4D-Stadtmodell "Bamberg um 1300"

Förderung des Projekts 4D-Stadtmodell "Bamberg um 1300"

Das Projekt wird von der Oberfrankenstiftung, der Stadt Bamberg und der Städtebauförderung großzügig gefördert.

Leitung

Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling

Mitarbeiter

Dipl. Designer Martin Buba, Jan Fuhrmann, M.A., Dipl.-Ing. Alexandra Tanner, M.A., Lena Klahr, M.A., Laura Kriete

Kooperationspartner

Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Stadtarchäologie und Welterbe-Zentrum Bamberg sowie eine Vielzahl weiterer Partner.

Laufzeit

2010 - 2013

Zum Projekt

Das Projekt „4D-Stadtmodell Bamberg um 1300“ erarbeitet eine wissenschaftlich fundierte Rekonstruktion der mittelalterlichen Domstadt aus der Zeit um 1300.

„4D“ ist dabei ein Ausdruck für das ambitionierte Ziel, dem seit 2002 durch das Stadtplanungsamt in der Entstehung befindlichen digitalen Stadtmodell Bambergs neben den drei Dimensionen des Raumes auch die Zeit modellhaft mit einzubeziehen.

Die Idee zu einem entwicklungsgeschichtlichen digitalen Stadtmodell mit mehreren Zeitschichten wurde bereits 2008 vom Welterbezentrum und dem Stadtplanungsamt der Stadt Bamberg entwickelt und auf der Generalversammlung des Internationalen Denkmalrats ICOMOS in Kanada vorgestellt.

Wissenschaftliche Rekonstruktion der Stadt Bamberg um 1300

Das 4D-Projekt versteht sich als Fortsetzung der bestehenden Ansätze. Allerdings will es nicht nur hinsichtlich der Projektstruktur, die die Verteilung der Aufgaben auf unterschiedliche Institutionen vorsieht, sondern auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Modellbildung und Rekonstruktion eigene Wege beschreiten. Das Rekonstruktionsmodell des mittelalterlichen Bamberg soll gegenüber dem photorealistischen Modell der gegenwärtigen Stadt eine wissenschaftliche Distanz wahren und so der Phantasie und dem Intellekt des Betrachters Spielräume lassen. Ziel ist die Überblendung des gegenwärtigen Zustandes mit der historischen Stadt (Abb. 1).

Dadurch werden städtische Entwicklungen und Veränderungen sichtbar und die enge Beziehung der Gegenwart zu den historischen Voraussetzungen in der Stadtanlage, der Straßenführung und von Einzelgebäuden visuell nachvollziehbar.

Möglich ist dies durch die Nutzung gleicher geodätischer Grunddaten für alle digitalen Modelle und die Abstimmung der verwendeten Programme und Darstellungsmittel. In einem ersten Schritt wurden die Geoscans des Landesvermessungsamtes in eine vermaschte Vektor-Geometrie umgewandelt, um Veränderungen an dem Geländemodell vornehmen und so den historischen Flussverlauf, Höhen der vermutlichen damaligen Wasserstände und bekannte Abweichungen des Geländereliefs vom heutigen Zustand darstellen zu können.

In diesem Geländemodell werden sodann Rekonstruktionen mittelalterlicher Gebäude in ihrer Lage nach erhaltenen Resten vermessungstechnisch genau eingepasst (Abb. 2). Ein Team von Archäologen, Bauhistorikern und Bauforschern stellt die historisch verbürgten Informationen zu den einzelnen Bauwerken zusammen und erarbeitet Rekonstruktionsvorschläge.

Fünf Wahrscheinlichkeits-Stufen

Ein entscheidendes Kriterium für die Wissenschaftlichkeit eines Modells ist dabei die Nachvollziehbarkeit der einzelnen gewählten Lösungen. Es entsteht notwendig das Problem der Unschärfe, da im digitalen wie im analogen Modell alles eindeutig konstruiert werden muss und nichts grafisch verschleiert werden kann. Andererseits ist zu vielen Bereichen wenig oder gar nichts bekannt. Hier arbeiten die Wissenschaftler mit Analogieschlüssen aus der ortsbezogenen oder der regionalen Bauwerkstypologie, um die Lücken zu schließen.

Um deutlich zu machen, auf welcher Faktenlage die Rekonstruktion basiert, werden fünf Stufen der Wahrscheinlichkeit eingeführt. Sie unterscheiden sich sowohl farblich als auch durch den Detaillierungsgrad und die Intensitätsstufen (Abb 3).

