Gesellschaft "ruhig gestellt" werden?
„Arbeit ist genug da“, so Koch, „nur eben keine marktgängige.“ Pflege, Kindererziehung oder bürgerschaftliches Engagement sollten in einem zweiten Arbeitsmarkt gefördert werden. Darin sieht er eine praktikable Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen, welches für ihn „eine produktive Utopie“ darstellt, „die aber jetzt und noch lange Zeit an den Menschen vorbeigeht“.
Dr. Böhm von der Bamberger katholischen Betriebsseelsorge stimmte Dr. Kock durchaus zu: Gegenwärtig steht die Erwerbsarbeit so sehr im Mittelpunkt des Steuersystems und auch des gesellschaftlichen Ansehens, dass ein Modell, das Lohn und Leistung voneinander trennt, in der Tat vorsichtig zu beurteilen sei.
Dr. Böhm warnte vor den Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens auf die Solidarität der Menschen untereinander. Das von Vertretern des Grundeinkommens propagierte Bild des mündigen, sich selbst bildenden und an der Zivilgesellschaft partizipierenden Bürgers ist sehr voraussetzungsreich - durch ein Minimaleinkommen wird keineswegs automatisch auch die soziale Teilhabe aller impliziert. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte im Gegenteil die Arbeitgeberinnen und Besserverdienenden tendentiell aus ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung entlassen.
Die anschließende Diskussion zeigte die Leidenschaften, die der Gedanke an ein Einkommen ohne Arbeit weckt. Einerseits handelt es sich sozusagen um einen "Traum der Menschheit" - es könnten ganz neue Formen ds Lebens ohne Zukunftssorge entstehen. Andererseits wurde aber auch gefragt, ob solche Modelle überhaupt realisierbar wären.
Die zweite Podiumsdiuskussion wird sich dementsprechend mit dem Problem der Finanzierbarkeit des Grundeinkommens beschäftigen:
Am 29. Mai werden Armin Grasser von der Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen Berlin und der Bamberger Professor für Volkswirtschaftslehre Johannes Schwarze diskutieren.
Den Zeitungsartikel aus dem Fränkischen Tag über die Podiumsdiskussion können Sie hier(381.3 KB, 1 Seite) nachlesen (pdf)!