Ein Hoch auf die Geisteswissenschaften
Warum sollte sich jemand für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheiden? „Es übt einen darin, Räume, die erstmal erschreckend weiß sind und keine Orientierung bieten, neugierig und angstfrei zu betreten und sie zu gestalten, im besten Sinne kreativ zu sein“, formulierte Dr. Stephanie Heckner im Rückblick auf ihr eigenes Studium und die sich daran anschließende Berufslaufbahn. Die heutige Leiterin Reihen und Mehrteiler beim Bayerischen Rundfunk (BR) war Festrednerin beim 371. Dies academicus, der Gründungsfeier der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, am 19. November 2018.
Den klaren geistes- und sozialwissenschaftlichen Akzent der Universität Bamberg hob der Bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler würdigend in einer Videobotschaft hervor. Es sei wichtig, Studierenden kritisch-urteilende Fähigkeiten mit auf den Weg zu geben. Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert stellte in der nahezu vollbesetzten AULA beispielhaft vor, was die Universität im vergangenen Jahr bewegt hat, nahm die Entwicklung der Studierendenzahlen und des Frauenanteils in der Professorenschaft in den Blick. Abschließend wurden Preise für Habilitationen, Promotionen und studentische Leistungen vergeben. Musikalische Häppchen zwischendurch bot das Jazz-Quartett des Lehrstuhls für Musikpädagogik und Musikdidaktik.
„Tatort Geisteswissenschaften“
Schwerpunkt des Abends war der Festvortrag Tatort Geisteswissenschaften von Stephanie Heckner. Sie ging der Frage nach, wozu ein geisteswissenschaftliches Studium dienen kann. Darauf gab sie weniger eine wissenschaftliche, als vielmehr eine persönliche Antwort. Entgegen dem Wunsch ihrer Eltern, die sie gerne als Medizinstudentin gesehen hätten, schrieb sie sich für Literaturwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache und Philosophie ein. „Das geschah aus Neigung und vielleicht auch ein bisschen aus Zuneigung“, erinnerte sie sich. Nach dem Studium arbeitete sie beim Goethe-Institut, bei einem Fremdsprachenverlag und verschiedenen Fernsehsendern, ehe sie beim BR landete. Dort ist sie heute unter anderem für den Tatort verantwortlich. Lebhaft erzählte sie von der Gründungsphase des neuen Franken-Tatort. Das sei „der weißeste Raum aller denkbaren weißen Räume“ und „der härteste Ritt“ in ihrer gesamten Berufslaufbahn gewesen.
Im Rückblick auf ihren Werdegang fragte sich Stephanie Heckner, ob Geisteswissenschaften die Beweglichkeit der Wahrnehmungsfähigkeit trainierten. Und: „Lernt man in den Geisteswissenschaften vielleicht besser als anderswo individuelle Wege in einer gewissen Selbstentschiedenheit zu gehen? Sich in einem gestaltlosen Feld, in einer komplexen, in sich beweglichen Welt klar zu positionieren und neue Blickwinkel zuzulassen? Mit einer Haltung, die sich ihrer selbst sicher ist und anderes doch gleichermaßen respektieren und angstfrei stehenlassen kann.“ Das war dann doch weniger eine Frage, mehr ein Resümee zum Tatort Geisteswissenschaften.
Vergleichsweise hoher Frauenanteil in der Professorenschaft
Nicht nur auf die Geisteswissenschaften ging Godehard Ruppert ein, der auf das vergangene akademische Jahr zurückblickte. Er benannte die Änderung in der Leitung: Prof. Dr. Margarete Wagner-Braun hat das Amt der Vizepräsidentin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs von Prof. Dr. Maike Andresen übernommen. Bedeutsam für die gesamte Universität war auch der Minerva Informatics Equality Award, den die Fakultät Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik für ihre außerordentlichen Maßnahmen in der Frauenförderung erhielt. Forschung und Lehre veranschaulichte der Präsident unter anderem durch das vollendete Etymologische Wörterbuch der französischen Kreolsprachen von Prof. Dr. Annegret Bollée und durch die Weiterförderung des Projektes WegE, mit dessen Hilfe sich die Bamberger Lehrerbildung inhaltlich und strukturell weiterentwickelt.
Godehard Ruppert sprach auch über die auf hohem Niveau stagnierenden Studierendenzahlen, mit denen er zufrieden sei, denn dadurch sei es möglich, die Qualität der Studienbedingungen an der Universität beizubehalten. Besonders hob er den Frauenanteil in der Professorenschaft hervor: Im deutschlandweiten Vergleich liege die Universität Bamberg mit einem Drittel Professorinnen in den Besoldungsgruppen W2 und W3 weit vorne, in der Gruppe W1 gebe es bereits mehr Professorinnen als Professoren. Dennoch gelte es weiterhin, die Unterschiede auszugleichen.
Habilitations-, Promotions- und Studierendenpreise
Einen Querschnitt durch die Forschung verschiedener Fachbereiche der Universität Bamberg bot die Preisverleihung. Margarete Wagner-Braun zeichnete vier Forschungsarbeiten aus: Der Habilitationspreis der Universität ging an PD Dr. Ole Schützler vom Lehrstuhl für Englische Sprachwissenschaft. Für ihre erziehungswissenschaftliche Arbeit erhielt PD Dr. Susanne Kuger den Habilitationspreis der Sparkasse Bamberg. Den Promotionspreis des Universitätsbundes erhielt Dr. Simon Scheller (Politikwissenschaft) und den Promotionspreis des Rotary Clubs Bamberg-Schloss Geyerswörth bekam Dr. Judith Rauscher (Amerikanistik).
Prof. Dr. Frithjof Grell, Vizepräsident für Studium und Lehre, übergab den Preis für studentisches Engagement an die Studenteninitiative für Kinder Bamberg e.V. und den DAAD-Preis für hervorragende ausländische Studierende an die Ungarin Dóra Ilona Ehrenberger. Über den Fritzi!-Preis für gute Abschlussarbeiten Studierender mit Kind freuten sich Carolin Jäger und Samira Riemenschneider.