Emotion und Erbe
In Anbindung an den Forschungsschwerpunkt Bewertungs- und Aneignungsprozesse des kulturellen Erbes des Arbeitsbereichs Denkmalpflege am KDWT setzt sich das Projekt „Emotion und Erbe“ mit der emotionalen und subjektgebundenen Bewertung und Inwertsetzung von Kulturerbe auseinander. Grundlage für die Forschung ist ein Verständnis von Erbe und Denkmalpflege als soziale und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Ziel ist es, den Begriff des Erbes neu zu perspektivieren, indem er als ein Prozess verstanden wird, der sich auch über Emotionen konstituiert.
Damit geht das Projekt bewusst über eine rein objektgebundene Forschung hinaus und bezieht interdisziplinäre wie internationale Ansätze explizit mit in die Betrachtungen ein. Zugänge aus Sozial- und Kulturwissenschaften, Critical Heritage Studies und der postkolonialen Theorie werden ebenso behandelt wie geschichtswissenschaftliche und denkmalpflegerische Diskurse.
Vor dem Hintergrund jüngster Forschungen zum emotional turn ist das Projekt von hoher Aktualität, knüpft jedoch gleichzeitig an grundlegende denkmaltheoretische Überlegungen, insbesondere aus der Gründungszeit des Faches an. Hier spielten emotionale Aspekte in Bezug auf Denkmalbetrachtung und -bewertung eine ausschlaggebende Rolle, sei es bei Dehios Vorstellungen der „Pietät“ dem Denkmal gegenüber oder bei dem von Riegl ausgerufenen „Alterswert“. Im Zuge der Verwissenschaftlichung der Denkmalpflege und vor dem Hintergrund eines positivistischen Wissenschaftsverständnisses verloren emotionale Herangehensweisen an bauliches Erbe jedoch an Bedeutung. Gleichzeitig behielten emotionale Aspekte in der praktischen Auseinandersetzung mit Erbe zeitübergreifend ihre Relevanz. Dass Emotionen mit dem ‚Erben‘ von baulichen Artefakten eng verknüpft sind, zeigen Debatten um Themen wie Identität, Heimat oder Schönheit. Die Plakatkampagne Schön. Aber ein Stück Heimat fehlt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz verbildlicht dies beispielhaft, ebenso wie die Diskussionen um den Abriss des Palastes der Republik und den Neubau des Berliner Stadtschlosses.
Durchgeführte Tagungen
Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung. Jahrestagung des Arbeitskreises für Theorie und Lehre der Denkmalpflege in Kooperation mit dem KDWT, Universität Bamberg, 1.-3.Oktober 2020 (Konzeption Gerhard Vinken / Stephanie Herold).
Vorträge
- Gerhard Vinken: Emotion und Erbe
- Stephanie Herold: Einfühlung und Empathie. Die Renaissance eines Konzepts und sein Bezug zur Denkmalpflege
- Svenja Hönig: Sense of Place und Historic Districts in Central Harlem (NYC)
- Johanna Blokker: Rückwärtsgewandte Utopien. Rechtspopulismus und Erbe
Publikationen
Bücher
Herold, Stephanie / Vinken, Gerhard (Hrsg.): Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung, Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 30, Holzminden 2021 (Online / open access: https://doi.org/10.11588/arthistoricum.920).
Hönig, Svenja: Das Andere der Substanz. Konzepte des Emotionalen in Diskursen zum kulturellen Erbe (zugleich Diss. Univ. Bamberg 2024).
Aufsätze
Herold, Stephanie / Vinken, Gerhard: Denkmal_Emotion: Einführung, in: Stephanie Herold / Gerhard Vinken (Hrsg.): Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung, Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 30, Holzminden 2021, S. 6-9.
Vinken, Gerhard: Erbe und Emotionen. Zur überfälligen Re-Politisierung der Denkmalpflege, in: Denkmal_Emotion. Politisierung – Mobilisierung – Bindung. (Hrsg., gemeinsam mit Stephanie Herold), Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 30, Holzminden 2021, S. 12-21.
Herold, Stephanie: Sublime, trashy, atmospheric. Aesthetic practices of urban explorers between aestheticization and 'authentic' feeling. In: Christofer Jost (Hrsg.): Cool Retro Camp Trash. Aesthetic Concepts in Popular Culture, Münster, im Druck.
Herold, Stephanie: Bilder vergangener Utopien.Inszenierungen des Leerstands in der Bildproduktion der Urban Explorer. In: Blunk, Julian (Hrsg.): Vakanz. Ästhetiken und Semantiken architektonischen Leerstands (= kritische berichte 3/2018), S. 47-54.
Herold, Stephanie: Heritage und ‚Denkmal-Kultus‘. Industriedenkmale zwischen ‚material turn‘ und Alterswert. In: Bogner, Simone; Franz, Birgit; Meier, Hans-Rudolf, Steiner, Marion (Hrsg.): Denkmal – Erbe – Heritage. Begriffshorizonte am Beispiel der Industriekultur, (Dokumentation der Jahrestagung des Arbeitskreises Theorie und Lehre in der Denkmalpflege 2017), Holzminden 2018, S. 38-45.
Herold, Stephanie: „Nicht, weil wir es für schön halten“. Die Rolle des Schönen in der Denkmalpflege. Bielefeld 2018.
Vinken, Gerhard: Gefühlssache. In der Ferne so nah: Heinrich Heine in der Bronx. Hans-Rudolf Meier zum 60. Geburtstag, in: Birgit Franz und Ingrid Scheurmann (Hrsg.): Strukturwandel – Denkmalwandel. Umbau, Umnutzung, Umdeutung, Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 25, Holzminden 2016, S. 16-18.
Vinken, Gerhard: Zum (notwendigen) Wandel des Denkmalbegriffs. Nachgedanken zu einer Tagung, in: Birgit Franz und Ingrid Scheurmann (Hrsg.): Strukturwandel – Denkmalwandel. Umbau, Umnutzung, Umdeutung, Veröffentlichung des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V., Band 25, Holzminden 2016, S. 206-210.