Forschung
Die Bamberg Graduate School of Historical Studies fühlt sich einem breiten interdisziplinären und Epochen übergreifenden Ansatz verpflichtet, der neben den ‚klassischen’ Feldern der Politik-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte auch die Geschichte von personalen Bindungen, materiellen Kulturen, räumlichen Entwicklungen und visuellen Repräsentationen umfasst. Thematische Schwerpunkte werden auf der historischen Stadt- und Regionalforschung, der Erforschung transnationaler, transkultureller und globaler Prozesse sowie der Geschichte sozialer Beziehungen und Gruppen (z.B. Familie, Verwandtschaft, Geschlechterverhältnisse, Generationen, Patronage-Klientel-Beziehungen, Eliten, Minderheiten) liegen.
Srđan Beck
St. Mary the Great near Bale (Istria) in the context of Carolingian monastery organization (working title)
Foundation and consolidation of the Carolingian rule in Istria (Croatia) as a research topic is gaining momentum in the last few decades, rewriting the established historiographic narrative that emphasized Byzantine political and cultural influence in the region during the early Middle Ages. The monastery of St. Mary the Great near Bale is a very important link in the chain of strategically placed monasteries and fortresses that helped to secure the dominion of the Carolingians in the region. The monument itself was constructed and founded during the late 8th century in accordance to commendations followed in the centers of the Carolingian Empire. The first steps of the research will be gathering of the available written documentation on the monastery, followed by comparative analysis of similar examples in the region, neighboring provinces, but in the centers of the Empire as well (with focus on the Carolingian monasteries before and after the Council of Inden). The research will proceed with extensive fieldwork, especially focusing on the implementation of modern technologies: aerial photography of the site and data processing in programs AutoCAD, Agisoft Metashape, QGIS, which will provide digital data of the site and the sculpture found during archaeological excavations. The goal of this research is to place this important monastery in broader historical, geographical and architectural context, using interdisciplinary approach in the research.
Christian Chandon
Die spätmittelalterliche Wehrverfassung der fränkischen Bischofsstadt Bamberg. Kontinuitäten und Brüche der Interaktion des stadtherrschaftlichen Dreiecks Bischof - Rat - Domkapitel
Das Dissertationsvorhaben soll in einem ersten Schritt Grundlagenforschung betreiben. An Hand von reichlich vorhandenem Quellenmaterial, das sich u.a. aus kommunalen Rechnungsbüchern, chronikalischen Notizen und Beschreibungen sowie Urkunden zusammensetzt, soll festgestellt werden, wie die Verteidigung der Stadt Bamberg vom 14. bis in das frühe 16. Jahrhundert organisiert wurde. Diese Basis soll in einem zweiten Schritt Rückschlüsse auf die Entwicklung von Rechten und Pflichten der beteiligten Interessensexponenten (Bischof, Domkapitel, Stadtrat bzw. Bürgerschaft) ermöglichen. Dabei sollen die bereits von der Forschung erbrachten Ergebnisse hinsichtlich der Stadtverfassung Bambergs speziell für den Bereich der Wehrverfassung kritisch hinterfragt werden. Unter Berücksichtigung der Wehrverfassung anderer (Bischofs-)Städte des mittelalterlichen römisch-deutschen Reichs soll abschließend geprüft werden, ob sich grundsätzliche Unterschiede der Wehrverfasung von Bischofsstädten und Städten ohne Bischof als Stadtherrn im Mittelalter feststellen lassen.
