Große Exkursion nach Südfrankreich (27.03.–04.04.2022)

gemeinsam mit Studierenden des ZeMaS

Leitung: Dr. Nelo Lohwasser
Text und Bilder: Markus Rühle B.A.

Die Große Exkursion von AMaNz und ZeMaS führte uns im Frühjahr 2022 in die Provence und das Languedoc. Wir starteten am Sonntag, dem 27. März mit dem Zug von Bamberg aus zu unserem ersten Ziel Marseille, das wir am Abend erreichten.

Am Montag, 28.03. begannen wir mit einem Stadtrundgang durch Marseille. Stationen waren unter anderem die Vieille Charité, ein im 17. und 18. Jahrhundert errichtetes ehemaliges Armenhospiz und heutiges Museum und Kulturzentrum mit unter anderem archäologischen Sammlungen, die Cathédrale Sainte-Marie-Majeure, eine neoromanisch-byzantinische Bischofskirche des 19. Jahrhunderts an der Stelle von bis in spätantike Zeit zurückreichenden Vorgängerbauten, und das Fort Saint-Jean, eine Befestigungsanlage überwiegend aus dem 17. Jahrhundert am Alten Hafen, deren Ursprünge im Frühmittelalter liegen und dessen Name auf eine ehemals an dieser Stelle befindliche Komturei des Johanniterordens zurückgeht. Endpunkt unserer Tour war die Abbaye Saint-Victor (Abb. 1), deren Wurzeln bis in die Spätantike zurückreichen. Sie war vom 8. bis ins 10. Jahrhundert Bischofsresidenz und anschließend bis ins 18. Jahrhundert Benediktinerabtei. Die heutige Kirche mit romanischen und gotischen Stilelementen wurde im 12. bis 14. Jahrhundert errichtet.

Am Nachmittag erkundeten wir die vor der Stadt gelegenen Îles du Frioul, genauer die beiden Inseln Pomègues und Ratonneau. Die Bootsfahrt dorthin führte uns an der Île d’If mit dem markanten Château d’If, einer im 16. Jahrhundert errichteten Festung, die bis ins frühe 20. Jahrhundert als Gefängnis genutzt wurde, vorbei.
Auch Pomègues und Ratonneau sind geprägt von militärischer Nutzung. Seit der Frühen Neuzeit wurden hier Befestigungsanlagen errichtet, die über die Jahrhunderte hinweg erweitert und umgebaut wurden – ein Großteil davon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch von der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs wurden die Inseln weiter befestigt.
Neben der militärischen Nutzung dienten die Inseln auch dem Seuchenschutz. So wurde in den 1820er Jahren das Hôpital Caroline als Quarantäneeinrichtung für Reisende mit Gelbfieberverdacht eingerichtet, das nachfolgend vor allem als Lazarett für rückkehrende kranke Soldaten genutzt wurde. Aus der gleichen Zeit stammt der die beiden Inseln verbindende Digue de Berry, ein Damm, in dessen Schutz ein Quarantänehafen angelegt wurde. 1975 wurde dieser Hafen auf den bis dato für die Öffentlichkeit gesperrten Inseln als Port Frioul einer zivilen Nutzung zugeführt und eine Siedlung errichtet, bis 1995 auch der Rest der Inseln an die Stadt übergeben wurde.

 

Am Dienstag 29.03. fuhren wir von Marseille mit dem TGV nach Avignon, wo wir unsere Mietwagen in Empfang nahmen, mit denen wir die weiteren Ziele der Exkursion bestritten.
Erster Halt war der zwischen Avignon und Arles an der Rhône gelegene Ort Tarascon. Nach einem Rundgang durch den Ortskern und gemeinsamem Mittagessen in Beaucaire besichtigten wir das Château de Tarascon (Abb. 2). Die am östlichen Rhône-Ufer gelegene Burg wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in zwei Phasen errichtet (zuerst die Flussseite, dann die Stadtseite). Sie diente den Herzögen von Anjou beziehungsweise Grafen der Provence, die auch die im späten 14. Jahrhundert zerstörte Vorgängerburg seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in Besitz hatten, bis 1481 als Residenz. Bis dahin bildete die Rhône hier die Grenze zwischen der Grafschaft Provence und dem zum Königreich Frankreich gehörenden Languedoc. Von der Grenzsituation zeugt noch das fast direkt gegenüber auf der anderen Flussseite gelegene Château Beaucaire.
Charakteristisch für die mit Stilelementen der Gotik und der Renaissance errichtete Burg sind die turmhohen Mauern. Während die Rundtürme auf der Stadtseite den fortifikatorischen Maßstäben der Erbauungszeit entsprechen, muten die quadratischen Türme auf der Flussseite eher archaisch an.
Von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert wurde die Burg als Gefängnis genutzt. Von dieser Phase zeugen noch zahlreiche Graffitis vor allem gefangener Seeleute aus den Seekriegen des 17. und 18. Jahrhunderts.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Anlage von der deutschen Besatzung militärisch genutzt.

