Exkursion Frankreich / Elsass

Text: Nele Hielscher Fotos: Patrick Cassitti

Einleitung

Das Ziel der Exkursion, die heutige französische Verwaltungsregion Elsass, ist ein Gebiet, das eine sehr wechselvolle Geschichte hat. Seit es 496 als Teil des Herzogtums Alemannien zum Fränkischen Reich gehörte, wechselte es diverse Male die politische Zuordnung. Alleine nach der Reichsteilung des Fränkischen Reiches wechselte das Elsass vier Mal seine Zugehörigkeit (842 Mittelfränkisches Reich, 870 Ostfrankenreich, 913 Westfrankenreich, 925 wieder Ostfrankenreich). Bis ins 17. Jahrhundert blieb es dann Teil des Heiligen Römischen Reiches. Seit dem 30-jährigen Krieg annektierte Louis XIII nach und nach Teile des Elsasses, sodass es bis zum Frankfurter Frieden 1871 Frankreich angehörte. Zum Deutschen Kaiserreich gehörte es dann wiederum bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und wurde, gemäß dem Versailler Vertrag, danach wieder an Frankreich abgetreten. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Elsass noch einmal von den Deutschen besetzt, seit 1945 befindet es sich jedoch wieder unter französischer Regierung. Dieses Hin und Her der Regierung lässt sich im Elsass noch an den Ortsnamen mit deutschen Entsprechungen sowie an der Mentalität der Menschen erkennen, die sich schlicht als Elsässer verstehen.

Seit 1973 ist das Elsass eine Verwaltungsregion Frankreichs, mit der Hauptstadt Straßburg. Sie besteht aus den beiden Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin und ist mit 8.280 km² die flächenmäßig kleinste Region auf dem französischen Festland.

Das Exkursionsprogramm umfasste Stationen zu den verschiedensten archäologischen Denkmälern und anderen Sehenswürdigkeiten. Der zeitliche Schwerpunkt lag hier, gemäß dem Lehrstuhl, auf dem Mittelalter und der Neuzeit. Zum Thema Festungen wurden Burgen des Mittelalters sowie des 17. Jahrhunderts und der beiden Weltkriege besucht. Mit Straßburg und Colmar wurden mittelalterliche Städte angefahren, die in einigen Bereichen noch ihr mittelalterliches Stadtbild aufweisen. Der kirchliche Bereich wurde mit einer Station am Odilienberg-Kloster sowie diverser Gotteshäuser abgedeckt. Der Bergbau in den Vogesen am Beispiel der Sainte-Marie-aux-Mines und die Textildruckindustrie in Mühlhausen, die im Textildruckmuseum ihre Geschichte erzählt, bildeten die industriellen Stationen der Exkursion.

Programm

Montag, 24.09.

Nach der Ankunft am 24.09. in Straßburg haben wir das dortige archäologische Museum besucht. Es befindet sich seit Ende des 19. Jahrhunderts im Untergeschoss des Rohan-Schlosses und besitzt laut des Kurators eine der umfangreichsten vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen Frankreichs. Leider beziehen sich nur die letzten Ausstellungsstücke des Rundganges auf die Merowingerzeit, worunter vor allem Waffen und Schmuck präsentiert wurden. Das Museum hebt besonders den Baldenheim-Helm und das Grab der Hochfeldener Hunnenfürstin hervor. Die Ausstellungsform, gerade von den mittelalterlichen Stücken, ist aber recht trocken. Der Eindruck von Begeisterung für die Stücke, den man von der Homepage bekommt, spiegelt sich in der Präsentation der Funde nicht wieder.

Dienstag, 25.09.

Am 25.09. haben wir zunächst das Straßburger Münster besichtigt. Das Liebfrauenmünster (frz. Cathédrale Notre-Dame) wurde 1176 bis 1439 aus Vogesensandstein errichtet. Die Fundamente weisen auf Vorgängerbauten hin, bei denen es sich um eine karolingische Basilika, die 1007 abbrannte und dessen Nachfolger, das Wernhersche Münster, handelt. Die Erneuerung dieses Münsters führte zur heutigen Kathedrale. Es wurde zunächst im romanischen Stil errichtet und dann im gotischen Stil weitergeführt. Charakteristisch ist die asymmetrische Form, die sich dadurch ergibt, dass der Südturm nie gebaut wurde.

