Große Exkursion nach Niedersachsen (23.09. bis 29.09.2018)
Text und Bilder von Hannes Frank Kraus
Die Exkursion begann am 23. September mit der Fahrt nach Niedersachsen, wo der erste Programmpunkt ein Besuch der Stadtwüstung Nienover sowie der Besichtigung des dort errichteten mittelalterlichen Hauses war (Abb. 1). Hier wurden wir über die Forschungen zu Nienover informiert und erhielten einen Einblick in die Rekonstruktion des Hauses und die Nutzung durch Reenactment-Gruppen, die dort experimentell früheres Leben nachstellen. Hier wurde auch der Stellenwert der Öffentlichkeitswirkung vermittelt, da sich die Gruppen bereit erklären, Besucher, welche den angrenzenden Wanderweg nutzen, über das Projekt zu informieren.
Den nächsten Programmpunkt bildete ein Besuch in Hildesheim mit dem Besuch von St. Michael. Der ottonische Dom zeichnet sich neben seiner ebenfalls romanischen Bauweise durch die zwei Chöre aus, bei dem der westliche zu Ehren des Kaisers angefügt wurde. Am spektakulärsten war jedoch die Bernwardstür (Abb. 2). Die Bronzetür im Westportal zeigt in detaillierter Skulptur auf dem linken Flügel von oben nach unten in acht Paneelen die Schöpfungsgeschichte und den Sündenfall sowie rechtsseitig dem gegenübergestellt die Geschichte Jesu von unten nach oben. Von hier ab ging die Fahrt weiter zur ersten Unterkunft in Goslar, womit der erste Exkursionstag mit einer kurzen Stadtführung zur Kaiserpfalz mit einem gemeinsamen Abendessen endete.
Der zweite Tag begann mit einem Besuch des Röderstollens bei Goslar, bei dem eine ausführliche Einführung in die Montanarchäologie in Goslar gegeben wurde. Neben Funden von Grubenlampen und Werkzeugen waren fast komplett erhaltene Kleidungsstücke die spektakulärsten Funde der Archäologen vor Ort. Die Erhaltungsbedingungen in den alten Stollen erwiesen sich als erstaunlich gut. Dem folgte eine Grubenführung zum Bergbau durch die Zeit sowie zu den aufwendigen technischen Gerätschaften, die diesen erst ermöglichten. Besonderen Eindruck erweckte die Rekonstruktion von Wasserrädern, die als Triebwerke der Gruben dienten. Besonders interessant war die Färbung der Stollenwände durch austretendes Eisenvitriol (Abb. 3). Gegen Mittag ging es weiter zu einer Stadtführung in Braunschweig mit Dr. Michael Geschwinde durch die historische Altstadt und entlang der alten Burgmaueranlagen, bei denen sich das Problem einer Verteilung der alten Wehranlagen über Privatgrundstücke ergibt. Am Ende des zweiten Tages ergab sich noch einmal die Möglichkeit zur Besichtigung der Pfalz in Goslar bei Tageslicht (Abb. 4).
Der dritte Tag begann mit der Besichtigung des Klosters Wienhausen, wobei neben dem Alltagsleben eines Klosters vor allem dessen beeindruckenden Kunstschätze im Vordergrund standen sowie die Funde, welche bei Bauarbeiten unter dem Kirchenboden gemacht wurden. Hierzu gehörten unter anderem die ältesten erhaltenen Brillen. Gegen Mittag ging es nach Celle für eine Mittagspause.Von dort aus ging es weiter nach Altencelle, wo die Exkursionsgruppe von Teilnehmern vorheriger Grabungen empfangen und zu Kaffee du Kuchen sowie zur Betrachtung einzelner Fundstücke eingeladen wurde. Danach erfolgte eine Führung zu den archäologischen Fundstellen von Altencelle und dem Ringwall von Burg. Von dort aus ging es zur zweiten Unterkunft in der Lüneburger Heide.
Tag vier begann mit einer Führung in die Heide mit dem Bezirksarchäologen Dr. Mario Pahlow, wo eine Vielzahl von Befunden und Grabhügeln sichtbar war. Hier wurde die Gruppe auch über die schwierige Lage zum Erhalt dieser Bodendenkmäler informiert, die vor allem durch menschliches Einwirken bedroht sind. Dem folgte eine Besichtigung von Oldendorf und Bardowick sowie den dort stattfindenden Grabungen im Neubaugebiet, bei der die Teilnehmer im Abraum noch einige Funde identifizieren konnten. Nach einer Mittagspause in Lüneburg führte Mario Pahlow die Gruppe durch die Stadt und wies auf die komplizierten Bodenverhältnisse in Lüneburg hin, die viele historische Gebäude durch Einsinken des Bodens massiv bedrohen und beschädigen. Am besten wurde dies durch den Besuch der Kirche St. Johannis illustriert, die durch das massive Absinken sichtbare Schäden und Bewegungen in der Baustruktur aufweist. Lüneburg war vor allem für Salzproduktion bekannt, da dem Salz dort eine besonders hohe Qualität zugesprochen wurde. Nachteilig ist nur die starke Verunreinigung des Salzes mit Blei, weshalb heute keine Produktion von Salz mehr stattfindet. Ein weiterer interessanter Aspekt an Lüneburg sind die stark verzierten Fassaden der alten Handelshäuser, deren Fensterbögen und Halbsäulen mit tauartigem Muster gestaltet sind (Abb. 5). Zum Ende des vierten Tages gab es noch die Möglichkeit zu einem Spaziergang über die Heidelandschaft an der Unterkunft und in der Nähe des Rheinmetall-Testgebietes.
