Geschichte Jerusalems und seiner Sinnlandschaften
Jerusalem ist für die theologische Forschung nicht nur eine Stadt im westjordanischen Bergland. Vielmehr ist in dieser Stadt der größte Teil der Hebräischen Bibel des Judentums, des Alten oder Ersten Testaments des Christentums, entstanden, und selbst die nachbiblische Geschichte der Stadt ist bis hin zum Bau des Felsendomes am Ort des ehemaligen biblischen Tempels als eine konfessionsübergreifende Rezeptionsgeschichte der Zionstheologie zu begreifen. Daher kommt der Erforschung dieser Stadt für Judentum, Christentum und Islam eine im wörtlichen Sinne »grundlegende« Bedeutung zu.
Diese Forschungsarbeit bezieht sich auf zwei Ebenen.
»Unterbau«
Den »Unterbau« bilden Steine. So erschien 1994 im »Tübinger Atlas des Vorderen Orients« (seinerzeit gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft) ein dreibändiges Handbuch zur Baugeschichte Jerusalems von Prof. Dr. Klaus Bieberstein (heute Bamberg) und Dr. Hanswulf Bloedhorn (heute Tübingen). Dieses basierte auf einem Katalog von über 1.200 Ortslagen mit sämtlichen wissenschaftlich erfassten Bau- und Grabinschriften vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft und ist beim Dr. Ludwig Reichert-Verlag in Wiesbaden erhältlich.
2017 folgte die »Brief History of Jerusalem«, die auf der Grundlage neuer Grabungsbefunde eine grundlegende Revision der Baugeschichte der Stadt von der Bronzezeit bis in die hellenistische Zeit vollzieht.
Derzeit wird gemeinsam mit PD Dr. Till Sonnemann (Bonn Center for Digital Humanities) ein digitaler Atlas zur Geschichte der Stadt auf dem aktuellsten Stadt der Forschung entwickelt. Das Kartenwerk »Jerusalem 4D – ein annotierter digitaler Atlas über die urbane Entwicklung der historischen Stadt« soll online öffentlich zugänglich werden.
»Überbau«
Jerusalem ist aber nicht die Summe seiner Steine. Vielmehr gehört zu dieser Stadt auch ihre virtuelle »Möblierung«. So verbanden und verbinden die Einwohnerinnen und Einwohner Jerusalems ebenso wie Pilgerinnen und Pilger, die nach Jerusalem kommen, seit zweieinhalb Jahrtausenden bestimmte Orte in der Stadt und ihrer engsten Umgebung mit der Schöpfung, mit Jesu Leben und Sterben oder dem Jüngsten Gericht, wodurch eine begehbare Symbollandschaft entstand.
Deren virtuelle »Möblierung« war nicht über alle Zeiten, sondern in einem ständigen Wandel begriffen. So wurden die Orte des Leidens Jesu – präzis rekonstruierbar – im Laufe der Zeit mehrfach verlegt, bis in spätmamlukischer und frühosmanischer Zeit die »Via dolorosa« entstand.
Dabei sind die sich ständig wandelnden Traditionen nicht Lug und Trug. Vielmehr folgen sie Regeln, verleihen dem Raum der täglichen Erfahrung etwas wie Sinn und erlauben den in der Stadt Lebenden Orientierung – im topographischen und ethischen Sinn gleichermaßen. Und so spannt dieser zweite Teil des Forschungsschwerpunktes einen weiten Bogen von der Archäologie und Geschichte bis zur Ästhetik und Funktion des mythischen Raumes im kulturellen Gedächtnis.
Diese Fragen wurden in den letzten Jahren in mehreren kleineren Publikationen bearbeitet und sollen in nicht allzu ferner Zukunft in einer größeren Monographie zur Geschichte und Grammatik der Symbollandllandschaft Jerusalems dargestellt werden. Ein paar Vorstudien stehen auf www.academia.edu zum freien Download zur Verfügung.
