Auslandsstudium mit Kind

Ich heiße Anna, bin 25 Jahre alt und studiere an der Uni Bamberg Grundschullehramt. Im Oktober 2019 bin ich mit 22 Jahren das erste Mal Mama geworden. Als unsere Tochter ein Jahr alt geworden ist, haben mein Mann und ich uns entschieden, die Bewerbung für ein Auslandssemester loszuschicken. Ich habe eine Zusage für Norwegen bekommen und so sind wir dann als Familie gemeinsam im Sommer 2021 nach Kristiansand, der südlichsten Stadt Norwegens, gereist. Schon vor Beginn unseres Semesters wussten wir, dass wir nicht nur ein, sondern lieber zwei Semester bleiben wollen würden und so haben wir direkt die Verlängerung auf ein Jahr beantragt. Wir waren dann von Anfang August 2021 bis Ende Juni 2022 im wunderschönen Norwegen.

Wieso haben Sie sich für ein Auslandsstudium mit Kind entschieden? Hatten Sie Bedenken mit Kind ins Ausland zu gehen?

Wir liebten es schon immer unterwegs zu sein, zu reisen, andere Länder und Kulturen kennenzulernen und wussten, dass wir während unseres Studiums im Ausland leben wollten. Durch das ERASMUS-Programm wird dies Studierenden ermöglicht und wir können so dankbar sein, dass wir diese Chance nutzen dürfen. Wir hatten uns sehr auf Norwegen gefreut und hatten keinerlei Bedenken. Bereits mit der Annahme an der University of Agder war uns klar, dass wir keine Sorgen haben mussten. Die Universität ist sehr familienfreundlich. So konnten wir uns beispielsweise auf ein „family apartment“ auf dem Campus bewerben und einen Platz im Unikindergarten haben wir auf Anfrage auch direkt zugesagt bekommen. Da Norwegisch sowohl dem Deutschen als auch dem Englischen in vielen Dingen gleicht, hatten wir auch bezogen auf die Sprache keine Bedenken. Außerdem wussten wir, dass in Norwegen so ziemlich jede*r Englisch sprechen würde; einen Norwegischkurs an der Uni haben wir dennoch belegt.

Was hat Sie dazu bewegt nach Norwegen zu gehen? Wer hat Ihnen bei der Planung und Organisation geholfen?

Auf Norwegen hatten wir große Lust, da wir es in unserer Vergangenheit schon bereist hatten und wussten, was für ein unglaublich schönes und beeindruckendes Land es war. Außerdem hatte ich großes Interesse, das Schulsystem kennenzulernen, um mich so für meine Laufbahn als Grundschullehrerin inspirieren zu lassen und von der norwegischen Schulkultur zu lernen. Bei der Planung und Bewerbung hat mir das Akademische Auslandsamt der Uni Bamberg ganz wunderbar geholfen. Wir haben uns ja erst ganz spontan vor Bewerbungsschluss auf einen Restplatz beworben und wurden dennoch unglaublich tatkräftig unterstützt und es blieb keine Frage offen. Ich danke dem International Office Bamberg in diesem Zuge noch einmal ganz herzlich. Auch während des Auslandsjahres konnten wir Dinge stets sehr zügig klären und wurden immer unterstützt- sowohl vom International Office der Uni Bamberg als auch von dem der University of Agder. Die Mitarbeitenden in Kristiansand waren immer ansprechbar und haben für die internationalen Studierenden auch regelmäßig so tolle Events organisiert- von kostenfreiem Kino, Pizzaessen oder Filmabenden über Stadtführungen, Wanderungen und Ausflüge innerhalb Südnorwegens. Wenn wir eine Frage oder ein Problem hatten, wurde uns stets weitergeholfen und ich war beeindruckt von dem Engagement, das uns entgegengebracht wurde. So konnten wir zu Beginn auch ganz unkompliziert von einem Semester auf zwei verlängern, wurden bei der Suche der Kurswahl unterstützt und haben sofort einen Kitaplatz für unsere Tochter im Unikindergarten angeboten bekommen.

Wie war die Wohnungssituation vor Ort?

Es gab die Möglichkeit, sich online auf ein Zimmer oder eine Wohnung im Wohnheim zu bewerben. Auch, und das hatte uns besonders beeindruckt, gab es auf dem Campus Familienapartments, die für Studierende mit Kind reserviert waren. Darauf hätten wir uns auch beworben, jedoch sind in den Wohnheimen Haustiere nicht erlaubt und wir wollten unseren Hund gerne mit nach Norwegen nehmen. Hätten wir keine Wohnung außerhalb gefunden, wären wir sicher in eins der Familienapartments gezogen, da ein Wohnen auf dem Campus auch sehr viele Vorteile bringt. Wir haben unsere Wohnung über finn.no gefunden- quasi das norwegische EbayKleinanzeigen. Dort werden einige Wohnungen inseriert und wir hatten Glück, dass wir zu einer (online!) Besichtigung/ Kennenlernen eingeladen wurden, nachdem wir die ersten waren, die sich auf die Wohnung gemeldet hatten. Unsere Vermieterin war unglaublich freundlich und hat uns die Wohnung noch am selben Abend zugesagt. Wir konnten es kaum fassen- wir hatten also eine Dreiraumwohnung gefunden, in der Hunde erlaubt waren, wir einen Stellplatz hatten und auch den großen Garten mitbenutzen konnten. Zur Uni sind wir ungefähr 15-20 min mit dem Rad gefahren und in der Innenstadt waren wir in 5-8 min.  Das Radfahren in Kristiansand ist völlig unkompliziert und ausgereift- und so hatten wir von unserer Wohnung in dem Stadtteil Grim bis zur Universität in Lund nicht eine einzige Ampel.

