Der Chor von Saint-Martin-des-Champs

Bauforschung an einem gotischen Chor der Übergangszeit

Bearbeiter: Lena Maria Klahr M.A.

Betreuung: Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling

Objektbeschreibung

Die ehemalige Prioratskirche Saint-Martin-des-Champs liegt in Paris am nördlichen Ufer der Saine und befand sich bis ins 14. Jahrhundert außerhalb der Stadtmauer. Die einzelnen Elemente der Kirche sind zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert entstanden. Im Zentrum dieser Arbeit steht der Chor dieser Anlage, der vermutlich zwischen 1130 und 1142 errichtet wurde und somit ähnlich datiert wie der Chor des Sugerbaus von Saint-Denis in Paris. Die epochale Umbruchsphase zwischen Romanik und Gotik, in der die Kirche erbaut wurde, zeigt sich auf den ersten Blick.

Zitiert die Außenanlage noch eine relativ romanische Formensprache, so verkündet die Raumgestaltung innen schon den Beginn der Gotik und der Ausformung gotischer Stilelemente. Bezeichnend sind für Saint-Martin zudem das Fehlen von Symmetrien sowie klarer geometrischer Systeme. Der Grundriss zeigt dabei einen doppelten Umgangschor mit anliegendem Kapellenkranz sowie einer Achskapelle mit kleeblättrigem Umriss. Diese formalen Phänomene sind in dieser Kombination ausschließlich an der Prioratskirche von Saint-Martin zu finden. Auch die Kreuzrippen, welche die Mittelachse des gesamten Chors charakterisieren, sind für diese Entstehungszeit noch relativ ungewöhnlich. Seine architekturgeschichtlich bedeutsame Rolle wurde in der Literatur z.T. erkannt, eingehende architektonische Untersuchungen waren aber nur vereinzelt die Konsequenz dieser Würdigung. Fragen, den Chorentwurf sowie den Bauablauf betreffend, sind daher bislang nur am Rande gestellt worden. Die schriftlichen Quellen geben diesbezüglich keinerlei Hinweise, so dass man sich hierbei nur am Chor selbst orientieren kann. Auf eine ähnlich schlechte Dokumentation stößt man auch bei der Frage um den Umfang der Eingriff e während der Restaurierung im19. Jahrhundert unter L. Vaudoyer.

Fragestellung

Ziel der Arbeit war eine genau architektonische Analyse des Chors. Hierbei standen nicht allein Fragen zum Bauvorgang sowie zum Bauentwurf im Vordergrund. Auch das Problem der Unterscheidung zwischen dem Ursprungsbau und den Veränderungen im 19. Jahrhundert waren von zentraler Bedeutung. Nur so konnte geklärt werde, welche Teile des Bauwerks bei der Beurteilung des Bauvorgangs im 12. Jahrhundert berücksichtigt werden durften und welche aufgrund ihrer späteren zeitlichen Einordnung nicht einzubeziehen waren.

Methode

Das bereits vorhandene Planmaterial ließ aufgrund des kleinen Maßstabs sowie der zugrunde gelegten Messmethoden vermuten, dass es für die hier genannten Zwecke zu ungenau sein würde. Daher stellte die Grundlage dieser Arbeit eine tachymetrische Vermessung des Grundrisses im Maßstab 1:20 dar. Aufgrund der Fragestellung schien es ferner sinnvoll, drei Grundrisse zu erstellen und den Chor so auf drei unterschiedlichen Ebenen zu schneiden. Auf diese Weise ließen sich nicht allein verschiedene Entwurfsvarianten rekonstruieren, sondern auch Veränderungen in der vertikalen Ebene feststellen, die ebenfalls wichtige Erkenntnisse über den Chor von Saint-Martin-des-Champs liefern würden. Zusätzlich wurden die Befunde am Bau fotografisch dokumentiert, wobei ein besonderes Augenmerk auf die konstruktiv wichtigen Details gelegt wurde. Im Anschluss an die Vermessung erfolgte die Auswertung und Analyse, wobei eine grundlegende Recherche der gotischen Bauorganisation von Nöten war.

 

Ergebnisse

Ein wichtiger Beitrag dieser Arbeit im Hinblick auf ein besseres Verständnis für den Chor von Saint-Martin-des-Champs waren die erarbeiteten Pläne, wobei die Genauigkeit von entscheidender Bedeutung war. Planmaterial sowie Baubefunde ermöglichten eine eingehende Bauanalyse. Diese lassen die Vermutung zu, dass der Grundriss des Chores noch die bauzeitliche Form widergibt und somit kein Ergebnis der Maßnahmen im 19. Jahrhundert darstellt, wie in der Literatur stellenweise geäußert wurde. Die Befunde am Chor lassen es vielmehr möglich erscheinen, dass die Steine des aufgehenden Mauerwerks teilweise abgetragen und gereinigt wurden, das Fundament dabei jedoch unangetastet blieb. Allerdings wurde aufgrund dieser Maßnahmen die Möglichkeit erschwert, Erkenntnisse aus dem Bau selber hinsichtlich der Bauphasen zu ziehen. Es ließen sich diesbezüglich daher nur Überlegungen zu einzelnen Bauphasen anstellen, genaue Bauabfolgen konnten nicht festgelegt werden. Auch die Frage nach dem zugrunde liegenden Entwurfssystem konnte bei einem derart unregelmäßigen Bau wie diesem erst einmal nur Ansätze liefern. Abschließend kann aber bereits jetzt festgestellt werden, dass die Ostanlage Saint-Martin-des-Champs aufgrund ihrer innovativen Bauweise als wegweisend für die beginnende Gotik einzustufen ist.