Auftakt zum Messen, Forschen, Netzwerken
Mit einem besonderen Auftakt begann das Wintersemester 2017/2018 für rund 75 Studierende der Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik (WIAI) der Universität Bamberg und der Fakultät Elektrotechnik und Informatik der Hochschule Coburg. Zusammen bilden sie die ersten vier Projektgruppen, die im neuen Innovationslabor „Living Lab Bamberg“ Sensoren untersuchen, Daten visualisieren und Software oder Spielkonzepte entwickeln. In einem Kick-off-Workshop am Freitag, den 20. Oktober 2017 gab Labor-Initiatorin Prof. Dr. Daniela Nicklas, Inhaberin des Lehrstuhls für Informatik, insbesondere Mobile Software Systeme, den Startschuss für Forschungsprojekte und Networking, Tipps für gelungenes Projektmanagement und einen Einblick in eine für viele Studierende bislang noch unbekannte Lern- und Forschungsumgebung: das Realweltlabor.
Bamberger Luftqualität einer von vier Forschungsbereichen
Mit der Visualisierung von Verkehrszahlen mit aktuellen Web-Technologien, der Ausarbeitung und Umsetzung eines Spielkonzepts mit der Warcraft 3 Engine und der Softwareentwicklung für einen autonomen, sensorgesteuerten Segelroboter beschäftigen sich die ersten drei Projektgruppen. Die vierte Forschungsgruppe arbeitet an einem gemeinsamen Projekt der Universität Bamberg und der Hochschule Coburg unter der Obhut von Daniela Nicklas und Prof. Dr. Thomas Wieland, Professor an der Fakultät Elektrotechnik und Informatik an der Hochschule Coburg. Im Innovationslabor „Living Lab Bamberg“ suchen die Projektteilnehmenden Antworten rund um die Frage „Wie gut ist unsere Luft?“.
Dazu werten sie Feinstaubsensoren sogenannter Citizen-Science-Projekte aus, die Bürgerinnen und Bürger in den Straßen Bambergs angebracht haben, und beurteilen deren Qualität. Die Studierenden entwickeln die Sensoren technisch weiter, analysieren die anonymisierten Daten, erforschen Kommunikationsmöglichkeiten der Geräte und loten die besten Sensorstandorte aus. Ziel des Projektes ist es, die Datenqualität dieser kostengünstigen Sensoren zu bewerten und zu verbessern und den Einfluss von Faktoren wie Luftfeuchtigkeit oder Wind auf die Messgeräte zu bestimmen.
Realweltlabor und Netzwerk für Studierende
Mit „Wie gut ist unsere Luft?“ und den weiteren drei Projekten möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der beiden Hochschulen ihren Studierenden die grundlegende Idee eines Living Lab vermitteln: Bamberg als reales Freilandlabor, als offene Entwicklungsumgebung und als Treffpunkt zu nutzen, um zu forschen und Kontakte zu knüpfen. Für die Forschungsgruppe zur Luftdatenqualität ist das Labor deshalb nicht nur Standort, um Messungen vorzunehmen und auszuwerten, sondern auch ein Ort für Wissensaustausch. „Die Studierenden profitieren im gegenseitigen Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen, praktischer Forschung und geteiltem Erfahrungsschatz, denn im ‚Living Lab Bamberg‘ sind nicht nur verschiedene Hochschulen, Lehrstühle und Projekte vernetzt, sondern auch neun weitere Innovationslabore in Bayern verwoben, die miteinander in Kontakt stehen“, erklärt Daniela Nicklas.
Im Innovationslabor lernen die Teilnehmenden aller Projekte außerdem, in Strukturen, die in der Berufswelt üblich sind, zu arbeiten und zu forschen. Eine fundierte Ausbildung in Sachen Projektmanagement ist deshalb ein wichtiges Element des Living Lab, denn sie bereitet schon während des Studiums auf die Zusammenarbeit mit Firmen vor. Gemeinsam genutzte Softwarewerkzeuge wie GitLab helfen beispielsweise dabei, Arbeitsschritte zu planen und Zwischenergebnisse für alle transparent zu machen.
Praxisnah und innovativ arbeiten
Das Labor wird für zwei Jahre mit 220.000 Euro vom Zentrum Digitalisierung Bayern gefördert und konnte dank der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) in Sachen Hardware bereits gut ausgestattet werden. Dass das Innovationslabor die Projektarbeit der WIAI in vielerlei Hinsicht bereichert, darüber sind sich Lehrende und Studierende nach dem Kick-off einig. „Das ‚Living Lab Bamberg‘ bietet Raum für unterschiedlichste Forschungsbereiche und ermöglicht es den Studierenden, den Umgang mit spezifische Softwarewerkzeuge und Hardwarekomponenten, wie zum Beispiel Sensoren, kennenzulernen. Interne und externe Fachvorträge fördern die Vernetzung der einzelnen Projektgruppen“, resümiert Sebastian Boosz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Medieninformatik und einer der Betreuer der Forschungsgruppe, die automatisch erfasste Verkehrsdaten analysieren und geeignet darstellen möchte. Je nach Thema ergeben sich für die vier Forschungsgruppen individuelle Vorteile. „Das Innovationslabor ermöglicht uns Zugriff auf projektspezifische Daten und neueste Technologien“, betont Michael Träger, Masterstudent der Angewandten Informatik und Teilnehmer des Projekts.
Öffentlichkeitswirksam forschen
Sein Kommilitone Andreas Erhard sieht weitere Vorzüge: „Unsere Forschung ist jetzt nicht nur universitär dichter vernetzt, sondern die Projekte sind durch die vielen Akteure in der Öffentlichkeit besser repräsentiert.“ Erster Beleg dafür war die Auftaktveranstaltung anlässlich des 100. Jubiläums des Freistaats Bayern, die am Mittwoch, den 8. November, in der Brose Arena begangen wurde. Daniela Nicklas und Dr. Diedrich Wolter, Juniorprofessor für Angewandte Informatik, insbesondere Smart Environments, stellten dort unter der Schirmherrschaft des Zentrums Digitalisierung Bayern die vier Projekte des „Living Lab Bamberg“ vor – unter anderem den Staatsministern Dr. Marcel Huber und Melanie Huml. Dabei hatten sie ein kleines Segelschiff im Gepäck – das Herzstück des Projekts um Dietrich Wolter – das mithilfe von Algorithmen, die die Studierenden entwickeln, zu einem autonomen Segelroboter werden soll.
Bis zum Februar 2018 wird nun gemessen und geforscht. Dann werden die Forschungsergebnisse der vier Projekte vor zukünftigen Projektgruppen, Interessierten und Unternehmen präsentiert. „Denn im Sommersemester 2018 möchten wir erste Gemeinschaftsprojekte mit lokalen Partnerunternehmen starten, um den Studierenden den Berufseinstieg zu erleichtern und Start-Ups zu fördern“, kündigt Daniela Nicklas an.