Lea Gerhardt
Italienische Karikaturen in der Frühen Neuzeit
Karikaturen erscheinen uns heute in vielfältiger Form, etwa als eine aus wenigen Strichen bestehende übertriebene Porträtzeichnung oder als detailliert gezeichnete Bildsatire. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in ihrer Entwicklungsgeschichte wieder. Ein nicht selten unbekannter Entstehungskontext und der rege motivische Austausch zu ähnlichen Bildgattungen wie der Satire, der Groteske oder dem Capriccio, erschweren die Erforschung der Karikaturentstehung. Verstehen wir die Karikatur als Porträtform, bei der zum Scherz charakteristische Züge einer Person übertrieben hervorgehoben werden, dann handelt es sich um ein italienisches Phänomen der Frühen Neuzeit. Der Begriff „Karikatur“ leitet sich vom italienischen „caricare“ (laden, überladen, übertreiben, stark auftragen) ab. Karikaturen wurden offenbar zuerst hier, seit dem Ende des 17. Jahrhunderts vermehrt auch in anderen europäischen Ländern, zu didaktischen Zwecken und zur Erheiterung des Künstlers, seiner Freunde oder für eine höfische Klientel angefertigt.
Die frühneuzeitliche italienische Karikatur wurde bisher kaum monographisch behandelt. Daher zielt die Dissertation auf eine Sammlung der weit verstreuten und kontroversen Forschungen. Durch diese Bündelung und Überarbeitung von Ergebnissen soll die Bandbreite der Karikaturen dargelegt sowie ihr Entstehungskontext und Nutzen hinterfragt werden. Außerdem ermöglicht die Zusammenstellung bildliche Vergleiche innerhalb der Kunstgattung „Karikatur“, um so zu neuen Erkenntnissen, nicht zuletzt für zahlreiche strittige Zuschreibungen, zu gelangen.
Johannes Jänchen
Mittelalterliche Rathäuser in Franken
Franken ist reich an historischen Stadtkernen und somit auch reich an historischen Profanbauten, wie Wohnhäusern, Amtshäusern und Rathäusern. Trotz der Fülle und Vielfalt an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Strukturen und Bauten, galt das wissenschaftliche Interesse fast ausschließlich dem fränkischen Fachwerkbau. Darstellungen zur Entstehung und Entwicklung der fränkischen Stadt und ihrer Funktionsbauten blieben meist nur Ansätze. Anhand ausgewählter Beispiele soll diese Dissertation aufzeigen, wie sich das fränkische Rathaus im Mittelalter entwickelte, und somit zumindest eine weitere Lücke in Frankens Geschichte der Stadtentwicklung schließen. Diese Arbeit soll nicht nur klären, welche Vorbilder prägend für das fränkische Rathaus waren sowie welche Formen ihm eigen waren und nicht von auswärtigen Bildern übernommen wurden, sondern auch die Funktion der Räume und der einzelnen Bauteile geklärt werden.
Susann Kretschmar
Studien zu den Illustrationen zum Weißkunig (Arbeitstitel)
Der Weißkunig ist ein autobiographisches Werk über das Leben und politische Wirken Kaiser Maximilians I. (1459-1519). Für das Werk wurden 251 Holzschnitte hauptsächlich durch Hans Burgkmair und Leonhard Beck angefertigt. Doch das als reich illustrierte Buchausgabe geplante Werk blieb unvollendet. Inhaltlich geht die Bilderzählung weit über die knappen Texte hinaus. Anhand eines Konvoluts von über 200, bisher größtenteils unveröffentlichten Vorzeichnungen unbekannter Künstler, soll der arbeitsteilige Schaffensprozess der Illustrationen untersucht werden. Darüber hinaus ist es interessant zu fragen, ob sich anhand der zeichnerischen Vorbereitung und Übertragung in die Holzschnitte Aussagen über soziokulturelle Rahmenbedingungen sowie den künstlerischen und inhaltlichen Anteil des Einzelnen treffen lassen.