Befunde zum mittelalterlichen Bamberg, die in der Stadt vor Ort zu sehen sind, oder die bei archäologischen Grabungen und bauhistorischen Untersuchungen in den Gebäuden aufgedeckt wurden, sind im Modell durch Detaildarstellungen wiedergegeben. Sicher vorhandener, nicht erfasster Bestand wird mit einem dunklen Grau markiert. Mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich vorhandene, heute verschwundene Bauteile sind in einem helleren Grau gehalten. Sehr hell und durchscheinend sind schließlich Bauteile eingefärbt, die zwar nur durch vage Analogieschlüsse rekonstruierbar, aber zur Abrundung des anzunehmenden ursprünglichen Erscheinungsbildes und zur Verständlichkeit der Darstellungen notwendig sind.

Überprüfbarkeit der Rekonstruktionen

Ein wissenschaftliches Modell muss weiterhin dem Nutzer die Möglichkeit bieten, selbst in die inhaltliche Diskussion um die Rekonstruktionsvorschläge einzusteigen. Um die Herkunft der gewählten Lösungen nachvollziehbar zu machen und zugleich die gedankliche Leistung der Urheber zu schützen, wird jeder Rekonstruktionsvorschlag für ein Gebäude oder Bauteil zusätzlich in drei Kontextmenüs referenziert.

Auf einer ersten Ebene werden für jeden einzelnen baulichen Zusammenhang die Personen und Veröffentlichungen genannt, an deren Aussagen sich die Rekonstruktion orientiert. Ein zweiter Kommentar erläutert in schriftlicher Form die Fragestellungen, die mit dem entsprechenden Bauteil einhergehen, und die Argumentationen, die zu der jeweiligen Rekonstruktion geführt haben. Ein drittes Menü zeigt schließlich wichtige Befunde und erläuternde und weiterführende Darstellungen. Im Ergebnis entsteht ein kritisches, in allen seinen Teilen überprüfbares Rekonstruktionsmodell, das ausdrücklich die spätere Veränderbarkeit und Korrektur vorsieht, Forschungslücken aufzeigt und zu weiterer Forschung und zu ständig neuer Auseinandersetzung mit dem baulichen Kulturerbe der Stadt Bamberg anregt.

Mögliche Anwendungen und Erweiterungsmöglichkeiten

Die einfache Grundstruktur ermöglicht unterschiedlichen Anwendern auch nach Abschluss des Projektes eine nachhaltige Nutzung des digitalen Modells. Die Abrufbarkeit im Internet ist bereits bei der Modellbildung berücksichtigt.

Im Sinne einer Fortentwicklung des Modells des heutigen Bamberg hin zu einem entwicklungsgeschichtlichen Stadtmodell, in dem der Nutzer interaktiv durch die Geschichte der Stadt und einzelner Quartiere browst, können weitere Zeitstufen – wie z.B. der ebenfalls in einer dreidimensionale Umsetzung befindliche Zweidler-Plan von 1602 – hinzugefügt werden.Die Rekonstruktionsmodelle können jederzeit um weitere Details und Themen erweitert werden. Dadurch entsteht zunehmend ein Abbild der Denkmal- und Welterbeeigenschaften der Stadt. Dies ist besonders für die Vermittlung der historischen Werte bedeutsam, die im Baubestand Bambergs schlummern. Virtuell können Zusammenhänge und Aspekte verdeutlicht werden, die ansonsten nur schwer oder gar nicht mehr zugänglich wären.

Ein wichtiger Nutzer und Kommunikator für das 4D-Stadtmodell wird das Bamberger Welterbe-Zentrum sein. Neben den Informationen zur Stadtgeschichte ließen sich alle Arten von zusätzlichen georeferenzierten Themen anfügen, die bei der touristischen Erschließung der Welterbestätte helfen können. Auf diese Weise wäre es möglich, bei Stadtrundgängen über ein Handheld oder Smartphones mittels Augmented Reality (Mobile AR) visuelle Hinweise zum eigenen Standort und den umgebenden Gebäuden zu erhalten. Denkbar wären darüber hinaus thematische virtuelle Rundgänge für unterschiedliche Nutzergruppen. Bestehende Projekte, wie die interaktive Nutzung des Stadtmodells durch Schüler bei dem Projekt „Beam me up!“ des Stadtplanungsamtes, die sich auf diese Weise der Vielschichtigkeit des Kulturerbes Bambergs spielerisch aneignen, öffnen hier ein weites Feld.

Literatur:

  • Breitling, Stefan: Das Modell der Mschatta-Fassade im Maßstab 1:15. In: Sack, Dorothée (Hg.): Masterstudium Denkmalpflege an der TU Berlin. Jahrbuch 2003-2005. Berlin 2005, S. 25.
  • Gunzelmann, Thomas; Röhrer, Armin: Zeitschichten – Die Analyse des Stadtdenkmals Bamberg im Geographischen Informationssystem. In: Bericht des Historischen Vereins, Bamberg 142/2006, S. 357-371.
  • Dengler-Schreiber, Karin: Das virtuelle Stadtmodell. In: Rathaus Journal 21/2008, S. 10.