In Rosheim besuchten wir die St. Peter und Paul Basilika. Sie wurde ab 1145 als Nachfolger einer merowingischen oder karolingischen Kirche im romanischen Stil errichtet. 1385 wurden der Glockenturm und das Gebälk von Feuer zerstört und im gotischen Stil wieder aufgebaut. Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Kirche nach dem Geschmack der Zeit verändert: Die Fenster des Seitenschiffes wurden vergrößert, die Wände getüncht sowie das Mobiliar erneuert. 1969 fanden umfassende Restaurierungsarbeiten statt, bei denen man versuchte, die ursprüngliche Kirchenausstattung wiederherzustellen. Daher erscheint die Kirche von St. Peter und Paul heute fast wieder vollkommen romanisch. Der gotische Turm fällt jedoch sofort wegen seiner Architektur und der anderen Farbe auf, da er aus rotem Sandstein errichtet wurde, wohingegen der Rest der Kirche aus gelbem Sandstein besteht.

Bei dem Besuch des Odilienberges wurde schnell klar, dass das Kloster St. Odilien/Hohenburg nur von sekundärer Bedeutung dieses Ortes war. In dem ältesten noch erhaltenen Teil des Klosters, der Kreuzkapelle aus dem 11. Jahrhundert, befindet sich jedoch ein merowingischer Sarkophag, bei dem es sich vermutlich um das Grab Ettichos und seiner Frau Bereswinde handelt. Außerhalb des Klostergebäudes liegt ein frühmittelalterliches Gräberfeld, das aus mehreren Felsgräbern besteht, die 1930/1934 geöffnet und archäologisch untersucht wurden. Um den Berg herum befindet sich die sogenannte Heidenmauer. Sie wurde lange für prähistorisch gehalten, doch Untersuchungen (dendrochronologisch und C14-Methode) an Eichenholzklammern, mit denen die Steine der Mauer verbunden waren, datie-ren sie ins ausgehende 7. und beginnende 8. Jahrhundert. Vermutlich stammen die Holzklammern jedoch von einer Reparaturphase, sodass eine endgültige Datierung der Mauer noch immer offen steht.

Mittwoch, 26.09.

Der 26.09. begann mit der Besichtigung von Burg Fleckenstein. Eine genaue Datierung der Bauphasen ist bei dieser Burg meist nicht möglich, da das Archiv der von Fleckenstein nicht vollständig erhalten ist. Ins 12. Jahrhundert wird aber der Bau einer Filterzisterne festgesetzt, was die früheste Datierung auf Burg Fleckenstein darstellt. Die zahlreichen Felskammern datieren ins späte Mittelalter oder in die frühe Neuzeit. 1680 wurde die Burg durch französische Truppen gesprengt. Seit Beginn der 1990er Jahre finden Restaurierungsarbeiten statt, in deren Zuge auch Grabungen von 1996-2000 durch R. Krill durchgeführt wurden.

Am Nachmittag war unser Ziel die Maison de l’Archéologie in Niederbronn. Mit Funden von der prähistorischen Zeit bis in die Neuzeit bot es einen ausführlichen Überblick über die archäologische Forschung im Nordelsass. Auch Kleinfunde von den Grabungen auf Burg Fleckenstein wurden ausgestellt.

Eine spontane Entscheidung war es, aufgrund der Wetterlage, statt Ober- und Unterwindstein die Maginotlinie aus dem Zweiten Weltkrieg zu besichtigen. Hierzu bekamen wir eine Führung in dem Artilleriewerk Schoenebourg. In der 2 ½ stündigen Führung besichtigten wir lediglich einen kleinen Teil der Anlage, dennoch bekam man einen Einblick in die Schlafräume, die ärztliche sowie materielle Versorgung und die Wehrhaftigkeit des Bauwerkes. Hierbei wurde für uns einer der absenkbaren Türme betätigt, dessen Wirkung auf die Außenansicht des Werkes wir über einen Bildschirm verfolgen konnten.

