Promotionsthema: Die Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Ḥilya-i šarīfa
‹‹Wer meine ḥilya nach meinem Tode sehen wird, der ist so, als habe er mich gesehen, und wer sie sieht, sich nach mir sehnend, für den wird Gott das Höllenfeuer verbieten.››1
Gegenstand der Dissertation ist die Untersuchung der Ḥilya-i šarīfa hinsichtlich ihrer Anfänge und weiteren Verbreitung. Der Untersuchungszeitraum spannt einen weiten Bogen beginnend im 9. Jahrhundert mit Berichten aus dem Werk Shamāʼil al-Muṣṭafā von at-Tirmidhī (gest. 892) und reicht bis hin zu den osmanischen Ḥilya-Kalligraphien des17. Jahrhunderts; ein kurzer Abriss gegenwärtiger Entwicklungen bildet den Schluss der Untersuchung.
Die Analyse befasst sich sowohl mit den textlichen als auch mit den kunsthistorisch ästhetischen Variationen. Zunächst werden original textliche Fassungen aus arabischen Quellen diskutiert und ihr schrittweiser Wandel in den türkischsprachigen Raum, wo man erste Formen sogenannter Ḥilyas in der Brusttasche am Körper mit sich trug, sowie ferner die standardisierte klassische Form als Wandbehang, wie sie bis in die heutige Zeit hochverehrt wird.
Diejenigen Ḥilyas, die dem Propheten Muḥammad (saw) gewidmet sind, folglich als Ḥilya-i šarīfa, Ḥilya-i sa‘ādat oder Ḥilya-i nabī bekannt, zugleich die durch den osmanischen Meisterkalligraphen Hâfız Osman (1642-1698) etablierte Standardform, bilden den Kern der Untersuchung. Neben einer detaillierten Beschreibung der einzelnen Bestandteile einer standardisierten Ḥilya soll insbesondere die Frage nach Motivation und Intention der Anfertigung dieser kalligraphisch künstlerischen Ausdrucksweise, die den Versuch eines äquivalenten Porträtierens des Propheten - nach äußeren und inneren Eigenschaften - darstellt, erörtert werden. In der Diskussion um die Wertigkeit und schutzbringende Bedeutung einer Ḥilya-i šarīfa werden Ḥilyas anderer bedeutender Personen aus dem Umfeld des Propheten wie auch westlich-christliche Andachtsbilder als vergleichende Beispiele angeführt.
Ausführungen zur geographischen Verbreitung der Kunstform der Ḥilya, die sich auf einen relativ kleinen Teil des islamischen Wirkungskreises - im Wesentlichen auf die heutige Türkei - begrenzt, runden die Untersuchung ab.
1 Ausspruch des Propheten Muḥammad, zitiert nach: Schimmel, Annemarie: Und Muhammad ist Sein Prophet. Die Verehrung des Propheten
in der islamischen Frömmigkeit, Düsseldorf/Köln (1981), S.33.