Schatzsuche unter der Moschee
Für die Bewohner der iranischen Kleinstadt Golpayegan in der Provinz Isfahan steht eines fest: Unter der Freitagsmoschee liegt ein Schatz vergraben. Seit einigen Tagen finden sich an verschiedenen Stellen im Fußboden der Moschee mannstiefe Löcher, und ein Team um den Bamberger Archäologen Lorenz Korn fühlt Tag um Tag dem Bau aus dem 12. Jahrhundert mehr auf den Zahn. Der Gottesdienstablauf, das fünfmalige Gebet am Tag, wird freilich dadurch nicht behindert: Bis auf die Freitagspredigt findet das Beten zurzeit – es ist Frühjahr 2007 – noch im besser heizbaren kleinen Wintergebetssaal statt.
Die Moschee ist der Schatz
Mehrmals am Tag muss Lorenz Korn, Professor für Islamische Kunst und Archäologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, die Fragen der Bewohner von Golpayegan beantworten. Was für Reichtümer sie sich von ihrer Schatzsuche am heiligen Platze erhoffen, sassanidische Silbermünzen oder vielleicht Artefakte aus einem zoroastrischen Feuertempel? Selbst dem Isfahaner Fernsehen muss Lorenz Korn berichten, was die Forscher dort denn suchen. Seine Antwort mag für viele der interessierten Iraner schon fast enttäuschend wirken: Keine vorislamischen Funde der altehrwürdigen Sassanidenkönige reizten zur Grabung, sondern der Bau selbst, eine Freitagsmoschee, deren Kuppelsaal zu den eindrucksvollsten Bauten der Seldschukenzeit in Iran zählt. Seit 1999 beschäftigt sich Korn intensiv mit den Moscheen dieser Zeit. Ein Jahr später reiste er zum ersten Mal nach Golpayegan. „Damals war ich begeistert, wie viele Inschriften dort zu finden sind“, berichtet der Bamberger Archäologe. Eine dieser Inschriften datiert den Kuppelsaal auf das Jahr 1114/1115 n. Chr., doch aufgrund von Parallelen im Stuckdekor aus dem 10. Jahrhundert konnte Korn aufzeigen, dass bereits ein Vorgängerbau an gleicher Stelle vorhanden war.
Ob die Forscher aus Deutschland die augenscheinlich alte Moschee vielleicht mit etwas Putz und Farbe hübsch renovieren würden? Auch diese Frage hört das Team aus drei Archäologen und zwei Architekten mit steter Regelmäßigkeit. „Das Bewusstsein um den Wert der Bauten aus islamischer Zeit ist in Iran oftmals nicht recht ausgeprägt“, stellt Lorenz Korn fest und blickt sorgenvoll auf den Rohbau eines großen Geschäftshauses, das während seiner Ausgrabung bedenklich nahe am Moscheebau in die Höhe gezogen wird. Auch die weiteren Bauten, die zum Moscheekomplex gehören, datieren jünger. Überdimensionierte Straßenlaternen im annähernd quadratischen Innenhof des Baus wirken wie das bizarre I-Tüpfelchen eines seltsam anmutenden Stilkonglomerats.
Grabungserlaubnis mit Hindernissen
Erst als er Mitte Februar in Iran ankam, konnte Korn wirklich glauben, dass sein lang gehegter Traum einer eingehenden Untersuchung der golpayeganer Freitagsmoschee tatsächlich Wirklichkeit geworden war. Bereits 2002 lernte er auf einer Tagung in Iran die Verantwortlichen für eine Grabungserlaubnis für Golpayegan kennen. Zwischen 2004 und 2005 stellte er erfolgreich einen Projektantrag, ein Jahr später hätte eigentlich alles losgehen können. Doch bei den Präsidentschaftswahlen 2006 wurde Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten gewählt. Im gesamten Staatsapparat kam es infolgedessen zu Neubesetzungen. Auch in der staatlichen Antikenverwaltung gab es einen Wechsel. Lorenz Korns Anträge gingen im allgemeinen Trubel unter, den Forschern wurde kein Visum erteilt, und die Kampagne konnte nicht stattfinden. „Das war sehr hart für uns, noch viel mehr aber für unsere iranischen Projektpartner, die dadurch viel Geld verloren haben“, erinnert sich Lorenz Korn. Auch die Kampagne 2007 gestaltete sich als Krimi: „Erst wenige Tage vor Abflug kamen endlich die Visa an.“ Die Antikenverwaltung hielt jedoch noch weitere Überraschungen für die Archäologen parat: Ein iranischer Mitarbeiter wurde als Beobachter abgestellt, die Ankunft der iranischen Bauforscher verzögerte sich erheblich, und das Visum des deutschen Architekten Christian Fuchs galt nur für die Hälfte der Kampagne. „Das hat uns zwei Tage mit ständigen Telefonaten beschert. Natürlich hatten wir einen Zeitverlust, doch glücklicherweise wurde das Visum doch noch verlängert“, erzählt Korn.
