BMBF-Projekt "Tradierung - Vergewisserung - Doing ldentity"
Eine empirische Analyse kultureller Bildungs- und Handlungspraxen in sehr peripheren Räumen (TraVI)
Seit Dezember 2019 läuft das vom BMBF in der Förderrichtlinie "kulturelle Bildung in ländlichen Räumen" geförderte Forschungsprojekt „Tradierung – Vergewisserung – Doing Identity (TraVI). Eine empirische Analyse kultureller Bildungs- und Handlungspraxen in sehr peripheren Räumen (TraVI)“, in dem der Lehrstuhl Geographie I die Projektleitung übernommen hat. Das Projekt ist in zwei Teilprojekte gegliedert und zeichnet sich durch die interdisziplinäre Kooperation von Kolleginnen und Kollegen aus Geographie, Erziehungswissenschaften und Europäischer Ethnologie aus.
Worum geht es in dem Projekt? Periphere ländliche Regionen werden oft aus einer Defizitperspektive betrachtet, beispielsweise hinsichtlich der negativen Konsequenzen, die sich aus den Dimensionen „Schrumpfung“ und „Alterung“ des demographischen Wandels ergeben. Diese Defizitperspektive zeigt sich auch im Hinblick auf kulturelle Bildung, wenn von einer „Kulturarmut“ peripherer Räume ausgegangen wird. Dabei gerät aus dem Blick, welche Rolle lokalen kulturellen Bildungspraxen im allgemeinen Wissen, im Handwerk, in örtlichen Traditionen und vielem mehr zukommt; und wie diese als endogene kulturelle Schätze angesehen werden können. Weitere Informationen zum gesamten Projekt.
Teilprojekt 1: „Lokale Kultur und reflexive Identität“
Das erste Teilprojekt „Lokale Kultur und reflexive Identität (LoKrI)“ ist am Lehrstuhl für Geographie I (Kulturgeographie) und am Lehrstuhl für Europäische Ethnologie angesiedelt (Prof. Dr. Marc Redepenning; Prof. Dr. Heidrun Alzheimer; Vincent Keldenich).
Ausgangspunkt
Im Teilprojekt wird die Beziehung zwischen lokaler Identität und kultureller Bildung visiert. Es wird davon ausgegangen, dass kulturelle Bildung zum Aufbau lokaler Identität beiträgt und eine reflexive lokale Identität stärken kann. Reflexive lokale Identität wird dabei als offener Prozess der Vergewisserung über das, was die aktuelle Räumlichkeit von Orten im Spannungsfeld von lokal/global sowie eigen/fremd ausmacht, verstanden (Paasi 2003). Sie wird als wichtiger Baustein zur Etablierung selbstverantwortlicher Strukturen für eine positive zukünftige Entwicklung der Gemeinden betrachtet (Hüther 2013; Shucksmith 2018).
Konkrete Fragestellungen
Ziel ist es im Rahmen lokaler Bildungsangebote, Bedingungen der Wertschätzung des eigenen Ortes und seiner räumlichen Besonderheiten herauszuarbeiten, die die Verflechtung mit globalen Strukturen einschließt (Cresswell 2004; Deinet 2013). Es interessiert, welche Narrative von Ländlichkeit in den zu untersuchenden Orten existieren und welche Alltagspraxen im konkreten Land-Raum anzutreffen sind. Das Konzept des Ortes (place) (vgl. Cresswell 2004) ist dabei ein zentraler theoretischer Baustein.
Vor diesem Hintergrund leiten folgende Forschungsfragen das Teilprojekt an:
- Welche räumlich bedingten Besonderheiten und Potenziale, welche ortsspezifischen Eigentypiken sind es, die für kulturelle Bildung in peripheren Orten sichtbar werden? Und wie können diese räumlich gebundenen Potenziale zum Aufbau bzw. zum Erhalt einer reflexiven lokalen Identität beitragen?
- Inwieweit rahmen und thematisieren Träger und Stakeholder kultureller Bildung lokale Identitäten? Welche Inhalte und Handlungsdimensionen lokaler Identität existieren?
- Wie passen diese Inhalte zur aktuellen räumlichen Konstellation vor Ort und zu lokalen Zukunftsbildern?
Methodisches Vorgehen
Es werden ungefähr 40 Leitfadeninterviews mit lokalen Experten und Expertinnen durchgeführt und inhaltsanalytisch ausgewertet (Mayring 2015). In den Interviews werden zudem Mental Maps erstellt (Catney, Frost et al. 2019; Gieseking 2013) und die Methode der Foto-Elicitation (Castleden & Garvin 2008; Lorenz & Kolb 2009) unterstützend angewendet.