AMANZ-Forschung vor der Haustür – Archäologische Ausgrabungen im Bamberger Dom werden endlich ausgewertet
Projektleiterin:
Dr. Nelo Lohwasser
Finanzierung:
DFG, Laufzeit 04/2021 - 03/2025
Auswertung der Ausgrabungen im Bamberger Dom
Von 1969-72 führte Prof. Dr. Walter Sage, erster Inhaber des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, umfangreiche Ausgrabungen im Bamberger Dom durch, die Fundamente aller Bauphasen und zahlreiche Bestattungen erbrachten. Die Grabungsergebnisse sind bisher nur in Ausschnitten und kurzen Vorberichten veröffentlicht.
Die Grabungen erstreckten sich über das gesamte Mittelschiff und weite Bereiche der Seitenschiffe. Mit Hilfe von Assistenten und Grabungsarbeitern gelang es Walter Sage, an einigen Stellen sogar bis in frühmittelalterliche Siedlungsschichten (7./8. Jahrhundert) vorzudringen. Über den frühmittelalter- lichen Schichten erhob sich die erste Kirche, die Burgkapelle der Babenberger, umgeben von einem Friedhof. Man kann von einer längeren Belegung dieses Friedhofs ausgehen, denn hier lagen mehrere Generationen von Bestattungen übereinander. Die Burgkapelle war ein einfacher Saalbau, vielleicht mit einem eingezogenen Chor. Ihre Reste fanden sich unter dem heutigen nördlichen Seitenschiff und dem Mittelschiff. Sie war genauso orientiert wie die Nachfolgebauten und etwa 20 m bis 25 m lang. Außer diesen Grundmauern wurden viele Mauerreste der Nachfolgebauten, aber auch Teile älterer Mauerfundamente entdeckt.
Der unter Kaiser Heinrich II. entstandene, im Mai 1012 geweihte erste Dom war etwa um ein Viertel kleiner als der heutige Dom. Seine Mittelachse lag leicht nach Südost verschoben. Nach Augenzeugenberichten und nach Walter Sages Grabungsfunden zu urteilen muss er äußerst prächtig ausgestattet gewesen sein, mit einem farbig gemusterten Boden aus Opus sectile, Wandmalereien und wertvollen religiösen Gegenständen. Ein großer Brand 1081 vernichtete jedoch diese Schönheit. Bischof Otto I. ließ den Dom auf den gleichen Grundmauern wiederherstellen, Dach und Fußboden erneuern. Dieser Bau wurde 1085 abermals Raub der Flammen.
Der heute bestehende Bamberger Dom ist die dritte Version der Kathedrale, geweiht 1236. Das Bauwerk war und ist auch gegenwärtig Gegenstand intensiver Forschungen, aktuell durch den Lehrstuhl für Bauforschung und Baugeschichte (Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling) in Zusammenarbeit mit der Dombauhütte.
Erste Schritte für das Projekt tat Eike Michl, ehemaliger wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl AMANZ. Er erstellte Verzeichnissse der verfügbaren Grabungsunterlagen, digitalisierte einen Gutteil der Grabungspläne und zeichnete sie digital um. Die Bearbeiterin konnte in einem weiteren vorbereitenden Projekt alle aus dem Dom bekannten Bodenfunde dokumentieren, katalogisieren und so weit wie möglich bestimmen. Die Bestattungen wurden von Bernd Trautmann (Staatssammlung für Anthropologie München) bearbeitet und ausgewertet.
In den ersten Monaten des jetzt laufenden Projekts erfolgte eine Umarbeitung der alten Grabungsdokumentation Walter Sages auf heutigen Standard. So wurde ein durchgehendes Nummernsystem aller Erd- und Steinbefunde entworfen, das gleiche Befunde zusammenfasst, denn alle Zeichenblätter und zugehörende Beschreibungen begannen mit Befundnummer 1. Gleiches geschah mit der Grabungsdokumentation der Westkrypta von Joachim Zeune und Nelly Wintergerst. Daraufhin wurden die Befunde ihrer Stratigrafie entsprechend in Perioden eingeteilt und in ihren Zusammenhängen beschrieben; das illustrierende Fotomaterial und das enstehende Kartenwerk werden permanent bearbeitet und korrigiert. Ein wichtiger Arbeitsschritt ist nun die Verbindung der Funde mit ihrem Fundort, wobei der Fundort oft sehr vage angegeben ist. Archäologisch bearbeitet sind unterdessen auch die zahlreichen Bestattungen im Dom, mit Ausnahme der Grüfte. Ferner wurden die im Fundgut vorhandenen Mörtelproben und an Fundstücken anhaftender Mörtel einer chemischen Untersuchung und Einteilung unterzogen; die gewonnen Ergebnisse können nun mit der Periodisierung abgeglichen werden.
Eine Grabungsauswertung dieser Größenordnung findet Beispiele in der sächsischen Kathedrallandschaft. Jüngere Untersuchungen betrafen die Dome von Osnabrück, Paderborn, Münster oder Köln. Diese Auswertungen setzten Maßstäbe und sind Vorbilder für das Projekt.