Prof. Dr. Dr. habil. Dr. h.c. Rainer Lachmann †
Nachruf auf Professor Dr. Dr. habil. Dr. h.c. Rainer Lachmann
Das Institut für Evangelische Theologie, die Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften und die Fakultät für Humanwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg trauern um Professor Dr. Rainer Lachmann. Rainer Lachmann hatte von 1979 bis 2005 den Lehrstuhl für Evangelische Theologie und Religionspädagogik an der heute nicht mehr existierenden Fakultät für Pädagogik, Philosophie und Psychologie inne. Er hat die Religionspädagogik und die Lehrpersonenbildung intensiv geprägt. Wir verlieren mit ihm einen engagierten Fachdidaktiker.
Rainer Lachmann wurde am 9. September 1940 in Marburg an der Lahn geboren. Sein Vater fiel 1944 im Zweiten Weltkrieg, mit seinen beiden älteren Geschwistern wurde er von seiner Mutter allein erzogen. Seine Erinnerungen an diese Zeit sind von großer Warmherzigkeit durchzogen.
Nach dem Besuch der Volksschule wechselte Rainer Lachmann in das „Landerziehungsheim Steinmühle“ Cappel bei Marburg – eine Zeit, die er ambivalent beschrieb: einerseits geprägt durch inneren Leistungsdruck, andererseits in der Oberstufe durch entscheidende positive Impulse für seinen theologischen – und damit: beruflichen – Werdegang. Hier wurde in ihm die Lust auf existentielle Auseinandersetzung mit theologischen Fragen geweckt, die ihn sein Leben lang begleitete.
Im Sommersemester 1960 begann Rainer Lachmann sein Studium für das Lehramt an Gymnasien mit den Fächern Evangelische Religion, Geschichte und Germanistik an der Universität Marburg. Während des Studiums entschied er sich, das Fach Theologie zu vertiefen und neben dem Staatsexamen das Fakultätsexamen anzustreben. Insgesamt beschrieb er seine Studienjahre als geistigen Weg in eine kritische Freiheit, die ihn als Wissenschaftler und Person kennzeichnen sollte. Orientierung fand er dabei auch in seinen akademischen Lehrern: Seine Begeisterung für die Exegese verband er mit dem Marburger Professor Otto Kaiser; das von dem Systematiker Carl Heinz Ratschow verfasste Buch „Der angefochtene Glaube“ wurde für ihn zur „Befreiungsurkunde“.
Auf die Studienzeit folgte von 1968 bis 1970 das Referendariat, das Rainer Lachmann „mit Auszeichnung“ abschloss. In diese Zeit fiel seine Eheschließung mit Pfarrerin Diethilde Lachmann, geb. Harder. Drei Kinder kamen in den folgenden Jahren zur Welt.
1970 trat Rainer Lachmann eine Stelle als Assistent am Marburger Lehrstuhl für Praktische Theologie an, unterrichtete daneben aber weiter an der Schule. Die damit verbundene Erfahrung, dass sich theologisch-religionspädagogische Einsicht in der konkreten Unterrichtspraxis bewähren muss, war ihm zeitlebens besonders wichtig. Während seiner gesamten Laufbahn engagierte er sich für die universitären Schulpraktika, wies ihnen eine zentrale Stellung im universitären Curriculum zu und pflegte einen intensiven Austausch mit den Praktikumslehrkräften. In die Zeit der Assistenz fällt auch die intensive Auseinandersetzung mit dem Religionsunterricht Christian Gotthilf Salzmanns: Die gleichnamige Dissertation zu diesem Religionspädagogen der Aufklärung führte Rainer Lachmann 1971 zur Promotion an der Universität Marburg und begründete damit ein Forschungsthema, das ihn sein Leben lang begleitete.