Wie sah die Betreuungssituation vor Ort aus?

Der Unikindergarten ist auch auf dem Campus und wir konnten unser Glück kaum fassen, dass wir „einfach so“ einen Platz bekommen haben. In Deutschland ist das nicht so leicht und keine Selbstverständlichkeit. Die Leiterin hatte bereits in den Semesterferien vor unserer Ankunft in Norwegen mit uns über Zoom gesprochen und war daran interessiert, uns kennenzulernen. Von Sekunde eins haben wir uns unglaublich wohlgefühlt. Und als wir dann am Tag unserer Ankunft direkt einmal zum Campus gefahren waren, wurde unsere Tochter am Eingang des Kindergartens direkt mit Namen angesprochen und willkommen geheißen. Familien und Kinder haben in Norwegen einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland. Kinder werden auf Augenhöhe betrachtet und ihre Gefühle und Bedürfnisse werden begleitet und gesehen- und all das ohne es groß herauszustellen oder zu benennen. Auch der Anteil an Männern im Sozialwesen ist ein anderer. So gab es im Kindergarten beispielsweise gleich viele männliche wie weibliche Erzieher*innen und das fällt im Vergleich zu Deutschland schon klar auf. Im Wald ist es ein ähnliches Bild ;) .. sieht man in Deutschland viele Mamas mit Kindern spazieren, sind es in Norwegen ebenso viele Papagruppen, die mit ihren Kindern unterwegs sind. In der Stadt oder in Läden wird Kindern mit Herzlichkeit begegnet und wir hatten als Familie nicht ein einziges Mal in unserem Jahr in Norwegen das Gefühl, „zu viel“ zu sein oder gar zu stören. Uns wurde immer Hilfe angeboten und es war selbstverständlich, dass Eltern mit Kindern bei gewissen Dingen/ Schlangen vorgelassen wurden und es ist so wunderbar zu erleben gewesen, welchen Wert Familien in der Gesellschaft haben.

Wie hat sich Ihr Studium gestaltet?

Der Semesterbeginn war ganz toll gestaltet und es wurden mit den Internationals Führungen durch Stadt/ Wald und Universität gemacht und so hatten wir keine Probleme, uns in den Universitätsalltag einzufinden. Mein Semester ging ein paar Tage nach unserer Ankunft los und dank des Fernstudiums meines Mannes konnte er die Eingewöhnung in den Kindergarten übernehmen und ich verpasste den Beginn des Semesters nicht. Unsere Tochter war im August 2021 1 Jahr und 10 Monate alt und sprach bis dato nur vereinzelte Wörter im Deutschen, was dann ihr Vorteil war, da es das Problem des „Nichtverstehens“ der Erzieher*innen ihr gegenüber nicht gab. Sie signalisierte so mit Mimik und Gestik ihre Wünsche und verstand innerhalb kürzester Zeit Norwegisch und somit alles, was die Erzieher*innen ihr sagen wollten. Bis zuletzt verstand unsere Tochter das Norwegische definitiv besser als wir und wir waren beeindruckt, wie das Sprachenlernen in diesem Alter so einfach und intuitiv stattfindet. Andere Studierende mit Kind gab es- sogar ein weiteres deutsches Paar, das mit ihrem Kind an der Uni Agder in Kristiansand war. Die meisten Kontakte in meinen Semestern habe ich über meine Uni-Kurse geknüpft. Im Wintersemester war das der Kurs NORSEC (Norwegian Society, Education and Culture), in dem jedoch „nur“ ausländische Studierende waren. Wir haben natürlich bedingt durch den Kurs viel Zeit miteinander verbracht und konnten uns besser kennenlernen. Norwegische Studierende hätte ich über die Uni eigeninitiativ kennenlernen können. Entweder direkt zu Beginn des Semesters über die sogenannten „Buddy Groups“ oder einfach so in den Unigebäuden oder der Mensa. Ich habe jedoch meine norwegischen Freundinnen beim Volleyball kennengelernt. Das Probetraining (die „try outs“, da so viele Bewerberinnen) fand direkt im August statt und dann wurden wir ggf. angenommen und zu einer der beiden Unimannschaften zugeteilt. Da ich in meiner Schulzeit professionell Volleyball gespielt habe, konnte ich in „Team I“ spielen und bin dankbar über diese großartige Erfahrung. Das Training lief auf Norwegisch ab, was mich der Sprache natürlich um einiges näherkommen ließ und es war eine wunderbare Möglichkeit für mich, norwegische Freundinnen zu finden und die norwegische Kultur über einen Sportverein noch einmal anders kennenzulernen. Schwierigkeiten hatten wir in Norwegen nicht ein einziges Mal. Auch bei offiziellen Behördengängen wie dem Amt, der Polizeistelle zur Anmeldung, dem Krankenhaus oder mit Ärzt*innen gab es keinerlei Probleme, im Gegenteil: wir wurden stets herzlich empfangen und auch meine zweite Schwangerschaft (die ich in Norwegen feststellen und beginnen durfte) wurde durch meine Hebamme ganz wunderbar begleitet. Auch die Entbindung wäre für mich in Norwegen problemlos möglich gewesen und ich wurde auch schon bei dem großen Ultraschall im Krankenhaus gut betreut und auch später zur Klinikanmeldung angerufen. Die digitale Patientenakte macht einiges leichter und wir waren besonders dankbar, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte unserer Tochter so zugewandt und liebevoll mit ihr umgegangen sind- ein Standard, der leider noch nicht in diesem Maß in Deutschland angekommen ist.