Donnerstag, 27.09.

Das deutsche Gegenstück zur Maginotlinie aus dem Ersten Weltkrieg besichtigten wir einen Tag später, am 27.09.: Die Feste Kaiser Wilhelm II. Bei ihrer Errichtung zwischen 1893 und dem Kriegsbeginn wurde Pionierarbeit im Bereich des Stahl- und Betonbaus sowie bei der Verwendung von Elektrizität geleistet. Bei der Besichtigung der Festungsanlagen der beiden Weltkriege bemerkte man sofort den Prototypcharakter, den die Feste Wilhelm II. für die Maginotlinie hatte.

Die Besichtigung der Humanistenbibliothek in Schlettstadt später am Tag stellte ein persönliches Highlight dar. Sie besteht aus zwei Bibliothekssammlungen, zum einen die der Humanistenschule und zum anderen die der Privatbibliothek von Beatus Rhenanus. Bei seinem Tod 1547 umfasste seine Sammlung rund 670 Bücher und Handschriften, von denen viele nur in geringen Auflagen vorhanden waren und damit einen großen Wert aufwiesen. Heute ist die Bibliothek in einer ehemaligen Markthalle nahe der gotischen Kirche St. Georg untergebracht und gehört seit 2011 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Freitag, 28.09

Am 28.09. fuhren wir in die mittleren Vogesen, in eines der Hauptabbaugebiete der Montanindustrie der Vogesen des 16.-19. Jahrhunderts: Sainte-Marie-aux-Mines. Durch C14-Datierungen konnte hier schon eine Bergbautätigkeit ab dem 10. Jahrhundert festgestellt werden. Der Schwerpunkt lag jedoch im Zeitraum des Einsetzens vom Silberabbau, ab dem 16. Jahrhundert. 1961-1980 wurden die 50 km langen Stollensysteme erforscht und dokumentiert. Mit der St. Louis-Eisenthür besichtigten wir eines der wichtigsten von ihnen. Von 1530 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde hier Silber abgebaut, jedoch hielt die Bergbautätigkeit noch bis ins 18. Jahrhundert an. Besonders eindrucksvoll war, dass man die verschiedenen Bergbautechniken erkennen konnte: Die schichtweise Abtragung des Gesteins und die mehrstufige Abtragung, die später eingeführt wurde, um die Gesteinsschichten besser absprengen zu können.

Am Nachmittag besichtigten wir die Hohkönigsburg, einen Touristenmagneten, der den romantischen Gedanken einer Ritterburg bedient. Nach der Zerstörung von 1633, wurde sie jedoch erst 1901 wieder errichtet. Der Architekt Bodo Ebhardt wurde bei seiner Rekonstruktion von Archäologen, Historikern und Wissenschaftlern seiner Zeit in umfangreichen Maß kritisiert. Auch bei unserer Besichtigung konnten wir viele widersprüchliche Maßnahmen Ebhardts erkennen. Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel die Menschen in rund 260 Jahren über die Konstruktion der damaligen Burgen vergessen hatten. Dennoch gibt die rekonstruierte Burg zumindest einen Eindruck von der Größe und Mächtigkeit des damaligen Bauwerkes wieder.

Samstag, 29.09.

Unser Ziel am 29.09. war die Stadt Colmar und das dortige Unterlinden-Museum. Ein kurzer Stadtrundgang auf eigene Faust ergab nur einen flüchtigen Eindruck der Altstadt. Auch eines der Sehenswürdigkeiten, die Maison Pfister aus dem 16. Jahrhundert, war wegen Renovierungsarbeiten abgedeckt. Im Unterlinden-Museum bekamen wir eine Führung, die sich hauptsächlich mit dem wichtigsten Exponat, dem Isenheimar Altar, beschäftigte. Kurz konnten wir noch einen Blick auf die Sammlungen der Ur- und Frühgeschichte, Römer- sowie Merowingerzeit des Museums werfen.

