Die Vermessung des Doms
„Sammeln Sie Geld für einen guten Zweck?“, witzelt ein Passant auf der Oberen Brücke im Vorübergehen, der einen neugierigen Blick auf die am Boden liegenden Geräte wirft. Kabel und Köfferchen schmücken die Brücke, die bereits um 8 Uhr morgens zahlreiche Radfahrer, Fußgänger und Lieferfahrzeuge überqueren. Welche Schwingungen erzeugen sie auf dem Gemäuer? Genau das misst ein Forscherteam mit technischen Geräten: diese kleinsten Schwingungen, sogenannte mikroseismische Vibrationen.
Verschiedene Fachbereiche und Nationen arbeiten zusammen
Das Team testet die Technik, bevor am Montag, 30. Juli 2018, die Summer School beginnt – ein Kurs an der Universität Bamberg, zu dem internationale Studierende anreisen. Innerhalb einer Woche lernen sie verschiedene zerstörungsfreie Methoden kennen, um den Bamberger Dom zu vermessen. Monitoring Heritage 2018 heißt der Kurs, den das Institut für Archäologische Wissenschaften, Denkmalwissenschaften und Kunstgeschichte (IADK) zum ersten Mal anbietet, und der durch zentrale Mittel der Universität und die Oberfrankenstiftung finanziell unterstützt wird. Das Angebot bereichert das Jubiläumsjahr 2018: Vor 25 Jahren wurde die Altstadt von Bamberg zum UNESCO-Welterbe erklärt.
Als Experte für Mikroseismik ist Bauingenieur Dr. Jesús Pacheco Martínez von der mexikanischen Universidad Autónoma de Aguascalientes angereist, der für drei Wochen als Gastprofessor in Bamberg arbeitet. Nach mehreren gemeinsamen Tätigkeiten in Mexiko hat er die Einladung von Geophysiker Prof. Dr. Till Sonnemann angenommen, der zusammen mit Denkmalwissenschaftlerin Prof. Dr. Mona Hess diese Sommeruniversität organisiert hat. „Ziel ist es, Studierende aus verschiedenen Fachbereichen und Nationen zusammenzubringen und ihnen neue Messtechniken beizubringen. Sie knüpfen internationale Kontakte, haben Spaß und lernen die Universität Bamberg kennen“, erklärt Till Sonnemann.
Studierende untersuchen unterirdisches System
Insgesamt 20 Bachelorstudierende, Masterstudierende und Doktoranden arbeiten zusammen – zum Teil aus Bamberg, zum Teil aus anderen Ländern. Sie studieren Denkmalwissenschaften, Archäologie oder auch Geographie. Unter Anleitung von Till Sonnemann untersuchen sie Innen- und Außenbereiche des Doms mit dem Georadar, das den Untergrund mithilfe von elektromagnetischen Wellen erfasst. „Wir wollen zum Beispiel herausfinden, wo die Heizungssysteme unterhalb des Gebäudes verlaufen“, sagt Till Sonnemann. „Dadurch unterstützen wir die aktuellen Baumaßnahmen am Dom: Nach den Analysen wissen wir, wo die Elektrik verlegt werden kann.“ Pläne, die das unterirdische System zeigen, sind bislang nicht vorhanden.
Jesús Pacheco Martínez begibt sich mit den Studierenden in luftige Höhen: Er misst die mikroseismischen Schwingungen in den Türmen und auf dem Dachstuhl des Doms. Nicht nur vorüberfahrende Autos und das Glockengeläut wirken sich auf das Gebäude aus, sondern auch Stürme. Der Wissenschaftler will herausfinden, wie stark bestimmte Stellen am Dom auf die Dauer von den äußeren Einflüssen beeinträchtigt werden.
Dombau-Archiv bekommt die Ergebnisse
Das dritte Projekt leitet Mona Hess, die mit den Teilnehmenden die Veitspforte an der Nordwand mit einem 3D-Scanner aufnimmt. Ein Kapitell – der verzierte, obere Abschluss einer Säule – soll im Zuge der Baumaßnahmen ausgetauscht werden. „Man erkennt die Verzierungen witterungsbedingt nicht mehr“, so Mona Hess. „Bevor das Kapitell ersetzt wird, dokumentieren wir es für die Nachwelt.“
An den Vormittagen führen die Teilnehmenden Messungen am Dom durch, an den Nachmittagen werten sie die Daten in den Computerräumen des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) aus. Zum Abschluss stellen die Studierenden am Freitag, 3. August 2018, ihre Ergebnisse vor, die anschließend das Dombau-Archiv erhält. „Wenn wir interessante Entdeckungen machen, könnte daraus auch ein Forschungsprojekt entstehen“, überlegt Till Sonnemann. Möglich sei auch eine längere Zusammenarbeit mit Jesús Pacheco Martínez. Außerdem gebe es nun ein Konzept für eine denkmalwissenschaftlich-archäologische Sommeruniversität, welches man in Zukunft womöglich noch einmal einsetzen könnte.