Maximilian Merkel
Die Ausbreitung der Syphilis in Europa am Ende des Mittelalters (Arbeitstitel)
Das Dissertationsprojekt soll sich mit der Ausbreitung der Syphilis in Europa im ausgehenden Mittelalter beschäftigen. Hierbei sind die im Titel genannten Parameter sowohl geographisch als auch chronologisch absichtlich weit gefasst, so dass Analyse und Ausblick über die Jahrhundertwende bis zur Reformation hinaus ermöglicht werden. Der Fokus liegt dabei auf der schnellen, regionalen und zeitlichen Krankheitsausbreitung, den sozialen und kulturellen Auswirkungen und den dadurch ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen. Unter Zuhilfenahme einer Vielzahl an unterschiedlichen Quellentypen, beispielhaft seinen hier Chroniken, Predigten, Briefwechseln, Ratsbeschlüssen, (Krankenhaus-)Rechnungen, Urkunden, Edikten oder Holzschnitten erwähnt, soll neben der Suche nach authentischen, nicht rückdatierten Augenzeugenberichten, festgestellt werden, wie die Krankheitsbeschreibung und -erkennbarkeit durch Zeitzeugen noch vor der Pathomorphose der Syphilis bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts stattfand.
Mats Pfeifer
Kreuzzug, Reconquista, Heiliger Krieg. Christlich-islamische Konflikte im Mittelmeerraum und ihre Deutung, ca. 900-1100. Eine Neukonzeption der Erforschung der Kreuzzugsidee
Die Trias der Konzepte von Heiligem Krieg, Kreuzzug und Reconquista prägt das Bild der Forschung von christlich-islamischen Konflikten im Mittelmeerraum des Mittelalters. Gemeinsam ist diesen Begriffen, dass sie allesamt keine direkte zeitgenössische Entsprechung haben und bis heute politisch aufgeladen sind, was im modernen geschichtswissenschaftlichen Umgang mit ihnen eine besondere Sorgfalt notwendig macht. Insbesondere im Falle der Kreuzzüge hat sich eine Sichtweise durchgesetzt, die von einem urknallartigen Auftauchen des Konzepts und seiner zentralen Charakteristika im Jahr 1095 ausgeht. So wurde eine Blaupause geschaffen, an der sich andere Unternehmungen messen lassen, der es jedoch nicht gelingt, die eigentliche zeitgenössische Erfahrung abzubilden. Statt so die Perspektive des sogenannten Ersten Kreuzzugs zur allgemeingültigen zu erklären, ist es das Ziel dieses Projekts, durch eine Weitung des Blickwinkels und einen unterschiedliche Perspektiven berücksichtigenden Ansatz, der in einem besonderen Augenmerk auf die kritische Untersuchung der Quellen selbst resultiert, die Konzentration auf den Kreuzzug von 1095 aufzubrechen und zu einem neuen Verständnis der Entwicklung der Kreuzzugsidee zu kommen. Es soll gezeigt werden, dass deren Ursprung in der Erfahrung des christlichen Kampfes gegen die Muslime im Mittelmeerraum und damit in den konkreten historischen Ereignissen begründet liegt, die weniger geprägt ist von einer Reihe revolutionärer Änderungen, sondern vielmehr von Kontinuitäten, Wechselwirkungen und allmählichen, in der zeitgenössischen Wahrnehmung zum Teil kaum wahrnehmbaren Entwicklungsschritten, die nicht immer klar zu trennen sind und teilweise geradezu ineinander übergehen. Den Startpunkt der Untersuchung soll dabei die in der Kreuzzugsforschung kaum beachtete Wahrnehmung des Konflikts mit den Muslimen im asturischen Königreich bilden, deren Wirkung auf und Weiterentwicklung in späteren Phasen und durch neue Akteure wie etwa dem Papsttum bis zum Nachspiel des Kreuzzugs von 1095 insbesondere in urkundlichen und historiographischen Zeugnissen nachverfolgt werden soll.
