Hauptforschungsthemen des Promotionskollegs
Im Folgenden werden vier Hauptforschungsthemen des Promotionskollegs im Detail dargestellt.
a) Makrofinanzielle Stabilität und Finanzmarktregulierung
Innerhalb des ersten Hauptforschungsfeldes des Promotionskollegs untersuchen wir die ökonomischen Folgen von makroprudenziellen Regulierungsmaßnahmen, etwa die Effekte prozyklischer Kapitalpuffer für Banken. Ferner beschäftigen wir uns mit der Stabilität von Finanzmärkten, die z. B. zunehmend unter dem Einfluss von Fake News stehen. Da Fake News nicht nur Finanzmärkte, sondern auch politische Prozesse beeinflussen, man denke an die zunehmend verquere Nutzung von sozialen Medien wie Facebook und Twitter, ist das erste Forschungsfeld eng mit dem dritten Forschungsfeld (Gruppenidentität, Gesellschaftliche Polarisierung und Politische Ökonomie unter (beschränkter) Rationalität) verbunden. Als Analyserahmen nutzen wir hauptsächlich agenten-basierte Modelle, mit denen wir auch Netzwerkeffekte abbilden können. Neben Computersimulationen führen wir Laborexperimente durch, um unser Verständnis von makrofinanzieller Stabilität und Finanzmarktregulierung zu verbessern
b) Konjunkturtheorie unter Berücksichtigung von Netzwerkeffekten
Das zweite Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Frage, wie konjunkturelle Schwankungen jenseits der traditionellen makroökonomischen Theorie erklärt werden können. Ausgangspunkt sind dabei drei aufeinander aufbauende state-of-the-art Aufsätze von Gabaix (2011) zum granulären Ursprung von Konjunkturschwankungen, von Acemoglu et al. (2012) zum Einfluss des Produktionsnetzwerks auf diese Fluktuationen und von Baqaee & Farhi (2019) zu Effekten höherer Ordnung, die diese Fluktuationen erheblich beeinflussen, wie bspw. Substitutionseffekte in Zuliefererbeziehungen des Produktionsnetzwerks. Im Gegensatz zur traditionellen Konjunkturtheorie zeigt sich, dass idiosynkratische Schocks auf Firmenebene einen weitaus höheren Einfluss auf Konjunkturschwankungen haben als bisher angenommen, v. a. dadurch dass Schocks bei sehr großen oder im Produktionsnetzwerk zentralen Unternehmen sich überproportional fortpflanzen und zu beträchtlichen gesamtwirtschaftlichen Schwankungen führen. Die erste Phase (2017-2020) des Promotionskollegs hat bereits gezeigt, dass die Interaktion von Granularität und Produktionsnetzwerk-Effekten zu einer deutlichen Steigerung im Erklärungsgehalt gesamtwirtschaftlicher Fluktuationen führt und den der o. g. Studien deutlich übersteigt. So werden bspw. fast 80% des Konjunkturzyklus im EU28 Raum allein durch diese Interaktion erklärt. Vor diesem Hintergrund untersuchen wir nun sowohl theoretisch als auch mit Hilfe agentenbasierter Simulationen, wie sich idiosynkratische Schocks auf Produktionsnetzwerken mit granulärer Struktur, wie bspw. dem europäischen Produktionsnetzwerk, in einer Art Ansteckungsprozess über Zuliefererbeziehungen fortpflanzen bzw. unter welchen Bedingungen diese Schocks verstärkt oder abgemildert werden können, um daraus neuartige wirtschaftspolitische Maßnahmen jenseits konventioneller Konjunkturpolitik abzuleiten.
Entsprechende Literatur
Acemoglu, D., Carvalho, V. M., Ozdaglar, A. & A. Tahbaz-Salehi (2012). The network origins of aggregate fluctuations. Econometrica 80(5): 1977-2016.
Baqaee, D. R. & E. Farhi (2019). The macroeconomic impact of microeconomic shocks: Beyond Hulten's theorem. Econometrica 87(4): 1155-1203.
Gabaix, X. (2011). The granular origins of aggregate fluctuations, Econometrica 79(3): 733-772.
c) Gruppenidentität, Gesellschaftliche Polarisierung und Politische Ökonomie unter (beschränkter) Rationalität
Das dritte Forschungsfeld untersucht aus politökonomischer Perspektive das Spannungsfeld zwischen Gruppenidentitäten und gesellschaftlicher Polarisierung. Welche rationalen Motive gibt es, sich Gruppen zuzuordnen, eine Gruppenidentität zu entwickeln und dann als Gruppe zu agieren? Wieweit können mathematische Modelle sozialer Netzwerke helfen diese Gruppenbildung zu verstehen und zu analysieren? Wie beeinflusst begrenzte Aufmerksamkeit der Akteure die Bildung von Gruppenidentitäten, den Grad politischer Polarisierung und die politökonomischen Resultate? Inwieweit wird der Grad der Polarisierung einer Gesellschaft durch das Wahlsystem und andere Faktoren beeinflusst? Und umgekehrt, wie beeinflusst Polarisierung den politischen Diskurs und den Ausgang von Wahlen? Inwieweit sind diese Entwicklungen von der wachsenden Präsenz von Des- und Fehlinformation bzgl. gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen sowie von subjektiven Wahrnehmungen über die eigene Identität und Gruppenzugehörigkeit getrieben? Wie lassen sich verhaltensbasierte politische Aspekte in ökonomische Modelle einführen, um die Interdependenz zwischen den politischen und ökonomischen Sphären zu untersuchen?
d) Digitalisierung und Arbeitsmärkte: Informationsasymmetrien, Migration und Integration
Im diesem Forschungsfeld untersuchen wir den Einfluss digitaler Technologien auf den Integrationsprozess von Migrant*innen, insbesondere auf Arbeitsmarktpartizipation von Migrant*innen sowie auf das Integrationspotenzial, also die Reaktionen der Mehrheitsbevölkerung auf Migration.
Wir adressieren Chancen und Risiken, welche mit Migration einhergehen und fokussieren uns insbesondere auf Netzwerkeffekte und Informationsasymmetrien.
In Teilprojekten werden relevante Indikatoren für Migrant*innen und Mehrheitsbevölkerung untersucht. Die uns interessierenden Ergebnisgrößen sind, wie angeführt, die Arbeitsmarktpartizipation zugewanderter Personen, als auch politökonomische Aspekte, etwa Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung zu Migrant*innen oder für beide Gruppierungen, Vertrauen in Institutionen, soziales Vertrauen oder Wahlverhalten.
Zur Beantwortung dieser Fragen ist geplant, Längsschnittdaten heranzuziehen. Wir planen darüber hinaus eigenständige Online-Erhebungen, die auch experimentelle Ansätze beinhalten sollen, um relevante Fragen etwa zur Verbreitung und Wirkung von Fake News zu untersuchen.