Am späten Nachmittag besuchten wir, bevor wir zu unserer nächsten Unterkunft nahe Alès weiterfuhren, die bei Beaucaire gelegene Abbaye de Saint-Roman, ein erstmals im 10. Jahrhundert schriftlich greifbares Benediktinerkloster, das wahrscheinlich auf Einsiedler zurückgeht, die sich ab dem späten 5. Jahrhundert auf den Hügeln Saint-Roman und Aiguille niederließen. Die Räumlichkeiten wurden in den Fels des Hügels Saint-Roman gehauen und durch oberirdische Bauten ergänzt. Reihen anthropomorpher Felsgräber auf dem darüberliegenden Plateau (Abb. 3) zeugen von der Bestattungstätigkeit der Mönche.

 

Am Mittwoch, 30.03. stand zuerst die Kleinstadt Uzès auf dem Plan. Die bereits in römischer Zeit als Ucetia bekannte Stadt war ab dem 5. Jahrhundert Bischofssitz.
Unsere erste Station ist ein Zeugnis dieses Status: die im 17. Jahrhundert im lombardischen Stil (mit später vorgeblendeter neoromanischer Fassade) anstelle eines romanischen Vorgängerbaus errichtete ehemalige Kathedrale und heutige Pfarrkirche Saint-Théodorit. Der Turm des Vorgängerbaus ist in Form der unteren Geschosse des freistehenden, zylindrischen Glockenturms (tour Fenestrelle), für den Parallelen am ehesten bei den Campaniles italienischer Kirchen zu suchen sind, noch teilweise erhalten.
Weitere Station war der noch heute vom Haus Crussol bewohnte Palast der Herzöge von Uzès (Abb. 4), der verschiedene mittelalterliche und neuzeitliche Baustile vereint und Zeugnis der Bedeutung von Uzès als Zentrum der erstmals im 11. Jahrhundert belegten Herrschaft und 1565 zum Herzogtum erhobenen Vizegrafschaft ist.
In der Gegenwart bedeutsam ist der Wochenmarkt auf dem Place aux Herbes, der zu den bekanntesten der Region zählt.
Während eine Innenbesichtigung von Kathedrale und Herzogspalast aus verschiedenen Gründen ausschied, gelang dies zumindest für die barocke Kirche Saint-Étienne.

Der zweite große Programmpunkt an diesem Tag führte uns zurück in römische Zeit, hatte gleichzeitig aber auch gegenwartsgeschichtliche Ereignisse im Blickpunkt.
Eine Wanderung führte uns von Süden her an die Überreste der Wasserleitung heran, die aus Richtung Uzès kommend die römische Colonia Augusta Nemausus (Nîmes) mit Wasser versorgte und als deren bekanntestes Zeugnis der Pont du Gard (Abb. 5) über den Gardon (Vardo fluvius) aus dem ersten Jahrhundert gelten kann.
Auf der Wanderung begegnete uns die Wasserleitung in unterschiedlichen Erhaltungszuständen und Sichtbarkeitsgraden – am eindrucksvollsten in Form der Überreste ehemaliger Aquäduktbrücken wie dem Pont de Combe Roussière oder dem Pont de Valmale.
Am Pont du Gard angekommen, erregte schließlich ein in ruinösem Zustand befindliches Gebäude am Weg zum Besucherzentrum unsere Aufmerksamkeit. Eine Internetrecherche ergab, dass die „Vieux Moulin“, eine ehemalige Gastwirtschaft, im April 2021 das Opfer von Brandstiftung geworden war.

Auf der Rückfahrt machten wir Halt im für sein Töpfereihandwerk bekannten Ort Saint-Quentin-la-Poterie.

 

Erste Station am Donnerstag, 31.03. war bei windigem Wetter das in den Cevennen gelegene Château de Portes (Abb. 6). Die Burg soll im Kern auf das 11. bis 13. Jahrhundert zurückgehen und wurde in den folgenden Jahrhunderten stark ausgebaut. Am augenfälligsten ist dabei der im späten 16. Jahrhundert bastionierte Südostturm.
Aus Sicherheitsgründen war eine Innenbesichtigung der Anlage nicht möglich. Intensiver Kohleabbau im 19. und 20. Jahrhundert hatte den Untergrund instabil gemacht – das am Fuß der Burg gelegene Dorf Portes musste deshalb in den 1920er und -30er Jahren größtenteils abgerissen werden.
Das Château diente unter anderem der Überwachung des Chemin de Régordane, einem bedeutsamen Handelsweg von der Mittelmeerküste durch die Cevennen nach Norden, bis er im 14. Jahrhundert aufgrund politischer Veränderungen durch das Rhône-Tal abgelöst wurde.
Wir wanderten ein Stück diesen Weg entlang zu unserem nächsten Ziel: La Garde-Guérin (Abb. 7). Das befestigte Dorf diente ebenfalls der Überwachung des Chemin de Régordane. Vom Turm aus dem 12. Jahrhunderts bot sich ein guter Blick auf die gut erhaltene mittelalterliche Bausubstanz des Dorfes und die Landschaft.