Der nächste Programmpunkt war die Festung Neuf-Brisach. Die Festungsanlage von 1700 ist trotz ständiger Besiedlung und Kriegszerstörungen in einem eindrucksvollen Zustand. Die Verteidigungsanlagen und einige Teile der Innenbebauung sind noch immer fast vollständig erhalten. Neuf-Brisach wurde erbaut, nachdem der französische König seine Verteidigungsanlagen nahe des Rheins verloren hatte. Die neue Festung sollte das mittlere Elsass schützen. Mit einem oktogonalen Kern und einer sternenförmigen Grabenanlage, die diverse Bastionen und Schutzwerke beinhaltete, stellt die Stadt eine für damalige Verhältnisse höchst moderne Befestigungsanlage dar. Es ist sehr schade, dass die Stadt unter starkem Geldmangel leidet. Die Festung ist sehr eindrucksvoll und wäre es wert, sie touristisch etwas mehr aufzubereiten.Als letzten Punkt des Tages besichtigten wir die Abteikirche in Ottmarsheim aus dem 11. Jahrhundert. Die Besonderheit dieser Kirche ist ihre Architektur. Die oktogonale Form erinnert stark an die Pfalzkapelle in Aachen, dem Begräbnisort Karls des Großen. Diese fungierte wohl auch als Vorbild für den Erbauer, denn in Ottmarsheim befindet sich die Begräbnisstätte eben dieses Mannes in der Mitte der Kirche.

Sonntag, 30.09.

Aufgrund der florierenden Textilindustrie des 18. und 19. Jahrhunderts in Mühlhausen besichtigten wir am letzten Tag das dortige Textildruckmuseum. Neben den verschiedenen Stoffen und dem geschichtlichen Hintergrund zum Aufstieg Mühlhausens zur Industriestadt, wurde uns auch der Prozess des Textildruckens des 18. und 19. Jahrhunderts in einer Führung näher gebracht. Die Sonderausstellung zeigt den Wandel von Stoff und Kleidung in der Gesellschaft: Die Entwicklung von verkleinerten Nachbildungen von Erwachsenenkleidung zu den ersten Kinderkleidern und die Ausbildung von Stoffmotiven.

Fazit

Die Exkursion ins Elsass gab einen umfangreichen Einblick in eine Region, die seit Jahrhunderten ein Grenzgebiet ist. Befestigungswerke stellten bei den Exkursionszielen einen Schwerpunkt dar. Zum einen konnte man an den Burgen und Festungsanlagen den Wandel in der Art der Verteidigung nachempfinden. Vor allem mit der Einführung von Schusswaffen kann man eine veränderte Befestigungsstrategie erkennen. Diese werden an Hand von Umbaumaßnahmen an schon bestehenden Burgen ersichtlich, wie bei Burg Fleckenstein oder finden Einzug in Neuerrichtungen, wie in Neuf-Brisach, denen selbst Panzerkanonen aus dem Zweiten Weltkrieg nur wenig anhaben konnten. Zum anderen gibt das Elsass die Möglichkeit französische und deutsche Befestigungen zu besichtigen. Hierdurch kann man sie vergleichen und gegebenenfalls Beeinflussungen feststellen, wie es bei der Kaiser Wilhelm Feste und der Maginotlinie der Fall war.

Aber auch abgesehen von den Befestigungen, konnten die anderen Exkursionsziele neue Eindrücke vermitteln. Die St. Louis-Eisenthür zum Beispiel gibt noch einen Einblick in die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Maßnahmen des Bergbaus. Mir bekannte Bergwerke in Deutschland wurden häufig noch bis ins 19. oder 20. Jahrhundert genutzt und dementsprechend ausgebaut, sodass man die Frühphase der Montanindustrie nicht mehr erkennen konnte. Darüber hinaus hat mich auch das Gotteshaus in Ottmarsheim mit seiner eigentümlichen oktogonalen Form und vor allem die die Heidenmauer beeindruckt, dessen Datierung auch heute noch nicht ganz sicher ist.

Die unterschiedliche Thematik der Ziele hat die Exkursion insgesamt sehr interessant gestaltet und stellte sicher, dass für jeden der Teilnehmer ein Höhepunkt dabei war.