Dissertationsthema: Der türkische Staatsislam seit 2002. Die Entwicklung der Diyanet-Behörde im Spiegel ihrer Zeitschrift.
Seit den Parlamentswahlen des Jahres 2002, bei denen die islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) zur Regierungspartei avancierte, ist ein Wandel in der türkischen Religionspolitik zu beobachten. Neu ist hierbei die aktive Nutzung von Religion im politischen Geschehen und somit der Wandel von einer impliziten zu einer expliziten Religionspolitik. Entscheidend für die Kommunikation dieser neuen Linie in die türkische Gesellschaft hinein ist die Behörde für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet İşleri Başkanlığı, im Folgenden Diyanet). Diese untersteht seit ihrer Gründung im Jahr 1924 den kemalistischem Prinzipien und folglich der staatlichen Kontrolle und kann somit als Indikator für einen ‚türkischen Staatsislam‘ verstanden werden. Heute trägt sie wesentlich dazu bei, dass nahezu kein gesellschaftspolitisches Thema unabhängig von religiösen Referenzen öffentlich diskutiert wird. Unter der AKP-Regierung scheint die Diyanet-Behörde einen Paradigmenwechsel hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Ausrichtung sowie ihrer Instrumentalisierung zu erfahren. Dieser besteht darin, sich von der kemalistischen Leitlinie zu distanzieren und einen ‚Staatsislam‘ im Sinne der AKP-Religionspolitik zu propagieren. Diese Entwicklung kann unter dem Konzept eines ‚neuen türkischen Staatsislams‘ subsumiert werden und steht im theoretischen Fokus der Arbeit. Unterstützt wird dieser Prozess durch den massiv wachsenden Medienapparat der Behörde. Aufgrund der gegebenen staatlichen Verbindung der Diyanet-Behörde zur Politik, liegt eine Analyse zur Korrelation anhand ihrer Medien nahe, bei der sich folgende Forschungsfrage stellt:
Kann seit AKP-Amtsantritt ein Wandel in der Medien-Kommunikation der Diyanet-Behörde festgestellt werden, der einen ‚neuen türkischen Staatsislam‘ im Sinne der AKP-Religionspolitik vermittelt?
Grundlage für die Untersuchung bildet das seit dem Jahr 1991 monatlich regelmäßig erscheinende Magazin Diyanet Aylık Dergisi. Der Auswertungsfokus liegt auf den seit dem Jahr 2002 publizierten Ausgaben. Um Aussagen über längerfristige Transformationsprozesse treffen zu können, werden vorherige Ausgaben einbezogen. Die Untersuchung wird mithilfe des methodischen Verfahrens der Inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt. Die Arbeit setzt durch den Fokus auf gesellschaftliche und politische Fragen des Islams unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklungen sowie seiner rezenten Erscheinungsform in der Türkei einen exemplarischen islamwissenschaftlichen Schwerpunkt, der durch die Einbindung einer religionsökonomischen Linse geschärft werden soll. Mit der theoretischen Perspektive auf das Phänomen der Vermarktung eines religiösen Produktes soll die Arbeit einen sozialwissenschaftlichen Interpretationsrahmen der religious branding-Theorie bieten.