Auswertung der Ausgrabungen an der katholischen Pfarrkirche St. Kunibert in Zülpich-Sinzenich
Projektleitung: PD Dr. Markus Sanke
Förderer: Denkmalförderprogramm Nordrhein-Westfalen
Mitwirkende Institutionen: Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege Bonn; Justus-Liebig-Universität Giessen, Anthropologie
Laufzeit: 01.01.1997 – 31.12.2001
Im Jahre 1997 wurden an der Kirche St. Kunibert im Zülpicher Ortsteil Sinzenich Sanierungs- und Trockenlegungsmaßnahmen erforderlich. Bei Freilegung der Fundamente rund um den heute stehenden, gotischen Bau konnten an verschiedenen Stellen die Abgänge älterer Mauerzüge festgestellt werden. Im Nordwestbereich waren die Anzeichen für ältere Bausubstanz dabei so dicht, daß sich das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege, Außenstelle Nideggen-Wollersheim, zu einer großflächigen Ausgrabung entschloß, die von Juni bis Oktober 1997 unter der Leitung des Berichterstatters stattfand.
Bereits in den sechziger Jahren konnte bei Sanierungsarbeiten im Innenraum der Kirche festgestellt werden, daß diese nicht nur auf den Fundamenten einer römischen Anlage errichtet ist, sondern bis in eine Höhe von 12 m im aufgehenden Bau ungestörtes römisches Mauerwerk im Originalverband beinhaltet. Der Befund im Boden deutet auf eine Bade- oder Thermenanlage vor den Toren des römischen Hauptortes Zülpich-Tolbiacum hin. Die ältesten Daten für den Bau der Kirche stammen von Eichenbalken im Turmobergeschoss, sie konnten dendrochronologisch auf 1031 datiert werden.
Die Ausgrabung im Außenbereich hat für alle Epochen der Geschichte des Platzes Daten liefern können. Neben vereinzelten vorgeschichtlichen Objekten werden die römischen Keramik-, Ziegel- und Glasfunde, die aus dem Fundament der massiven römischen Gußmörtelmauern unter dem Kirchturm stammen, eine Datierung des Bauwerks erlauben. Eine Nord-Süd-orientierte Körperbestattung in enger Anlehnung an einen römischen Mauerzug könnte eine unmittelbar nachrömische Nutzung des Areals, eventuell in der Völkerwanderungs- oder Merowingerzeit, andeuten. Ein massiver Fundniederschlag ist erst wieder für das 8., verstärkt dann für das 9. Jahrhundert zu verzeichnen. In diesem Zeitabschnitt ist mit einer ersten, groß angelegten Bautätigkeit zu rechnen, dem bestimmte Teile der Kirchenfundamente zugeordnet werden können. Nach dieser Bauphase, sicher aber vor dem 13. Jahrhundert, kamen an prominenter Stelle vier aufwendig gebaute Körpergräber in den Boden. Es handelt sich um drei steinerne Sarkophage und eine aus Ziegelsteinen gemauerte Gruft mit Innenverputz, die jeweils einen erwachsenen Toten in gestreckter Rückenlage mit Kopf im Westen enthielten. Bei den Steinsarkophagen handelt es sich um Kopfnischengräber, bei denen auf dem Sarkophagboden stehengelassene Stege den Kopf des Bestatteten einfassten. Auffällig ist, daß in drei der vier Bestattungen zu einem späteren Zeitpunkt Säuglinge beigesetzt worden sind, in zwei Fällen deutlich erkennbar in einem hölzernen Kasten. Die Ausstattung der vier Grablegen läßt an die Beisetzung von adligen Angehörigen der Stifterfamilie denken. Ein weiterer, deutlicher Fundniederschlag ist dann mit zahlreichen Funden des späten 13. und 14. Jahrhunderts zu verzeichnen. Dieser Zeit ist eine Verlängerung der Kirche nach Westen ("Nonnenchor") im Zuge der Ansiedlung eines Franziskanerinnenkonvents in Sinzenich zuzuordnen, von der auch urkundliche Belege vorliegen. Bei dieser Baumaßnahme wurde ein älteres Seitenschiff niedergelegt, das mehrere Kapellen enthielt. In einer der Kapellen konnte ein sehr sorgfältig gesetztes Altarfundament entdeckt werden. Aus der Barockzeit ist als letzte archäologische Phase die Bestattung eines Klerikers zu nennen, der mit dem Kopf im Osten und Blick nach Westen in seinem Ornat (Seidengewebe, Gold- und Silberbrokat) und einem qualitävollen Bronzekruzifix mit Rosenkranzanhängern auf der Brust bei seiner Kirche beigesetzt wurde.
Es fand eine Auswertung der Grabungsergebnisse in Bezug auf eine vollständige Rekonstruktion der Baugeschichte dieser rheinischen Dorfkirche statt. Insbesondere für die Zeit nach Abzug der römischen Truppen aus dem Rheinland sind unsere Kenntnisse äußerst dünn gesät, eine sorgfältige Analyse des Fundstoffes konnte über die Nutzung des Geländes im 4. bis 7. Jahrhundert Auskunft geben. Für die Zeit ab dem 8. Jahrhundert konnte eine Detailanalyse des Fundstoffs Licht in die einzelnen Bauvorgänge geben.
Publikationen:
Sanke 1999
M. Sanke, Zülpich-Sinzenich, Pfarrkirche St. Kunibert (Grabungsvorbericht). Bonner Jahrbücher 199, 1999 (2002) 479–482.