Letzter Halt des Tages, bevor wir den Abend mit einer Darbietung der Trobadorlyrik (einer Dichtungsgattung, die ihren Ursprung im Okzitanien des späten 11. und 12. Jahrhunderts hat) ausklingen ließen, war, wieder südlich der Cevennen, das wohl auf das 11. Jahrhundert zurückgehende, im 12. Jahrhundert ersterwähnte Château d’Allègre (Abb. 8). Seit 1992 kümmert sich die Association de Sauvegarde du Château d’Allègre um den Erhalt der Ganerbenburg. Zu ihren Arbeiten zählen neben Entbuschungsmaßnahmen und der Sicherung von Mauern auch die Ausbesserung selbiger.
Ungefähr einen Kilometer weiter östlich befindet sich bei den Ruinen einer Einsiedelei die Chapelle Saint-Saturnin.

 

Freitag, 01.04. starteten wir von unserer Unterkunft aus nach Arles. Erster Programmpunkt war die ehemalige Kathedrale und heutige Stadtpfarrkirche Saint-Trophime, die mit ihren Vorgängerbauten bis in die Antike zurückreicht. Im heutigen romanischen Bau mit gotischem Chor haben sich noch Teile des unmittelbaren Vorgängers aus dem 9. Jahrhundert erhalten. Der heute nüchterne Eindruck des Kircheninnenraumes entstand, als man 1870 alles, „was das Wesen der ursprünglich romanischen Kirche verfremdete“, entfernten ließ.
Außerdem konnten wir uns einen Eindruck von den Zeugnissen des römischen Arelate verschaffen – darunter das Theater aus dem 1. Jh. v. Chr. (Abb. 9), das Amphitheater aus dem 1. Jh. n. Chr., das Forum, von dem noch Reste einer Portikus sichtbar erhalten sind, und die Konstantinthermen aus dem 4. Jahrhundert.

Danach ging es zur nur wenige Kilometer nordöstlich der Stadt gelegenen Abbaye Saint-Pierre de Montmajour, einer ehemaligen, bis ins 10. Jahrhundert zurückreichenden Benediktinerabtei. Aus der Frühzeit des Klosters stammt die Erimitage Saint-Pierre (11. Jh.), während die Abteikirche Notre-Dame und der Kreuzgang mit Seefahrergraffitis etwa ein Jahrhundert später errichtet wurden. Dominiert wird die Anlage vom Wehrturm Pons de l’Orme aus dem 14. Jahrhundert. Etwa 400 m weiter östlich liegt die Reliquienkapelle Sainte-Croix aus dem 12. Jahrhundert.
Im 18. Jahrhundert wurden von den Maurinern, die die Anlage inzwischen als Monastere Saint-Maur übernommen hatten, neue Bauten errichtet, darunter ein Palais im klassizistischen Stil (Abb. 10). Seit dem 19. Jahrhundert fanden umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen statt.

Die Weiterfahrt vorbei an Burgen wie dem Château des Baux über die Alpillen zu unserer letzten Unterkunft nahe Avignon führte uns auch zu den Ruinen der römischen Stadt Glanum, wo wir kurz Halt machten und bei kaltem, windigem Wetter zumindest den Triumphbogen aus dem 1. Jh. n. Chr. und ein Mausoleum aus dem 1. Jh. v. Chr. (Abb. 11) besichtigen konnten.

 

Samstag, 02.04. stand ganz im Zeichen Avignons. Wir besichtigten den Papstpalast (Abb. 12), der in zwei wesentlichen Bauphasen im 14. Jahrhundert errichtet wurde und bis ins 15. Jahrhundert hinein verschiedenen Päpsten und Gegenpäpsten als Residenz diente. Nach einem gemeinsamen Mittagessen machten wir noch Halt im Musée du Petit Palais, bevor wir Zeit hatten, uns selbst einen Eindruck von der Stadt mit ihren mächtigen Befestigungsmauern und dem bekannten Pont Saint-Bénézet zu verschaffen.
Ich selbst machte mir am späten Nachmittag und Abend noch ein Bild von unserem Unterkunftsort Graveson und stieß dabei auf die Kirche, von deren romanischem Ursprung lediglich der Chor erhalten ist, während der Rest das Ergebnis von Umbaumaßnahmen des 19. Jahrhunderts ist, mit einem anschließenden Stück Stadtmauer und ein Stadttor aus dem 14. Jahrhundert.

 

Am Sonntag, 03.04., unserem letzten Exkursionstag vor der Rückreise am Montag, besuchten wir nach einem kurzen Zwischenstopp in Aix-en-Provence (erwähnt sei die Cathédrale Saint-Sauveur die Abbaye de Silvacane (Abb. 13), eine ehemalige Zisterzienserabtei, die im 12. Jahrhundert möglicherweise anstelle einer älteren Einsiedelei gegründet wurde.
Höhepunkt des Tages war eine Wanderung durch die Gorges de Véroncle – eine Schlucht, an deren Bachlauf sich die Ruinen von zehn Mühlen vermutlich des 16. bis 19. Jahrhunderts samt wasserbaulicher Anlagen befinden (Abb. 14). Die Hinfahrt über den Luberon führte uns durch so malerische Orte wie Bonnieux, während wir auf der Rückfahrt Gordes passierten, das zu den „Les Plus Beaux Villages de France“ zählt.