Corinna KleinertLIfBi/Thomas Riese

Corinna Kleinert hat erforscht, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Digitalisierungsschub erlebt haben. Bildungsniveau und Tätigkeitsprofile wurden dabei als Faktoren ebenso in den Blick genommen.

- Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung (LIfBi)

Wie Corona zu einer neuen digitalen Spaltung in der Arbeitswelt beiträgt

LIfBi-Studie untersucht, welche Beschäftigten einen Digitalisierungsschub erlebt haben und welche Rolle Bildungsniveau und Tätigkeitsprofile spielen.

Corona hat der Digitalisierung in Deutschland einen Schub beschert. Die Hälfte der fast 1.800 in der NEPS-Zusatzerhebung befragten Erwerbstätigen gab an, in den ersten zwei Monaten der Pandemie vernetzte digitale Technologien beruflich häufiger als zuvor genutzt zu haben. Welche Beschäftigtengruppen konkret einen Digitalisierungsschub erlebt haben und welche Rolle das Bildungsniveau und Tätigkeitsprofile dabei spielen, wurde mit den NEPS-Daten nun detailliert untersucht.

Die Tätigkeit ist entscheidend

Mehr als die Hälfte der Befragten mit Hochschulabschluss berichtete, dass sie digitale Technologien mit Beginn der Pandemie stärker genutzt hat. Wichtiger als der formale Bildungsgrad sind jedoch die Tätigkeiten der Beschäftigten. Hier zeigt sich, dass die Schere weiter auseinandergeht: Menschen mit stark analytischen Tätigkeiten im Job, für die Schreiben, Lesen, Rechnen und IT-Kenntnisse hoch relevant sind, sowie Menschen mit stark interaktiven Tätigkeiten im Job und hohem Kundenkontakt erfuhren einen deutlichen Digitalisierungsschub am Arbeitsplatz. Sie berichteten zu 70 bzw. 63 Prozent, digitale Technologien stärker als zuvor zu nutzen. Wer hingegen vor allem manuellen Tätigkeiten nachgeht, erlebte seltener eine Verstärkung und manchmal sogar einen Rückgang der Technologienutzung.

Wer zuhause arbeitet und hochqualifiziert ist, wird digitaler

Den gravierendsten Unterschied fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Zusammenhang mit der Verlagerung des Arbeitsortes ins Homeoffice. Während 73 Prozent der im Homeoffice Tätigen von einer Zunahme berichteten, liegt der Anteil unter denjenigen, die ihren Arbeitsplatz nicht in die eigenen vier Wände verlagern konnten, bei nur 38 Prozent. Aus einer früheren Auswertung ist bekannt, dass es vor allem hochqualifizierte Arbeitnehmende sind, die ins Homeoffice wechseln. Und diese Gruppe profitiert vom pandemischen Digitalisierungsschub auch am stärksten.

Digitalisierungsschub muss alle erreichen

„Diese neue digitale Spaltung der Erwerbsbevölkerung dürfte sich seit dem Frühjahr 2020 noch weiter verschärft haben“, so Prof. Dr. Corinna Kleinert, eine der Autorinnen des Berichts. Sie forscht am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) und ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt längsschnittliche Bildungsforschung an der Universität Bamberg. „Vernetzte Technologien werden zunehmend auch für die berufliche Weiterbildung genutzt. Wir gehen davon aus, dass der kompetente Umgang mit diesen neuen Arbeitswerkzeugen künftig eine wachsende Bedeutung hat und bestimmte Beschäftigtengruppen ins Hintertreffen geraten. Der durch die Corona-Krise ausgelöste Digitalisierungsschub muss so gesteuert werden, dass möglichst viele Beschäftigte davon profitieren – eine größere Ausschöpfung der Homeoffice-Potentiale könnte zu einer Verringerung der digitalen Spaltung beitragen“, so Kleinert weiter.

Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollständigen Bericht „Für wen brachte Corona einen Digitalisierungsschub?“, der auf www.lifbi.de/Corona mit weiteren Hintergrundinformationen zum Download bereit steht.

Über das NEPS und die Zusatzbefragung

Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs großen Teilstudien, den sogenannten Startkohorten. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zusätzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und pädagogisches Fachpersonal. Die Stichproben der Startkohorten wurden repräsentativ für ganz Deutschland gezogen. Die so erhobenen Daten werden anonymisiert und Bildungsforschenden weltweit zugänglich gemacht.
Das NEPS wird getragen von einem interdisziplinär zusammengesetzten, deutschlandweiten Exzellenznetzwerk, in dem zwölf renommierte Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Geleitet wird das NEPS von Prof. Dr. Cordula Artelt vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg.

Durch die Zusatzbefragung im Mai und Juni 2020 wurden die aktuellen Erlebnisse und Eindrücke der NEPS-Teilnehmenden in der Zeit zwischen dem Beginn der Beschränkungen und den ersten Lockerungen während der Corona-Krise ermittelt und so gemeinsam mit den anderen Längsschnittsdaten des NEPS für die Bildungsforschung nutzbar gemacht. Die Daten wurden gewichtet und poststratifiziert, um Verzerrungen in der Stichprobe auszugleichen.

In den Zusatzerhebungen wurden vier große Themenbereiche des Lebensalltags abgefragt: aktuelle Erwerbssituation, Alltag und Lernen, Vertrauen in Politik und Gesellschaft sowie Gesundheit und Wohlbefinden. Die so erhobenen Daten lassen sich heranziehen, um ein differenziertes Bild der Corona-Auswirkungen auf die Bildungsbiografien der Befragten zu erhalten.

Bild: Corinna Kleinert(355.8 KB)
Quelle: LIfBi/Thomas Riese

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