Andreas Reder
Das Militär im Hochstift Bamberg im 18. Jahrhundert (1693-1803)
Das Dissertationsprojekt verfolgt die Zielsetzung, die Zusammensetzung, die Organisation, die innen- und außenpolitischen Funktionen sowie die sozialen Dimensionen der militärischen Einheiten im Herrschaftsgebiet des Hochstifts Bamberg im Verlauf des 18. Jahrhunderts umfassend zu erforschen. Da breiter angelegte Untersuchungen zum Militär der kleineren deutschen Staaten fehlen, erwächst der Eindruck, dass Forschungsergebnisse v. a. zu Preußen oder auch Kursachsen in weiten Teilen für andere (kleinere) Territorialstaaten des Reiches stark generalisiert wurden. Im Hinblick auf die genannten Forschungsdesiderate soll die geplante Dissertation einen Beitrag zur Schließung der Forschungslücke zum Militär kleiner (geistlicher) Territorialstaaten leisten und einen Gegenpol zu Untersuchungen zu den großen Heeren des Reichs (Preußen, Kursachsen) und zu reichsstädtischen Militäreinheiten bilden. Im Zentrum der Arbeit stehen alle militärischen Einheiten des Hochstifts Bamberg sowie ihre sozialen Verflechtungen und Berührungspunkte mit der zivilen Bevölkerung. Dabei sind die Grenzen zwischen Militärangehörigen und Zivilisten oft fließend, da beispielsweise der Landesausschuss, eine Art Bürgermiliz aus Untertanen, ein Verbindungsglied zwischen beiden Positionen bildet und gleichzeitig auch in seiner Polizeifunktion zur Kontrolle der ‚Berufssoldaten‘ eingesetzt wurde. Angestrebt wird eine organisations-, sozial- und erfahrungsgeschichtliche Studie, die die Geschichte des Bamberger Militärs in ihren herrschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext verortet und an aktuelle geschichtswissenschaftliche Konzepte und Debatten anschließt.
Patrick Reitinger
Der Einfluss politischer Entwicklungen in der Tschechoslowakei auf die Raumpolitik in Ostbayern (1918-1933)
Im Dissertationsprojekt werden die Raumpolitiken in den bayerischen und tschechischen Grenzregionen ab 1918 miteinander verglichen und zueinander in Beziehung gesetzt. Das Projekt verfolgt die Entwicklung eines historisch-geographischen Begriffs vom Raumpolitik an der Schnittstelle von Raumtheorie, Sozialtheorie und Zeittheorie. Durch die Verbindung einer solchen Historischen Sozialgeographie und einer bayerisch-tschechischen Beziehungsgeschichte entsteht eine transnationale und translokale Raumperspektive, durch die die politischen Verflechtungen zwischen Bayern und Tschechien im 20. und 21. Jahrhundert neu beleuchtet werden können.
Sandra Schardt
„Armut und Illegitimität in den fränkischen Landgemeinden im 18. und 19. Jahrhundert“
Die Dissertation trägt den Arbeitstitel „Armut und Illegitimität in den fränkischen Landgemeinden im 18. und 19. Jahrhundert“ und beschäftigt sich mit den in dieser Zeit nicht selten vorkommenden unehelichen Geburten. Dabei soll sie sich mit den Gründen für außereheliche Geburten, den Hintergründen für deren zahlenmäßigen Anstieg im 19. Jahrhundert und den Lebenssituationen der Betroffenen beschäftigen. Außerdem geht es auch um den Umgang mit Unehelichkeit und den Folgen einer unehelichen Geburt für Mutter und Kind. Konkubinate, Abtreibung sowie Kindstötung sollen am Rande behandelt werden. Exemplarisch sollen 2-3 Gemeinden (evtl. Stadt- und Landgemeinden vergleichend) herangezogen werden.
