OTTO-MEYER-UND-ELISABETH-ROTH-PROMOTIONSPREIS 2020

Dr. Andreas Schenker

Dissertation: Der Rinderhandel im Hochstift Bamberg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Struktur, Entwicklung und die Aushandlung der normativen Rahmenbedingungen zwischen Obrigkeit und Marktakteuren

Erstmals untersucht die Arbeit umfassend den frühneuzeitlichen Rinderhandel einer Region und zeigt die Verkettung von Ökonomie und Herrschaft auf. Rinder waren aufgrund ihrer Milcherzeugung, Mistproduktion und Zugleistung und der aus ihren Körpern gewonnenen Produkte Fleisch, Talg und Häute unentbehrlich. Ein Großteil der Gesellschaft hielt und nutzte die Tiere, arbeitsteilig organisiert über einen stark atomisierten Markt. Rinder wechselten regelmäßig zwischen unterschiedlichen Naturräumen, aufgrund saisonaler Nutzungszyklen oder zwischen unterschiedlich spezialisierten Betrieben den Besitzer. Die Transfers wickelten insbesondere gut vernetzte jüdische Händler ab. So wurden magere Ochsen aus der Oberpfalz, Böhmen und sogar Ungarn in die fruchtbaren Flussauen des Fürstbistums verkauft, dort gemästet und anschließend in Städte wie Bamberg, Nürnberg oder Straßburg geliefert, wo Fleisch bereits als Grundnahrungsmittel galt und in zunehmendem Maße von breiten Bevölkerungsschichten konsumiert wurde.

Eine Diskursanalyse fördert zu Tage, wie intensiv zwischen den beteiligten Landwirten, Metzgern, Händlern und der Obrigkeit um die Regulierung des Handels gerungen wurde. Die Metzgerzunft und Teile der Beamtenschaft drängten immer wieder mit Verweis auf drohende Angebotsengpässe, mit Hilfe der traditionellen Moralisierung der Ökonomie und antijüdischen Argumenten auf Beschränkungen der Ausfuhr und des weit verbreiteten Handels auf Kredit. Allerdings konnten ländliche Gemeinden und Ju-denschaften mithilfe anbieterzentrierer und paternalistisch-projüdischer Diskurse Restriktionen regelmäßig abwehren.

Forderungen nach Exportbeschränkungen setzten sich einzig während Teuerungskrisen kurzfristig durch. Ansonsten begann sich der handelspolitische Diskurs durch das Aufkommen wirtschaftsliberaler, bürgerrechtlicher und emanzipatorisch-projüdischer Vorstellungen gegen Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend zu liberalisieren.


Andreas Schenker studierte von 2006 bis 2013 an der Universität Bamberg und an der Universidad Complutense de Madrid Geschichte und Germanistik. Anschließend promovierte er bis 2020 an der Universität Bamberg im Fach Neuere Geschichte zum Thema des frühneuzeitlichen Rinderhandels. Die Promotion wurde durch ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel Stiftung gefördert. Daneben war er als Projektmitarbeiter am Stadtarchiv Bamberg sowie als Lehrbeauftragter und Projektmitarbeiter am Bamberger Lehrstuhl für Neuere Geschichte tätig. Seit 2018 absolviert er für das Stadtarchiv München an der Bayerischen Archivschule den Vorbereitungsdienst für den Einstieg in der vierten Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Bildung und Wissenschaft, fachlicher Schwerpunkt Archivwesen.