Vorlesungen und Seminare
Vorlesungen im Theologischen Studienjahr der Abtei Dormitio Mariae in Jerusalem
Herbst 1991; Herbst 1992; Herbst 1993; Herbst 1994; Herbst 1995; Herbst 1996; Frühjahr 1998; Herbst 1998; Herbst 1999; Herbst 2004; Herbst 2005; Herbst 2006; Herbst 2008; Herbst 2021; Herbst 2022; Herbst 2023
Vorlesungen (öffentlich) online
März 2023
Ringvorlesung
Winter 2006/07
Seminare
Sommer 2020
Blockseminare (mit Exkursionen)
Frühjahr 1994; Sommer 2007; Sommer 2008; Frühjahr 2010; Frühjahr 2012; Sommer 2013; Sommer 2015; Sommer 2017; Sommer 2019; Winter 2020/21 (Exkursion wegen Corona auf 2022 verschoben)
Publikationen (Auswahl)
Eine Auswahl der folgenden Publikationen steht auf www.academia.edu zum Download zur Verfügung.
Wissenschaftliche Publikationen
St. Julian oder St. Johannes Evangelista? Zur historischen Identifizierung einer neuentdeckten Kreuzfahrerkirche in der Altstadt Jerusalems, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 103, 1987, 178–184.
gemeinsam mit Sabine Bieberstein: St. Thomas Alemannorum oder St. Peter ad Vincula? Zur historischen Identifizierung einer neuentdeckten Kreuzfahrerkirche in der Altstadt Jerusalems, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 104, 1988, 152–161.
Die Porta Neapolitana, die Nea Maria und die Nea Sophia in der Neapolis von Jerusalem. Beobachtungen zur Baugeschichte Jerusalems in byzantinischer und früharabischer Zeit, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 105, 1989, 110–122.
Der Gesandtenaustausch zwischen Karl dem Großen und Hārūn ar-Rašīd und seine Bedeutung für die Kirchen Jerusalems, in: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 109, 1993, 152–173.
gemeinsam mit Hanswulf Bloedhorn: Jerusalem. Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft, 3 Bände (Tübinger Atlas des Vorderen Orients, Beiheft B 100), Wiesbaden 1994.
Die Hagia Sion in Jerusalem. Zur Entwicklung ihrer Traditionen im Spiegel der Pilgerberichte, in: Josef Engemann / Ernst Dassmann (Hg.), Akten des XII. Internationalen Kongresses für Christliche Archäologie Bonn 22.–28. September 1991, Band I (Jahrbuch für Antike und Christentum. Ergänzungsband 20), Münster 1995, 543–551.
Sancta Maria latina. Ein Erbe, das verpflichtet, in: Karl-Heinz Ronecker / Jens Nieper / Thorsten Neubert-Preine (Hg.), Dem Erlöser der Welt. Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem, Leipzig 1998, 17–36.
Die Pforte der Gehenna. Die Entstehung der eschatologischen Erinnerungslandschaft Jerusalems, in: Bernd Janowski / Beate Ego (Hg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (Forschungen zum Alten Testament 32), Tübingen 2001, 503–539.
Die Grabungen von Hermann Guthe in Jerusalem 1881, in: Ulrich Hübner (Hg.), Palaestina exploranda. Studien zur Erforschung Palästinas im 19. und 20. Jahrhundert anläßlich des 125jährigen Bestehens des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 34), Wiesbaden 2006, 145–163.
Aelia Capitolina, in: Zeidan Kafafi / Robert Schick (Hg.), Jerusalem Before Islam (British Archaeology Reports 1699), Oxford 2007, 134–168.
»Zum Raum wird hier die Zeit«. Drei Erinnerungslandschaften Jerusalems, in: Jahrbuch für Biblische Theologie 22, 2007, 3–39.
Hinnomtal, in: WiBiLex. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, April 2011.
»Eine ›Abbildung‹ des an sich Unräumlichen im Raume«. Mythischer Raum und mythische Zeit im Symbolsystem Jerusalems, in: Communio 41, 2012, 521–534.
Ein Gott. Ein Ort. Ein Palimpsest. Jerusalems Heiligtum aus drei Perspektiven, in: Florian Bruckmann / René Dausner (Hg.), Im Angesicht der Anderen. Gespräche zwischen christlicher Theologie und jüdischem Denken. Festschrift für Josef Wohlmuth zum 75. Geburtstag (Studien zu Judentum und Christentum 25), Paderborn / Wünchen / Wien / Zürich 2013, 257–280.