Arbeiten in luftiger Höhe
In der Gästewohnung der Golpayeganer Tabaksmonopolverwaltung sind die zwei Frauen und drei Männer aus Deutschland einquartiert. Drei Teppiche, fünf Stühle und ein Tisch, das ist das Mobiliar, das sie anfangs vorfinden und Schritt für Schritt erweitern. Golpayegan liegt in den Bergen und ist als Skigebiet im Iran beliebt: Kalt wird es am Abend, doch die Heizung und das Warmwasser in der kleinen Wohnung funktionieren tadellos. Gleich am ersten Abend öffnet der Archäologe Philipp Schramm seinen Koffer und packt mit einem Lächeln erst einmal eine Küchenschürze und handelsübliche Gummihandschuhe in Neonfarben aus. Nach einem ordentlichen Hausputz fühlt sich die fünfköpfige Gemeinschaft schon bald wie zuhause. Jeden Abend wird in einem großen Topf Reis gekocht, gegessen wird – wie in Iran üblich – auf dem Boden sitzend, dafür die drei Teppiche.
Auch das Arbeiten im Kuppelraum der Moschee funktioniert harmonisch und gut geheizt: Mehrere alte, aber effektive Gasöfen erwärmen die Luft im Kuppelraum aus dem 12. Jahrhundert. Da heiße Luft bekanntlich aber nach oben steigt, wird das Arbeiten bei der Bauaufnahme der Kuppel für die Archäologen und Bauforscher fast zur Qual. „Man musste immer wieder Pausen einlegen und die Öfen ausschalten.“ Ein verwegen anmutendes Gerüst wurde errichtet, auf dem die Archäologen bei der Arbeit wie Zirkusartisten balancieren: „Nach ein paar Tagen entschieden wir uns, das Gerüst mit mehreren Planken zu verstärken“, erzählt Lorenz Korn, „dadurch wurde das Ganze nicht viel sicherer, aber man konnte etwas mutiger in der Höhe arbeiten.“
Die Schätze der Archäologen
Mittlerweile haben die Forscher um den Bamberger Archäologen ihre Zelte in Iran wieder abgebrochen und sind an ihre Universitäten zurückgekehrt. Persische Silbermünzen hatte Lorenz Korn nicht in seinem Koffer. Er und sein Team sind abgereist ohne einen zoroastrischen Feuertempel gefunden zu haben. Die gemachten Funde – in den Augen der Golpayeganer bloß ein paar Scherben – wanderten in die Depots der staatlichen Antikenverwaltung. Doch für die Forscher zählen andere Schätze: Begeistert berichtet Korn von den Erkenntnissen seiner Grabung in Golpayegan, die ihm bei der Frage, wann und warum der Kuppelraum in den Bautyp der Moschee gekommen ist, helfen werden, aber auch von der guten Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern der Gruppe: „Auch die iranischen Bauforscher haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, und wir haben uns sehr gut verstanden.“ Nun ist es seine Arbeit, die Funde auszuwerten, – doch überdies hofft er, so bald wie möglich nach Iran zurückzukehren. Wenn die Antikenverwaltung mitspielt, könnte man es bald wieder in der Moschee tuscheln hören, deutsche Schatzsucher seien in Golpayegan unterwegs...