Tag fünf begann mit einem Besuch des Museumsdorfes Cloppenburg, in das eine Vielzahl historischer Bauernhäuser und Mühlen der Region transloziert wurden (Abb. 6). Hier konnten für die Region typische und völlig unterschiedliche Bauweisen, das Niederdeutsche Hallenhaus und das Gulfhaus sowie Innenausstattung der alten Bauernhäuser gesehen werden. Nach der Mittagspause ging es weiter zum Ort Leer, an dem die im 15. Jahrhundert errichtete Festung Leerort gestanden hat. Der Leiter des Heimatmuseums, Burghardt Sonnenburg, illustrierte im Museum die Geschichte der ostfriesischen Grafen und deren Stellung sowie die Grabungen, die um die Festung durchgeführt wurden. Danach folgte eine Wanderung über den umliegenden Deich, von dem aus die alten Strukturen der Wehranlagen nachvollzogen werden konnten.
Der sechste Tag begann mit einer Wanderung im niedersächsischen Wattenmeer zu den Überresten eines leider mutwillig größtenteils zerstörten Schiffswracks sowie im Meer gelandeten Flugzeugteilen. Der Wattführer informierte zudem noch auf lehrreiche und humorvolle Weise über die geographischen Eigenheiten des Watts sowie über das im Watt vertretene Tierreich und das vorherrschende Biosystem (Abb. 7). Am Nachmittag besuchte man in der Burg Bederkesa eine Ausstellung der niedersächsischen Denkmalpflege zur Archäologie des niedersächsischen Geestlandes, seiner Beschaffenheit und seiner Besiedlung. Erstaunlich ist hier die Erhaltung der Funde aus dem 4. bis 5. Jahrhunderts eines Gräberfeldes, von dem neben vielen Knochen auch Holzfunde in überragendem Zustand stammen. Somit konnten das Hausinventar sowie persönliche Besitztümer sehr genau rekonstruiert werden. Am beeindruckendsten ist der Fund des „Throns aus der Marsch“, eines Klotzstuhls mit zugehörigem Fußbänkchen, welcher einem Mann mit über zwei Meter Größe zugeschrieben wird. Die aufwändigen Kerbschnittverzierungen weisen auf den hohen sozialen Status des Besitzers hin, wobei die Höhe des Throns kaum die eines Melkschemels übersteigt. Die restlichen Funde von flach gehaltenen Hockern und Tischen lassen jedoch vermuten, dass soziales Leben im Inneren der Häuser eher in Bodennähe stattfand, wodurch der Thron im Vergleich doch herausragt. Die mit Abstand größten Funde waren komplett erhaltene Einbäume, die als Bootsgrab dienten und sich in dem Marschland erstaunlich gut erhalten haben. Der Abend wurde abschließend für einen gemeinsamen Ausklang der Exkursion frei gestaltet und bot die Möglichkeit am nahe gelegenen Deich die Landschaft des Jadebusens mit Blick bis Wilhelmshaven zu genießen (Abb. 8).
Am Tag der Heimreise gab es noch einen Zwischenstopp in Paderborn für eine Mittagspause sowie für einen Besuch des Doms, an dem durch eine Glasfront die freigelegten Vorgängerstrukturen sichtbar gemacht wurden. Von dort ging es wieder zurück in die Bamberger Heimat, wo eine ereignis- und lehrreiche, aber vor allem wunderschöne Exkursion endete.
Als abschließender Gedanke wäre zu sagen, dass Niedersachsen gerade im Kontext einer bayerischen Universität vielen Studierenden eher fremd ist, weshalb die Exkursion für viele die anfänglichen Erwartungen weit übertraf. In Niedersachsen fügen sich einzigartige geographische Gegebenheiten wie Heide, Marsch und Watt mit einer facettenreichen Geschichte von dem Einfluss des römischen Reiches über die frühmittelalterlichen Kaiserzeit bis zur Zeit der Hanse in die moderne Zeit zu einer höchst interessanten und nicht zu vernachlässigenden Landschaft innerhalb Deutschlands.