Der Wechsel auf eine Stelle als Akademischer Oberrat an die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg 1974 gab Rainer Lachmann Gelegenheit, seine Fähigkeiten als akademischer Lehrer zu vertiefen. Für sein segensreiches Engagement in diesem Bereich erhielt er von den dortigen Studierenden den informellen Titel „Vater der Erlanger Religionsphilologen“. Trotz dieser beruflichen Vollzeitbeschäftigung widmete sich Rainer Lachmann weiter der Arbeit an seiner Habilitationsschrift, mit der er sich im Februar 1978 im Fach „Praktische Theologie mit dem Schwerpunkt Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts“ habilitierte. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Ethische Kriterien im Religionsunterricht. Dargestellt am Beispiel des Agapekriteriums“. Die Agape blieb – bis zuletzt und über die Religionspädagogik hinaus – das Zentrum seiner Theologie und wohl auch seines Glaubens. Es war ihm ein Herzensanliegen, bei der Neuausgabe des TLL-Bandes zu „Theologischen Schlüsselbegriffen“ den Artikel zur „Liebe“ zu verfassen. In diesem Beitrag, einem seiner letzten, mündet seine Auslegung des Hoheliedes der Liebe in 1 Kor 13 in einen Satz, der auch uns, die wir um ihn trauern, ein Trost sein kann: „Mehr braucht es nicht als Gottes Liebe, die niemals aufhört“.
Zum 1. Oktober 1979 wurde Rainer Lachmann auf den Lehrstuhl für „Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts“ an die Fakultät „Pädagogik, Philosophie, Psychologie“ der Otto-Friedrich-Universität Bamberg berufen. Er war der erste Lehrstuhlinhaber und damit Gründungsvater der evangelischen Religionspädagogik in Bamberg, der er das Fundament gab. Die Notwendigkeit didaktischer Elementarisierung und der damit verbundene Anspruch an die Wissenschaftlichkeit der Religionspädagogik wurden ihm in diesem Kontext zu einem besonderen Anliegen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Rainer Lachmann Initiator, Autor und Herausgeber zentraler religionspädagogischer Lehrwerke war: Mit der Reihe „Theologie für Lehrerinnen und Lehrer“ (TLL) und den beiden vielfach neu aufgelegten Lehrbuchklassikern „Religionspädagogisches Kompendium“ sowie „Methodisches Kompendium für den Religionsunterricht“ hat er – gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Dr. Gottfried Adam – bis heute unentbehrliche Referenzwerke für die universitäre religionspädagogische Lehre und Forschung geschaffen und Generationen von Studierenden Orientierung gegeben. Mit seinen Untersuchungen zu Kinderbibeln und Schulbüchern half er mit, diese als Gegenstände religionspädagogischer Wissenschaft zu etablieren. Die enge Verbindung von Leben, Glauben und Forschen, die Rainer Lachmann selbst verkörperte, schlug sich in der von ihm mit Professor Dr. Horst Rupp begründeten Reihe „Lebensweg und religiöse Erziehung. Religionspädagogik als Autobiographie“ nieder.
Seit seiner Dissertation war Rainer Lachmann die historisch arbeitende Religionspädagogik ein Anliegen: Er war aktiver Teil des „Arbeitskreises für Historische Religionspädagogik“, Mitherausgeber der Reihe „Arbeiten zur Historischen Religionspädagogik“ und des Studienbuches zur „Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts in Deutschland“. Durch sein Werben für einen „Ökumenischen Religionsunterricht“, dem er auf universitärer Ebene durch jährliche ökumenische Praktikumslehrerfortbildungen Ausdruck gab, gehört er zu den Vordenkern und damit Mitinitiatoren einer Entwicklung, die nun, nach seinem Tod, auch praktisch an vielen Stellen ins Rollen kommt und über seinen Tod hinaus Früchte trägt.