Philipp Scheitenberger
Historischer Raum und Hausbau im Umfeld der Waldburg-Wolfeggischen Bauleutezunft 1625 bis 1862
Eine dichte Untersuchung der Hausbautätigkeit im Umfeld der Waldburg-Wolfeggischen Bauleutezunft von ihrer Gründung 1625 bis zu ihrer Auflösung 1862 zielt darauf ab die vielschichtigen, kulturgeschichtlich greifbaren Bedingungen und Produkte des Bauens im ländlichen Oberschwaben der Frühen Neuzeit in einer historisch-räumlich ausgerichteten Gesamtschau zu entschlüsseln, zu dokumentieren, zusammenzustellen sowie kartographisch zu visualisieren. Im Kontext übergeordneter raum- und sachkulturwirksamer Veränderungs- und Umbruchphasen im Oberschwaben des 17., 18. und 19. Jahrhunderts sollen diese dann auf historisch-geographischer und sachkultureller Ebene gedeutet und theoretisiert werden. Hierbei werden auch bestehende Methoden und Theorien der Historischen-Geographie und der Sachkulturforschung miteinbezogen und im Kontext der aus der Bearbeitung des Forschungsprojekts resultierenden Ergebnisse raumbezogene, metatheoretische Überlegungen zu bestehenden Theorien der Hausforschung angestellt.
Domenic Städtler
Die Selbstdarstellung von Serverus Alexander
Mein Promotionsvorhaben befasst sich mit der Selbstdarstellung von Severus Alexander (222-235). Dieser Kaiser, der letzte Kaiser der Severer-Dynastie, ist vor allem aufgrund seines durchaus speziellen Verhältnisses zu seiner Mutter und zu einigen weiteren einflussreichen Beratern interessant. Auch sein Verhältnis zum Senat verdient besondere Beachtung, zumal es sich von den Vorgängern eklatant unterscheidet. In vielfacher Hinsicht lassen sich Anknüpfungspunkte an Septimius Severus und an Caracalla eruieren, die sich vornehmlich auch im Bereich des Kultus manifestieren. Daneben wird in meiner Dissertation aber auch sein Verhältnis zu seinem Vorgänger Elagabal im Zentrum des Interesses stehen, wobei insbesondere analysiert werden muss, inwiefern er sich konkret von den Praktiken seines Vorgängers abwandte. Die Besonderheit meiner Dissertation ist in der Methodik zu sehen: So soll die entsprechende Vita der Historia Augusta, der maßgebliche literarische Text, nur am Rande berücksicht werden, während das Hauptaugenmerk auf den Denkmälern, Inschriften und Münzen liegen wird. Gerade die Provinzialprägungen zu Severus Alexander sind noch nicht systematisch untersucht worden, weshalb ich mir in dieser Hinsicht zu Recht die eine oder andere neue Erkenntnis erhoffe.
Jennifer Schmid
Atlantische Epidemien und Europäische Bedrohungsszenarien - Wahrnehmungen des "gelben Fiebers" im Diskurs deutschsprachiger Mediziner um 1800
Die Umbruchsphase der Medizin um 1800, die vor allem mit der Akademisierung der Ärzteschaft und einer Ausdifferenzierung traditioneller Heilmethoden in zahlreiche und vor allem theoretisch-philosophisch geprägte Konzepte einherging, fiel zeitlich mit der Ausbreitung des bis dato weitgehend unerforschten "gelben Fiebers" - einer der gefährlichsten Tropenkrankheiten der Frühen Neuzeit - zusammen. Die intensive Auseinandersetzung amerikanischer und europäischer Ärzte mit der Krankheit hatte nicht nur das Ziel, Patienten adäquat behandeln zu können und eine Ausbreitung zu verhindern, sondern sie bot auch die Möglichkeit, sich mit innovativen Krankheitskonzepten innerhalb des Medizinerstreits zu profilieren und bei der Beratung politisch bedeutsamer Obrigkeiten zum Umgang mit der Krankheit auf sich aufmerksam zu machen. Das vorliegende Dissertations-projekt möchte Kontext und Inhalt der Gelbfieberdebatte unter deutschsprachigen Medizinern nachzeichnen, die beispielhaft für das Wirklichkeits- und Selbstverständnis westlicher Ärzte gegen Ende der Frühen Neuzeit steht.