Die Wanderungen der Wohnungen Gottes. Vom Sinai zur Westmauer Jerusalems, in: Stefan Jakob Wimmer / Georg Gafus (Hg.), »Vom Leben umfangen«. Ägypten, das Alte Testament und das Gespräch der Religionen. Gedenkschrift für Manfred Görg (Ägypten und Altes Testament 80), Münster 2014, 13–25.
Mythical Space and Mythical Time. Jerusalem as the Site of the Last Judgment, in: Jorunn Økland / Cornelis J. de Vos / Katen J. Wenell (Hg.), Constructions of Space, III. Biblical Spatiality and the Sacred (The Library of Hebrew Bible / Old Testament Studies 540), London / Oxford / New York / New Delhi / Sydney: Bloomsbury T & T Clark, 2016, 37–57.
Jerusalem, in: WiBiLex. Das wissenschaftliche Lexikon im Internet, Juni 2016.
A Brief History of Jerusalem. From the Earliest Settlement to the Destruction of the City in AD 70 (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 47), Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2017.
Dem Tod einen Ort geben. »Unterwelt« und »Hölle« in der alttestamentlichen Literatur, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 167, 2019, 142–152.
Die Architektur des Heiligen. Salomonischer Tempel und Felsendom in Jerusalem, in: Christian Illies (Hg.), Bauen mit Sinn. Schritte zu einer Philosophie der Architektur (Interdisziplinäre Architektur-Wissenschaft. Praxis – Theorie – Methodologie – Forschung [ohne Bandzählung]), Wiesbaden: Springer VZ 2019, 117–174.
Millo, in: WiBiLex. Das wissenschaftliches Bibellexikon im Internet, Februar 2020.
Jerusalem – mehr als die Summe seiner Steine. Eine kurze Führung durch seine Sinnlandschaft, in: Zeitschrift für Neues Testament, Heft 45, Jahrgang 23, 2020, 7–23.
Die Verzauberung der Steine. Das Mnemotop Jerusalem, in: Thomas Laubach / Christina Potschka (Hg.), Verzauberung der Welt? Religiöse Symbolsysteme in Geschichte und Gegenwart (Bamberger Theologische Studien 40), Bamberg: University of Bamberg Press 2021, 119–156.
Coding the Sacred in Society. The Case of the Jerusalem Temple, in: Thomas Wabel / Katharina Eberlein-Braun / Torben Stamer (Hg.), Space and Place as a Topic for Public Theologies (Theology in the Public Square / Theologie in der Öffentlichkeit 16), Wien / Zürich: Lit-Verlag 2022, 19–52.
Zwischen Skylla und Charybdis. Jerusalem in der Späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit, in: Oliver Dyma / Dagmar Kühn / Susanne Maier (Hg.), Über das Alte Testament hinaus. Exegetische, religionsgeschichtliche und archäologische Beiträge. Festschrift Herbert Niehr (Kasion 12), Münster: Zaphon 2023, 63–100.
Kaum Steine, aber viele Texte. Der Tempel von Jerusalem, in: Jens Kamlah / Markus Witte (Hg.), Temples, Synagogues, Churches, and Mosques. Sacred Architecture in Palestine from the Bronze Age to Medieval Times (Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 49), Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2023, 267–333.
Zwischen Tempelberg und Ölberg. Die eschatologische Achse über Jerusalem von Ezechiel bis Ida Pfeiffer, in: Carolin Neuber / Nicole Katrin Rüttgers (Hg.), »Wer ist weise, dass er dies versteht?« Studien zu Ezechiel, Hosea und den Psalmen. Fetschrift für Franz Xaver Sedlmeier zum 70. Geburtstag (Herders Biblische Studien 104), Freiburg / Basel Wien: Herder 2024, 15–37.
Publikationen für eine breitere Öffentlichkeit
Theologie in Stein. Die Geschichte der Grabeskirche, in: Welt und Umwelt der Bibel 1, 1996, 35–43.