Unser Tagesablauf war flexibel je nach Stundenplan geregelt. Meist habe ich unsere Tochter auf dem Weg zur Uni mit in den Kindergarten genommen und mein Mann hat sie dann am Nachmittag nach dem Mittagsschlaf abgeholt. Die Kinder waren (egal bei welchem Wetter) immer draußen und ich kann mich nicht erinnern, dass sie an nur einem Tag in unserem Jahr dort nicht an der frischen Luft oder „på tur“ waren. Sie haben Ausflüge unternommen, sind zu Bauernhöfen in der Umgebung, zum Hafen oder zur Feuerwehrstation gelaufen und auch das Draußen-Schlafen der Kinder ist tagsüber nicht wegzudenken. So werden Mittags fast überall in Norwegen die Kinder in ihre Kinderwägen gelegt und können ihren Mittagsschlaf ganz herrlich an der frischen Luft abhalten. An den Wochenenden waren wir ebenso viel draußen unterwegs- mit unserem Hund spazieren, mit Freunden wandern, Sport machen oder am Strand.

Welche gemeinsamen Erlebnisse mit ihrem Kind haben Sie während ihres Auslandsaufenthalts geprägt und worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie auf Ihr Auslandsstudium mit Kind zurückblicken?

Besonders schön und mir nachdrücklich in Erinnerung war unser erster gemeinsamer Ausflug direkt zu Beginn unseres ersten Semesters. Wir haben uns entschieden, das erste Mal gemeinsam als Familie im Zelt zu schlafen (Hallo und Danke Allemansretten, das uns erlaubt, immer und quasi überall das Zelt aufzuschlagen) und haben am nächsten Morgen den Kjeragbolten erklommen. Das war nicht ohne- ich hatte jeweils beim Auf- und Abstieg unsere Tochter auf dem Rücken- aber definitiv eins der wunderbarsten Gefühle..und wir alle danach stolz darauf, das gemeinsam gemacht zu haben.

Ich bin besonders dankbar und auch stolz, dass ich im zweiten Semester an „Friluftsliv“ dem norwegischen „Outdoor Education“ der Uni Agder teilnehmen konnte. Zu Beginn war ich nämlich ganz frisch und zum Ende des zweiten Semesters dann schon ziemlich schwanger und doch war es mir möglich, das zu erleben. Wir sind gewandert, geklettert, Langlaufen gewesen, haben Schneehöhlen gebaut und haben mehrere Tage außerhalb der Zivilisation oder auf einsamen Inseln geschlafen, sind Kanu, Kajak und Rad gefahren und ich bin froh, dass ich all dies erleben und machen konnte- “trotz“ Kind(ern).

Was würden Sie Eltern raten, die sie ebenfalls für ein Studium mit Kind entschieden haben oder noch Bedenken haben diesen Schritt zu wagen?

Wie man bestimmt schon herauslesen kann, bin ich und sind wir unglaublich froh, dass wir den Schritt gegangen sind und uns für das Auslandsjahr in Norwegen entschieden haben. Wir sind um so unglaubliche viele schöne Erinnerungen und Erfahrungen reicher geworden und haben Freunde fürs Leben gefunden.

 Ich kann ein Studium im Ausland (und natürlich im Besonderen in Norwegen) mit Kind nur jeder und jedem empfehlen- ihr werdet es nicht bereuen!

Vielen vielen Dank an Frau Burchardt für die offenen Worte, Gedanken und Eindrücke. Es macht große Freude und Lust auf ein Auslandsstudium mit Kind!