Roland Schnabel
Christliche Mohammedviten des Hochmittelalters
Gegenstand des Dissertationsprojekts sind die hochmittelalterlichen Lebensbeschreibungen Mohammeds aus der Feder christlicher Autoren in Mitteleuropa. Dabei sollen die Quellen nicht als Spiegel des Wissens über Mohammed in ihrer Entstehungszeit oder als reine Polemik oder Fantasieprodukte gelesen werden, sondern vor dem Hintergrund innerkirchlicher Zustände zur Entstehungszeit untersucht werden. Ziel ist es, plausibel zu machen, dass in den ausgebauten Viten Mohammeds aktuelle kirchliche Diskurse (z.B. über Heiligkeit, Wunder oder die Rolle des weltlichen Herrschers) verhandelt werden konnten und wurden. Zeitlich wird die Arbeit sowohl Texte vor als auch nach der Koranübersetzung 1143 berücksichtigen.
Marc Seeliger
Die Polizei in Nürnberg-Fürth 1918-1952
Das Dissertationsprojekt will die Geschichte der in Nürnberg und Fürth befindlichen Polizeien während der Weimarer Republik, der NS- und der Nachkriegszeit untersuchen. Im Mittelpunkt steht hierbei der strukturelle Wandel des Polizeiwesens in Bayern und Deutschland am Nürnberger Beispiel und die Auswirkungen der zahlreichen Veränderungen auf die Handlungsfelder der PolizistInnen als Akteure.
Die Krisen der Weimarer Republik, die Modernisierung des Polizeiwesens in den 1920er Jahren und in Nürnberg zudem die Verstaatlichung der Polizei im Klima der Angst vor Revolutionsumtrieben, hatten zahlreiche Änderungen in der Struktur und der generellen „police culture“ der Polizei zur Folge. Ab 1933 folgte dann die Integrierung der Polizei in den NS-Verfolgungsapparat und die Gleichschaltung der Länder. Mit der Rekommunalisierung der Polizeien in der amerikanischen Besatzungszone wurde zwischen 1946 und 1952 die bayerische Polizei neu aufgebaut und damit erneut bedeutende strukturelle und rechtliche Veränderungen vorgenommen.
Vor diesem Hintergrund wird untersucht, wie sich die genannten Umwälzungen auf die Polizeieinheiten in Nürnberg auswirkten und wie die PolizistInnen auf die Änderungen reagierten. Darüber hinaus soll neben den Akten der Behörden und privater Überlieferungen von PolizistInnen auch danach geforscht werden, wie die von polizeilichem Handeln betroffenen Personen reagierten. Nach dem Krieg blieben Verhaltensmuster und Vorgehensweise der Polizei noch lange von der NS-Zeit geprägt. Auch deshalb soll der zeitliche Rahmen nicht etwa auf 1933-45 beschränkt bleiben, sondern in Anlehnung an jüngere Forschungsprojekte zu Brüchen und Kontinuitäten bei den staatlichen Akteuren nach 1945, auf die Nachkriegszeit ausgedehnt werden.
David Landry So
Männliche Beschneidung in Westafrika am Beispiel der Elfenbeinküste 1893-2015. Zwischen Tradition, Religion, Verbot und Normalität.
Der afrikanische Kontinent zerfällt heute, was die Verbreitung der männlichen Beschneidung betrifft, in zwei Zonen. Während in West- und Zentralafrika fast alle Jungen bereits kurz nach der Geburt beschnitten werden und die Beschneidungsrate unter jungen Erwachsenen fast 100% erreicht, wird die Beschneidung im östlichen und südlichen Afrika nur von einigen Ethnien als Initiationsritual zu Beginn der Pubertät praktiziert. Die in den einzelnen Teilen Afrikas sehr unterschiedlich hohe Prävalenz der männlichen Beschneidung ist aus medizinischer Sicht gut untersucht, da die WHO seit längerem für eine flächendeckende Beschneidung eintritt, um so die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von HIV und anderen STI zu verringern ; allerdings stellt keine dieser Untersuchungen die Frage nach den Gründen und für die sehr großen Unterschiede der Beschneidungsraten zwischen West- und Zentralafrika einerseits und dem östlichen und südlichen Afrika andererseits.
