Da lacht das Apfelweibla
Um an E.T.A. Hoffmann, einen ihrer bedeutendsten Bürger zu erinnern, verleiht die Stadt Bamberg seit 1989 alle zwei Jahre den gleichnamigen Preis. In diesem Jahr geht er an Honorarprofessor Dr. Bernhard Schemmel. Er wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet, weil er sich seit Jahrzehnten dem Gedenken an das Universalgenie E.T.A. Hoffmann annimmt, welcher unglücklich verliebt, chronisch knapp bei Kasse und künstlerisch verkannt viereinhalb Jahre in Bamberg lebte.
Eigentlich war es keine Überraschung, dass Honorarprofessor Dr. Bernhard Schemmel am 17. Dezember mit dem E.T.A.-Hoffmann-Preis ausgezeichnet wurde. Sondern eher die Idealbesetzung: Alle zwei Jahre vergibt die Stadt Bamberg den mit 6.000 Euro dotierten Preis, der auf die Idee von Prof. Dr. Siegfried Sudhof, dem ersten Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg, zurückging.
Laut Satzung soll der Preis an Personen oder Institutionen gehen, die sich durch ihr „Schaffen und Wirken verdient gemacht haben und dem künstlerischen Anspruch, der mit dem Namen E.T.A. Hoffmann verbunden ist, gerecht werden.“
Jahrzehntelange Leidenschaft
Diesen Anspruch erfüllt der Honorarprofessor für Kultur- und Literaturgeschichte Frankens an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dr. Bernhard Schemmel, wie kein Zweiter: Der mittlerweile pensionierte Leiter der Staatsbibliothek Bamberg ist seit 1998 Vorsitzender der internationalen E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft – die gleichzeitig die weltweit einzige ist – und kümmert sich persönlich um Pflege und Gestaltung von E.T.A.-Hoffmanns ehemaligem Wohnhaus am Schillerplatz, das er zu einem anschaulichen Museum und der einzigen Hoffmann-Gedenkstätte überhaupt gemacht hat. Obwohl es im Winter gar nicht und in der Tourismussaison nur zwei Stunden täglich geöffnet sein kann, verzeichnet es dennoch durchschnittlich 3.500 Besucher im Jahr.
Die unabhängige Fachjury und der Stadtrat betonen in ihrer Entscheidung zur Auszeichnung Schemmels sein seit „vier Jahrzehnten währendes, von Leidenschaft getragenes Engagement um Leben und Werk E.T.A. Hoffmanns“ und zeichnen ihn daher einstimmig für sein Lebenswerk aus. Jury-Mitglied und Laudatorin Nora Gomringer, Leiterin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, betonte: „Unter immer neue Lupen, in immer neue Zerrspiegel und Vexiergläser nimmt Bernhard Schemmel E.T.A. Hoffmann, das Haus und die Gesellschaft – ein glücklicher Umstand für uns.“ Sie gestand ein: „Für Ihr beständiges, großes Engagement und Ihre Hingabe kann man sie eigentlich nicht angemessen auszeichnen.“
Wiedergutmachung an Hoffmann
Schemmel nahm sich diesem bedeutenden Vertreter der Romantik an, der 1808 als Kapellmeister nach Bamberg kam und nach nur zwei Monaten die Stelle verlor, wie Oberbürgermeister Andreas Starke in seiner Rede schilderte. So quälend ihm diese finanziell und privat schwierige Zeit auch vorgekommen sein mag – so produktiv war sie für sein künstlerisches Schaffen. Nicht nur der Bamberger Dialekt, sondern auch Details der Stadtkulisse fanden Eingang in sein Werk. Am bekanntesten ist wohl der Türknauf an der Eisgrube 14, den der Literat im Roman Der goldene Topf als „Äpfelweib“, im Bamberger Volksmund „Apfelweibla“ genannt, verarbeitete.
Dank Schemmels Engagement scheint die Ignoranz der Zeitgenossen wieder gutgemacht: Mit großem Erfolg habe sich der 74-Jährige um die Rezeption und Bekanntheit des Multitalentes Hoffmann bemüht. Laut Jury habe Schemmel die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft „mit einem überaus lebendigen und vielseitigen Programm zu einem über die Grenzen Bambergs hinaus auch international beachteten Ansehen geführt“. Unter Schemmels Leitung wuchs die E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft, die 1938 gegründet und nach dem 2. Weltkrieg in Vergessenheit geraten war, enorm: Mittlerweile agiert sie vor allem international und verzeichnet Mitglieder aus England, Japan oder Südkorea. Nicht einmal zehn Prozent der aktuell 435 Mitglieder kommen aus Bamberg.
Dass die Staatsbibliothek Bamberg heute neben dem E.T.A. Hoffmann-Archiv der Staatsbibliothek in Berlin den größten Sonderbestand zu E.T.A. Hoffmann beherbergt, ist besonders den zahlreichen Erwerbungen Schemmels zu verdanken. Wie gut der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen der Bamberger Universität und der Staatsbibliothek klappten, zeigt auch die Ernennung Schemmels zum Honorarprofessor für Kultur- und Literaturgeschichte Frankens im Jahr 2000. In der Folge gab er sein Wissen in Vorträgen und Seminaren an Studierende weiter: Er beschäftigte sich unter anderem mit Totentanz-Darstellungen, dem Kalender als literarischem Phänomen und arbeitete über die graphischen Thesen- und Promotionsblätter der Universität Bamberg, zu denen er auch einen Katalog herausgab.
Auszeichnung für sein Lebenswerk
Schemmel empfing den Preis „mit großer Dankbarkeit und Freude“. Auf seinen besonderen Wunsch kam E.T.A. Hoffmann bei der Preisverleihung sozusagen persönlich zu Wort: Andreas Ulich, Schauspieler und Rezitator, der regelmäßig Lesungen im E.T.A.-Hoffmann-Haus abhält, las aus Kapellmeisters Johannes Kreislers musikalische Leiden. Die im Text erwähnten Bach'schen Goldbergvariationen spielte Natalia Solotych am antiken Hammerflügel, der extra für diesen Anlass von Wolf Dieter Neupert geliehen wurde. Sie spielte auf einem Fortepiano des Bamberger Instrumentenbauers Christoph Ehrlich, der seine Werkstatt am Stephansberg hatte. Zu hören war zwar nicht Hoffmanns Originalinstrument, aber ein Zeitgenosse.
Nicht zufällig, denn Schemmel betont, dass er auch das Preisgeld im Sinne Hoffmanns einsetzen möchte: „Ein solches Tafelklavier, wie wir es heute gesehen haben, hätte ich gerne nicht nur als Leihgabe im E.T.A.-Hoffmann-Haus, sondern als Eigentum.“ Kein Wunder also, dass in diesen Tagen der Türknauf an der Eisgrube 14 in Gestalt des Apfelweiblas noch freudiger zu grinsen scheint als üblich.
Mitglieder der unabhängigen Fachjury
Die unabhängige Fachjury bestand aus Bürgermeister Dr. Christian Lange, Kulturreferent der Stadt Bamberg, Nora-Eugenie Gomringer, Leiterin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, Dr. Barbara Kahle, Vorsitzende des Kunstvereins Bamberg, Prof. Dr. Friedhelm Marx, Literaturwissenschaftler an der Universität Bamberg, Andrea Paletta, Vorsitzende des Musikvereins Bamberg und Gerhard Schlötzer, Vorstand des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Oberfranken.
Hinweis
Diesen Text verfasste Kathrin Wimmer für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er kann für redaktionelle Zwecke verwendet werden.
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