Der Tunnel von Jerusalem. Das Spiel mit dem Feuer, in: Welt und Umwelt der Bibel 4, 1997, 70–77.
Ein Netz der Erinnerungen. Das Evangelium wird begehbar, in: Welt und Umwelt der Bibel 16, 1999, 33–37.
Blickkontakte mit den Toten. Beobachtungen zur Lage der Gräberfelder Jerusalems, in: Archäologie in Deutschland [13,]2, 1997, 12–17.
Auf Pilgerspuren. Ein Spaziergang durch das Jerusalem der Kreuzfahrer, in: Welt und Umwelt der Bibel 29, 2003, 8–13.
Der Abendmahlssaal auf dem Berg Zion, in: Welt und Umwelt der Bibel 44, 2007, 40–42.
Auf Jesu Spuren? Jerusalems Erinnerungslandschaft zwischen Fact und Fiction, in: Welt und Umwelt der Bibel 44, 2007, 62–63.
Jerusalem, in: Christoph Markschies / Hubert Wolf (Hg.), Erinnerungsorte des Christentums, München 2010, 64–88.
Die Straße zum Kettentor und Tor der Einwohnung Gottes. Ein exemplarischer islamischer Zugang zum Haram, in: Max Küchler (Hg.), Orte und Landschaften der Bibel, Band IV 2, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, Göttingen 2007, 207–220; 2., vollständig überarbeitete Auflage 2014, 166–175.
Die Bauten auf dem Haram. Der biblische Tempelberg in seiner islamischen Rezeption, in: Küchler, Max (Hg.), Orte und Landschaften der Bibel, Band IV 2, Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt, Göttingen 2007, 220–277; 2., vollständig überarbeitete Auflage 2014, 175–213.
Jerusalems Heiligtümer. Theologische Diskurse in Stein, in: Margret Kampmeyer / Cilly Kugelmann (Hg.), Welcome to Jerusalem [Ausstellungskatalog Jüdisches Museum, Berlin 2017–2019], Köln: Wienand Verlag 2017, 19–25.
= Jerusalem’s Holy Sites. Theological Discourses in Stone, in: Margret Kampmeyer / Cilly Kugelmann (Hg.), Welcome to Jerusalem [Exhibition Catalogue Jewish Museum, Berlin 2017–2019], Köln: Wienand Verlag 2017, 19–25.
Kinderopfer in Jerusalem? Vom Hinnomtal zur Hölle, in: Das Heilige Land 151, Heft 2, 2019, 10–13.
Das Heilige Grab ist überall. Nachbauten des Heiligen Grabes in Westeuropa, in: Bibel und Kirche 77, Heft 2, 2022, 100–105.
Das Heilige ist nicht verhandelbar. Zum Beispiel Jerusalem, in: Für Vielfalt. Zeitschrift für Menschen- und Minderheitenrechte 333 / 53, Heft 6, 2022, 14–17.
Die Grabeskirche im Wandel der Zeiten. Vier Rundgänge durch ihre Geschichte, in: Jerusalem-Korrespondenz. Halbjahresbericht des Österreichischen Hospizes 28, 2023, 12–17.
Baugeschichte Jerusalems, in: Stuttgarter Erklärungsbibel. Lutherbibel mit Einführungen und Erklärungen, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 2023, 2190–2199.
Davids Stadt und Davids Grab. Wundersame Wanderungen von Traditionen im Wandel der Zeiten, in: Welt und Umwelt der Bibel 111, 2024, 20–25.
Rezensionen
Rez. zu Bernd Kollmann, Jerusalem. Geschichte der Heiligen Stadt im Zeitalter Jesu, Darmstadt 2013, in: Theologische Revue 110,4, 2014, 286–288.
Rez. zu Martin Fuß, Die Konstruktion der Heiligen Stadt Jerusalem. Der Umgang mit Jerusalem in Judentum, Christentum und Islam, Stuttgart 2012, in: Theologische Revue 112,5, 2016, 433–435.
Rez. zu Pamela Berger, The Crescent on the Temple. The Dome of the Rock as Image of the Ancient Jewish Sanctuary (Studies in Religion and the Arts 5), Leiden / Boston 2012.