Aus ganz anderer Perspektive ist die Jungenbeschneidung gleichzeitig in Deutschland zu einem politischen Thema geworden. In der Beschneidungsdebatte von 2012 wurde die Erlaubtheit der Beschneidung Minderjähriger aus religiösen oder kulturellen Gründen als mögliche Beeinträchtigung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit grundsätzlich in Frage gestellt. Es zeigte sich hier ein tiefgehender kultureller Gegensatz, der auch die Integration von Migranten langfristig erschweren kann: Während in West- und Zentralafrika die Beschneidung von Jungen heute als kulturell und sozial absolut geboten betrachtet wird und ihre Unterlassung als schwerwiegende Vernachlässigung elterlicher Fürsorgepflichten gilt, betrachten viele Europäer die Beschneidung aus religiösen, juristischen oder kulturellen Gründen als ein grausames Ritual, das den nicht einwilligungsfähigen Jungen verstümmelt und deshalb als schwerwiegendes Vergehen der Eltern und der beteiligten Ärzte geahndet werden sollte. Unter beiden Gesichtspunkten stellt sich die Frage, ob die hohe Prävalenz der männlichen Beschneidung in West- und Zentralafrika als kulturelle Besonderheit dieses Raumes schon immer so existiert hat, oder ob sie sich unter spezifischen historischen Bedingungen herausgebildet hat.
Bei näherer Betrachtung der wenigen Erwähnungen dieser Frage in der bisherigen Forschung zeigt sich, dass die Situation in West- und Zentralafrika sich zu Beginn der Kolonialzeit keineswegs fundamental von der Situation im östlichen und südlichen Afrika unterschied. Einige Ethnien praktizierten die Beschneidung und zwar als Initiationsritual am Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter, andere Ethnien dagegen lehnten sie ab. Irgendwann zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Ende des 20. Jahrhunderts vollzog sich dann eine Entwicklung hin zu einer Beschneidung fast aller Jungen im Säuglings- oder Kleinkindalter als selbstverständlicher Eingriff unabhängig von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit. Es stellt sich damit die Frage, wann, aufgrund welcher Entwicklungen und begünstigt von welchen Akteuren es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Zu untersuchen sind dabei unter anderem folgende Fragen: Welche ethnischen Gruppen praktizierten die männliche Beschneidung vor 1893 und warum? Welche Haltung hatten die christlichen Missionare gegenüber der Beschneidung während der Kolonialzeit und welchen Veränderungen war diese Haltung unterworfen? Welche sind die Akteure der Beschneidung? Was sind die Methoden (Schneidwerkzeug) und die Ergebnisse? Was ist der heutige Sinn der Beschneidung als identitätsstiftende kulturelle Praxis?
Diese Fragen sollen in der Dissertation am Beispiel der Elfenbeinküste untersucht werden. Die Elfenbeinküste bietet sich für eine solche Untersuchung in besonderer Weise an, da sie an der Schnittstelle der vier großen westafrikanischen Sprach- und Kulturräume liegt, die im Tal des Bandama aufeinandertreffen (Gur, Mande, Kru, Kwa). Das Land wurde im 15. und 16. Jahrhundert durch unterschiedliche Migrationswellen besiedelt und nach der Kolonialzeit (1893-1960) zu einer Vielvölkernation unabhängig. Es ist daher zu erwarten, dass viele der im folgenden für die Elfenbeinküste gewonnenen Erkenntnisse auf Westafrika insgesamt übertragbar sind. Dies wird auch anhand punktueller Vergleiche mit Entwicklungen in anderen Ländern der Region aufgezeigt werden.
