Archäologiemanagement in Höchstadt an der Aisch: von der Stadtarchäologie zum Stadtinventar
Projektleiterin: Britta Ziegler M.A.
Laufzeit: ab 2021
Die ehemalige Kreisstadt Höchstadt a. d. Aisch liegt am südlichen Rand des Steigerwalds zwischen den Städten Erlangen und Bamberg linksseitig der Aisch. Das Stadtensemble bewahrt noch heute die historischen Strukturen mit ihren drei umwehrten Ausbauphasen.
Der archäologische Kenntnisstand zur Stadtentwicklung Höchstadts ist jedoch gering. Der Grund hierfür liegt in den undokumentierten großflächigen Baumaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte, die ganze Stadtquartiere verschwinden ließen. Die in jüngster Zeit durchgeführten Ausgrabungen stellen nur punktuelle baubegleitende Maßnahmen dar und tragen somit kaum zum archäologischen Erkenntnisgewinn bei. Das Forschungsdefizit betrifft ebenfalls den historischen Baubestand, da viele modern überprägte Wohngebäude bisher nicht untersucht wurden.
Die Stadtgenese Höchstadts und ihr Einfluss auf das unmittelbare Umland besitzt jedoch eine große Bedeutung für die Regionalgeschichte der vorindustriellen Gesellschaft. Um die vorhandene Forschungslücke zu füllen, entwickelte der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit das Konzept eines städtischen Archäologiemanagements. Da hier die vielfältigen Aspekte der Genese des gesamten Stadtkerns im Fokus stehen, ist die Einbindung einer breitgefächerten institutionellen Kooperation von städtischer Verwaltung, örtlichem Gymnasium, historischem Verein, Denkmalpflegebehörden und Grundeigentümern in das Projekt obligatorisch.
Der mangelhafte Kenntnisstand zum archäologischen und bauhistorischen Bestand Höchstadts beeinträchtigt auch die öffentliche Vermittlung der Bedeutung des städtischen Denkmals für das gesamtgesellschaftliche geschichtliche Erbe. Das Konzept des Archäologiemanagements wirkt dieser Entwicklung entgegen, da hier wissenschaftliche Forschung mit Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation verbunden wird: der Begriff des Archäologiemanagements geht davon aus, dass das archäologische Erbe als Geschichtsquelle bewusst erlebt, erfahren und rezipiert werden kann. Neben dem aus denkmalpflegerischen Gründen geforderten archäologischen Substanzerhalt kommt somit auch anderen Wertigkeiten von Bodendenkmälern eine Gewichtung zu. So zählen hierzu, neben dem wissenschaftlichen Forschungsinteresse, Formen der Vermittlung und Präsentation. Diese können auf vielfältige Weise von weiteren projektbeteiligten Institutionen und öffentlichen Einrichtungen genutzt und angewendet werden, die somit als Multiplikatoren wirken.
Methodisch orientiert sich das archäologische Management an einer prospektiven und präventiven Archäologie, führt multidisziplinäre Erhaltungsstrategien mit Verfahren der Raumplanung zusammen und steht damit in staatlichem und kommunalem öffentlichen Interesse.
Im Bereich der Archäologie und Geschichtsforschung findet sich in und um Höchstadt ein großer, ehrenamtlich rege tätiger Personenkreis. Das Konzept des Archäologiemanagements bietet umfangreiche Möglichkeiten, dieses aktive bürgerwissenschaftliche Engagement mit der institutionellen Forschung zu verbinden, bereits erworbene Erkenntnisse zu publizieren und damit die ehrenamtlichen Leistungen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und angemessen zu würdigen.
Der Projektentwurf sieht die Verwendung der Systematik eines archäologischen Stadtkatasters vor, um Informationen zu archäologischen Relikten eines historischen Stadtkerns zu bündeln. Hierbei wird, vom heutigen Stadtbild ausgehend, die Siedlungsgenese durch interdisziplinäre Untersuchungsmethoden des baulichen und archäologischen Bestandes im Bereich einer jeden Einzelparzelle ermittelt. Durch die Ergänzung der bau- und bodendenkmalpflegerischen Daten mit archivalischen Informationen wird die sukzessive Erstellung eines umfassenden Stadtinventars angestrebt, das langfristig als Open Source öffentlich zugänglich sein soll.
Es ist geplant, die Fülle an Informationen mittels kleinteiliger, in sich abgeschlossener Einzelprojekte zusammenzutragen. Der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelaltes und der Neuzeit der Universität Bamberg und das Gymnasium Höchstadt setzen diese Maßnahmen in Form von regulären universitären Lehrveranstaltungen bzw. als P-Seminare der gymnasialen Oberstufe gemeinsam um.
Die enge Verflechtung von Universität, Gymnasium, Stadtverwaltung und Heimatpflege bietet ideale Voraussetzungen für die Durchführung praxisorientierter Lehrveranstaltungen zur effektiven Öffentlichkeitsarbeit, die nicht nur der breiten Bevölkerung einen leichten Zugang zu den Forschungsergebnissen ermöglicht, sondern auch die Bedürfnisse der Gesellschaft nach wissenschaftlicher Teilhabe berücksichtigt. Darüber hinaus wird der aktuelle Bearbeitungsstand des Stadtinventars als denkmalpflegerisches Planungsinstrument sowohl der Stadtverwaltung als auch den Denkmalschutzbehörden zur Verfügung gestellt.
Die im Jahr 2022 durchgeführte Untersuchung des Zwickturmareals durch die Schülerinnen und Schüler des von Christian Plätzer geleiteten P-Seminars Stadtarchäologie - Der verschwundene Zwickturm, stellte den ersten Baustein des historischen Inventars Höchstadts dar.
Die Maßnahme bestand aus zwei zeitlich getrennten Kampagnen: Im Frühjahr erfolgte eine mehrtägige geoelektrische Prospektionsmaßnahme am ursprünglichen Standort des Zwickturms auf einer Fläche von rund 200 m² mit einer erreichten Tiefe von über 4 Metern. Zeitgleich führten die 13 Schülerinnen und Schüler des P-Seminars eine steingerechte und maßstabsgetreue Bauaufnahme der Nordwest-Ecke der Stadtmauer durch und erfassten über 200 laufenden Meter Mauerwerk mit einer Gesamtfläche von annähernd 900m². Die daraus entstandenen 55 Planzeichnungen wurden der Stadtverwaltung kostenlos zur Verfügung gestellt und dienen als Grundlage der in diesem Bereich geplanten Sanierungsmaßnahmen.
Im Frühsommer desselben Jahres erfolgte eine dreiwöchige Ausgrabung in diesem Areal. Die Grabungsergebnisse konkretisierten die Interpretation der geophysikalischen Messungen und brachten nicht nur neuzeitliche Verfüllschichten des Stadtgrabens mit einer Vielzahl von Fundmaterialien, sondern auch die Fundamentreste des Zwickturms zu Tage. Die Grabungsergebnisse wurden in einer durch das P-Seminar konzipierten Sonderausstellung des Höchstadter Heimatmuseums der Öffentlichkeit präsentiert.
Das P-Seminar wurde mit dem Mittelfränkischen P-Seminarpreis 2021/2023 und dem Bayerischen P-Seminarpreis des Bayerischen Kultusministeriums, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw), dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e. V. (bbw) und der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG ausgezeichnet.