Auch auf institutioneller Ebene wirkt das Engagement Rainer Lachmanns bis heute weiter: Er gehörte 1980 zu den Mitgründern der anfänglich so genannten „Konferenz der an der Lehrerbildung für Grund- und Hauptschulen beteiligten Theologen Bayerns“ (KLGHT, heute: KLT). Lange Jahre leitete er – im Wechsel mit seinem Nürnberger Kollegen Professor Dr. Johannes Lähnemann – diese im Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn verorteten Treffen, die ihm nach eigenen Angaben „zu einem Stück bayerisch religionspädagogischer Heimat“ wurden. Bundesweit gestaltete er die wissenschaftliche Religionspädagogik von 1988 bis 1992 durch seinen Einsatz als erster und zweiter Vorsitzender des „Arbeitskreises für Religionspädagogik“ (AfR, heute: Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik, GwR) in einer politisch bewegten Zeit aktiv mit. In seiner Zeit als Mitglied der Gemischten Kommission II der EKD entstand 1997 u.a. die grundlegende Schrift zur Religionslehrkräftebildung „Im Dialog über Glauben und Leben“.
Durch sein Engagement in zahlreichen Ämtern bereicherte Rainer Lachmann auch die Otto-Friedrich-Universität Bamberg: als langjähriges Mitglied im Fachbereichsrat, als Prodekan und Dekan, als Senator und Mitglied in der „Gemeinsamen Kommission für Fragen der Didaktik“.
Wie in Erlangen, so wurde Rainer Lachmann auch in Bamberg zum Mentor für viele religionspädagogisch tätige Menschen: für Studierende, Promovierende und Habilitierende ebenso wie für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Mit vielen von ihnen pflegte er zeit seines Lebens engen Kontakt, zum Beispiel durch die bis zuletzt jährlich stattfindenden, Peripatie genannten Treffen im Stil eines „walk and talk“, in denen er mit (ehemaligen) Mitarbeitern und Doktoranden philosophisch-theologische Gespräche führte. Ein Dokument dieser Treffen ist das 2020 erschienene, von ihm verfasste Buch „Phantastische Peripatien“. Der Erfolg vieler seiner Schülerinnen und Schüler als Wissenschaftler oder im Raum der Schule war ihm eine große persönliche Freude.
Für seine großen Verdienste wurde Rainer Lachmann am 30. Oktober 2009 von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.
Wir verlieren mit Rainer Lachmann einen vielfach hoch geschätzten Kollegen, dem Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit am Herzen lagen, der für sich selbst – auch kritisch – einstand. Wir verlieren einen Kollegen, der ein theologisch Ringender war, ein „Möchtegernchrist“ – so die Selbstbezeichnung in seinem autobiographischen Zeugnis – in lebenslangem Zweifel und aktiver Auseinandersetzung, immer wieder auch in Reibung mit der Institution Kirche. Wir verlieren einen fröhlichen Menschen, der sein Christ-Sein mit Leben gefüllt hat, der seine Theologie auch am eigenen Leben „bewähren“ und „bewahrheiten“ wollte. Durch seinen aktiven Einsatz, seine Arbeit, sein Wirken hinterlässt er ein wohl bestelltes Feld. So kann er Vorbild für uns bleiben.
Er selbst beschreibt sein Lebensthema so: „Das ist das Faszinierende. Der Mensch vor Gott, ich vor Gott, meine Studierenden vor Gott, das war und ist mein Thema als Religionspädagoge, als Möchtegernchrist.“
Rainer Lachmann ist am 19. Februar 2025 im Alter von 84 Jahren verstorben. Unser tiefes Mitgefühl gilt nun seiner Familie. Das Institut für Evangelische Theologie und die Universität Bamberg werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.
Für das Institut für Evangelische Theologie
Stefanie Lorenzen
Ein Nachruf von Prof. Dr. Konstantin Lindner (Katholische Religionspädagogik) zeigt Rainer Lachmanns großartigen Einsatz für die Ökumene.
Ein Nachruf des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung Bamberg (ZLB) würdigt Rainer Lachmanns Engagement für die Lehrkräftebildung.
Ein Nachruf von Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Annette Scheunpflug (Allgemeine Pädagogik) zeugt von Rainer Lachmanns begeisternder akademischer Prägekraft.