Julie Dalsgaard Sørensen
Der Disput über die Brauchbarkeit der nordischen Mythologie für die bildende Kunst der dänischen Romantik
Der Disput über die Brauchbarkeit der nordischen Mythologie für die bildende Kunst wurde durch die bekannten dänischen Protagonisten des „Goldenen Zeitalters“ (1800-1850) in die Wege geleitet. Die Wiederentdeckung des Motivkreises wurde zu einem wichtigen Bestandteil des dänischen nationalen Selbstverständnisses und der Wiederauferstehung nach den Napoleonischen Kriegen und dem anschließenden dänischen Staatsbankrott. Als Beratungs- und Bildungsinstitut Dänemarks spielte die königliche Akademie der bildenden Künste in Kopenhagen eine zentrale Rolle im Disput über den Gebrauch von Motiven aus der nordischen Mythologie in der zeitgenössischen Kunst. Der heute in Dänemark als „Mythologie-Striden“ bekannte Disput, wurde hauptsächlich zwischen 1812-1821 in zeitbekannten wissenschaftlichen Zeitungen ausgetragen. Grundsätzlich ging es in dem Disput um die Frage, ob man die Verwendung von Motiven aus der nordischen Mythologie in der bildenden Kunst verteidigen kann, wenn bereits christliche und antike mythologische Motive zu Verfügung stehen, und es für die Rezeption nordischer mythologischer Motive kaum plastische Überlieferungen gebe. Die Schriften dieses Disputs sind bis heute nur beschränkt aufgearbeitet worden, und die Auswirkung dieser auf die zeitgenössische Kunst des dänischen „Goldenen Zeitalters“ bleiben unerforscht und unklar. Das Ziel dieser Dissertation ist somit zu klären, wie sich der Streit um die nordische Mythologie auf die bildende Kunst dieser Ära auswirkte, da die Erkenntnisse für das Verständnis einer der wichtigsten künstlerischen Epochen Dänemarks von größter Relevanz sind.
Sophie Stackmann
Integrität als Kriterium für Welterbemanagement in urbanen Räumen
Die Dissertation beschäftigt sich mit einer seit 2005 bestehenden Unklarheit in den Welterberichtlinien. Dabei geht es um den Begriff "Integrität", der für Weltkulturerbe als neues Kriterium eingeführt wurde. Herkunft, Genese und Anwendung von Integrität sollen daher im Rahmen des historischen Diskurses untersucht werden, um heutige Fragen an das Konzept zu klären. Als Beispiele für die Untersuchung sollen Städte dienen, die als Erbe mit hohem Veränderungsdruck besonders veranschaulichend wirken.
Cornelia Thielmann
Moderne Burgen. Burgenrestaurierungen in der Bundesrepublik Deutschland zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Einführung der Denkmalschutzgesetze (Arbeitstitel)
Burgen wurden bereits seit dem 19. Jahrhundert unter macht- und identitätspolitischen Gesichtspunkten restauriert. Im Dissertationsprojekt werden erstmals jüngere Burgenrestaurierungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf denkmalpflegerische Entscheidungen und politisch-ideologische Zusammenhänge untersucht. Die Kontinuität in der Burgendenkmalpflege vom Nationalsozialismus in die Bundesrepublik und der Einfluss von Mittelalterbildern auf den Restaurierungsprozess sollen kritisch untersucht werden. Ebenso soll der Zusammenhang zum zeitgleichen Wiederaufbau der deutschen Städte erfasst werden, um einen Beitrag zur aktuellen Rekonstruktionsdebatte zu leisten.
Die Bearbeitung soll exemplarisch anhand westdeutscher Burgenrestaurierungen bis in die 1970er-Jahre erfolgen. Als Quellen dienen archivalische Schrift- und Bildquellen sowie Interviews mit Akteuren der Restaurierungen.