HABILITATIONSPREIS DER SPARKASSE BAMBERG 2020
Prof. Dr. Christoph Spörlein
Habilitation: Selektive Migration und Muster der Sozialintegration von Zugewanderten im internationalen Vergleich
Der erste Teil dieser kumulativen Habilitationsschrift untersucht die klassische Idee der selektiven Migration anhand neuer Daten und Methoden für aktuelle Migrationsbewegungen. Selektive Migration bezeichnet das Phänomen, dass zugewanderte Personen keine Zufallsstichprobe der Herkunftsbevölkerung darstellen, sondern sich in einer ganzen Reihe von Merkmalen systematisch von dieser unterscheiden. Sie sind zum Beispiel jünger, gesünder und besitzen allgemein mehr Ressourcen (kognitiver und/oder materieller Natur) als Personen, die im Herkunftsland geblieben sind. Angewandt auf das Phänomen der Bildungsselektivität konnte demonstriert werden, dass aktuelle Neuzuwanderer überwiegend aus den überdurchschnittlich gebildeten Segmenten der Herkunftsbevölkerung rekrutiert sind – mit positiven Konsequenzen für den Spracherwerb. So wurde auch gezeigt, dass Neuzuwanderer, die relativ zu vergleichbaren sesshaften Personen des Herkunftslandes überdurchschnittlich gebildet waren, ihre Deutschkenntnisse in den ersten Aufenthaltsjahren deutlich schneller steigern konnten.
Der zweite Teil rückt die Positionierung von Zuwanderern und ihren Kindern im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt in den Fokus. Ausgangspunkt war dabei die Idee, dass Bildungssysteme neben ihrem bereits bekannten Einfluss auf mittlere Kompetenz- und Arbeitsmarktertragsunterschiede auch einen Einfluss auf die Streuung um diese Mittelwerte ausüben. Bildungssysteme mit Strukturen ähnlich dem deutschen System (z.B. frühe Selektion in parallele Bildungszweige) zeigen zwar keine zusätzlichen Unterschiede in den mittleren Leistungen, das Ausmaß der ethnischen Kompetenzungleichheit ist dennoch höher, da Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in diesen Systemen stärker um ihre niedrigeren Leistungen konzentriert sind. Auch die frühen Erwerbskarrieren werden durch Bildungssystemunterschiede systematisch beeinflusst. Das Ausmaß der ethnischen Ungleichheit in den Arbeitsmarkterträgen ist deutlich ausgeprägter in Ländern deren Bildungssysteme dem deutschen System ähneln und gleichzeitig standardisierter sind. Im Gegensatz zu Personen mit Migrationshintergrund profitieren Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung im internationalen Vergleich jedoch genau von dieser spezifischen Kombination der Bildungssystemcharakteristika.
Christoph Spörlein studierte Soziologie und empirische Sozialforschung an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Utrecht. Nach erfolgreicher Promotion an der Universität zu Köln und einem Forschungsaufenthalt an der University of North Carolina leitete er an der Universität Bamberg von 2015 bis 2019 zwei Drittmittelprojekte zu Fragestellungen der Integration von Zuwanderern. Im Anschluss an einen kurzen Zwischenstopp als Inhaber der Juniorprofessur für Soziale Ungleichheit an der Universität Oldenburg trat er 2020 die Soziologieprofessur mit dem Schwerpunkt Statistik und Sozialstruktur an der Universität Düsseldorf an. In seiner Forschung und Lehre beschäftige er sich schwerpunktmäßig mit der quantitativ-empirischen Beschreibung und Erklärung von Phänomenen sozialer Ungleichheit wie etwa ethnischer Bildungs- und Arbeitsmarktungleichheit.