PROMOTIONSPREIS DER UNIVERSITÄT BAMBERG 2022
Matthias Baumgartl
Dissertation: Das Resilienz-Management von Einzelunternehmern: Der Transalpenhandel des Augsburgers David Gauger und des Bozners David Wagner um 1600
Anhand zweier Fallbeispiele gelingt Matthias Baumgartl der erstmalige empirische Nachweis eines Resilienz-Managements frühneuzeitlicher Kaufleute. Sowohl der Augsburger David Gauger als auch der Bozner David Wagner stehen stellvertretend für den Typus des kleineren und mittleren (Einzel-)Unternehmers, der im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zunehmend zum Träger des oberdeutschen Fernhandels avancierte. Während die Schwerpunkte von Gaugers Unternehmen auf transalpinen Speditionsdienstleistungen und dem Export mitteldeutscher Wolle nach Oberitalien lagen, setzte Wagner vor allem oberdeutsche Textilien an italienische Kaufleute ab und engagierte sich im Tiroler Kupferhandel.
Die Arbeit untersucht, wie die beiden Unternehmer mit Ereignissen, die ihr Geschäftsmodell in Frage stellten, reaktiv und proaktiv umgingen. Dabei legt sie ein besonderes Augenmerk auf die Frage, welche Herausforderungen der wirtschaftliche Strukturwandel für die beiden Unternehmer mit sich brachte und wie sie diesen bewältigt haben.
Grundlage für die Analyse sind die Geschäftsbücher der beiden Kaufleute, die aus einer mikroökonomisch-praxeologischen Perspektive betrachtet werden. Dies ermöglicht es, das Verhalten der Unternehmer in Bezug zu möglichen geschäftsschädigenden Ereignissen zu setzen. Der methodischtheoretische Ansatz definiert ‚Liquidität‘, ‚Wissen‘ und ‚Netzwerke‘ als die drei für die Resilienz eines Unternehmens fundamentalen Ressourcen. Buchführung bildete die Grundlage für die Produktion und Organisation von ‚Wissen‘ und ist somit als Resilienz-Instrument zu verstehen. Organisationsformen, die die Bündelung von Resilienz-Ressourcen unter Kooperationspartnern erlaubten, verdeutlichen die Bedeutung von ‚Netzwerken‘. Bei der dritten Ressource ‚Liquidität‘ zeigt sich, dass die Inanspruchnahme von Finanzdienstleistungen zu deren Sicherung, Steuerung und Kontrolle beitragen konnte.
Die innovative Herangehensweise liefert eine neue Perspektive für die Unternehmensgeschichte der vorindustriellen Zeit. Sowohl der konzeptionelle Rahmen als auch die verstandene Doppelrolle von Buchführung als unternehmenshistorische Quelle und Resilienz-Instrument ebnen den Weg für zukünftige Fallstudien.
Matthias Baumgartl studierte Geschichte an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Università degli Studi di Firenze. Von 2018 bis 2022 war er am Lehrstuhl für Neuere Geschichte der Otto-Friedrich-Universität Bamberg als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. 2022 wurde er dort promoviert. Seit September 2022 absolviert er eine Ausbildung an der staatlichen Archivschule in München.